Es war die Schlagzeile der letzten Woche: Bosch streicht 13 000 Stellen! Der Grund: Es läuft nicht rund im Mobility-Bereich. Dass einer der weltweit grössten Zulieferer der Automobilbranche so drastische Schritte geht, lässt natürlich auch die hiesige Industrie aufhorchen. Aktuell beschäftigt die Zulieferindustrie für die Automobilbranche in der Schweiz rund 34 000 Mitarbeitende und zählt über 570 Unternehmen. Viele davon verfügen über eine KMU-Struktur und kämpfen schon seit Monaten mit den globalen Herausforderungen und der fortschreitenden Digitalisierung. Mit den Themen künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierung hat der Druck zugenommen, innovativ zu denken und flexibel zu agieren. Wer gerade auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in München war, konnte sehen, wohin die Reise geht: viel neue Technik, basierend auf KI und Machine Learning. Nicht zu überhören war jedoch auch der Unmut der Konzerne, dass die EU mit ihren Regulierungen das Wachstum in diesem Segment ausbremsen würde. Auch ein Grund, warum Zulieferer leiden.

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Vieles steckt noch in den Kinderschuhen

«Bei allem, was man lesen und hören kann, kommt schnell das Gefühl auf, dass alles nur noch von KI bestimmt ist, auch in der Autobranche», sagt Anja Schulze, Professorin für Mobility and Digital Innovation Management an der Universität Zürich (UZH). «Doch basierend auf unseren Studienergebnissen lässt sich sagen, dass da noch sehr viel in den Kinderschuhen steckt.» Und das gilt vor allem auch für Zulieferer in der Schweiz. «Die Industrie hier vor Ort ist sehr materialwissenschaftlich und damit physisch geprägt», so die Expertin. «Da muss man dann schon sehr genau schauen, wo sich KI sinnvoll einsetzen lässt.» Auf der anderen Seite aber kommt sie bereits zum Einsatz, auch bei den Zulieferern. Wo genau, dazu zeigt man sich mit Angaben jedoch vorsichtig. Vielleicht eben auch, weil die rechtliche Lage aktuell weiterhin vage ist und man gar nicht weiss, wo und wie man KI in Bezug auf Urheberrechte, Datenschutz und andere Parameter verwenden darf. Auf der anderen Seite ist jedoch klar, dass man als Zulieferer das eigene Geschäftsmodell in Teilen und mit Blick auf den Einsatz von KI und anderen innovativen Techniken überdenken muss. Auf der IAA wurde deutlich, dass die internationalen Zulieferer das bereits verstanden haben. Wie beschrieben präsentierten viele Unternehmen intelligente Lösungen für die Zukunft der Mobilität, wie fortschrittliche Assistenzsysteme und Technologien für hochautomatisiertes und autonomes Fahren. Und auch im Bereich Connectivity-Lösungen für Fahrzeugflotten und IoT-basierte Anwendungen zur Verbesserung des Fahrerlebnisses und der Mobilitätseffizienz gab man sich zukunftsweisend.

Neue Antriebstechnologien fordern heraus

«Geht es ums autonome Fahren, ist KI sicher der Gamechanger», sagt Anja Schulze. «Knackpunkt wird ausserdem die Interaktion zwischen Auto und Fahrer sein und auch bleiben.» Diese muss unkompliziert sein, und sie muss funktionieren. So klingt es beispielsweise sehr praktisch, wenn man dank Plug and Play nicht mal mehr einen Schlüssel für sein Auto braucht, weil das Smartphone bereits mit dem Auto kommuniziert. Es öffnet sich, wenn man sich nähert, die Sitzeinstellung wird nach dem Einsteigen angepasst, und das Soundsystem sorgt für persönliche Wohlfühlstimmung. Schwierig wird es jedoch, wenn das Auto von mehreren Familienmitgliedern genutzt wird und alle gleichzeitig im Auto sitzen – oder wenn nach dem Aussteigen bei einem Termin einfach der Akku des Handys leer ist. «Bleibende Herausforderungen für hiesige Zulieferer sind in meinen Augen die Auseinandersetzung mit neuen Antriebstechnologien, mit der Automatisierung und natürlich einer funktionierenden Supply-Chain wie auch verlässlichen respektive neuen Absatzmärkten», sagt Anja Schulze. Die Hauptmärkte für Schweizer Zulieferer sind aktuell West- und Osteuropa, China und die USA. «Mit China und den USA haben wir Märkte, bei denen niemand genau vorhersehen kann, wie die Zukunft aussieht», ergänzt die Expertin. «Zudem setzen die Chinesen in aller Regel auf ihre eigenen Zulieferer.» Jetzt lässt sich theoretisch sagen, dass ein Zulieferer ja an jeden verkaufen kann, aber so einfach ist es nicht. Es besteht faktisch eine grosse Abhängigkeit von bestehenden Auftragsverhältnissen. Anja Schulze rät: «Die Aufgabe sollte daher sein, die neue Wettbewerbssituation zu analysieren und zu schauen, wie man sich mit seinem bestehenden oder angepassten Portfolio strategisch klug positionieren kann.»

Die Zukunft der Automobilbranche ist dynamisch und voller Herausforderungen, die strategische Anpassungen und vor allem eine grosse Innovationskraft von den Zulieferern erfordern. Schweizer Unternehmen müssen sich dabei flexibel zeigen, offen sein, auch Geschäftsmodelle zu überdenken und ihre Position in einem sich ständig verändernden Markt geschickt zu stärken.