Mit dem Einzug des E-Antriebs in die Autowelt hat sich vieles verändert. Zum einen fährt ein Elektroauto ohne Auspuffabgase – also zumindest lokal abgasfrei. Zum anderen ist es sehr einfach zu bedienen. Knackpunkte wie das Anfahren in einer Steigung oder das saubere Schalten der Gänge entfallen, und daher erfreuen sich auch Personen, die grundsätzlich keine emotionale Verbindung zu Autos aufbauen mögen, an der verzögerungsfreien, kräftigen Beschleunigung aus dem Stand. Dass Reichweitenangst und Probleme an der öffentlichen Ladestation die Freude an der sauberen Stromfahrt zumindest anfänglich trübten, ist heute nur noch ein Randthema.

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Besonders Nutzer, die den Akku ihres Autos tagsüber am Arbeitsplatz und nachts zu Hause schonend mit Wechselstrom aufladen können, äussern sich in der Regel begeistert über die Elektroantriebstechnik. Nun ist das E-Auto aber mindestens einmal pro Jahr auch Begleiter der Familie auf der Ferienfahrt. Und da diese oft über mehrere hundert Kilometer führt, möchte man gerne auf vom Fahrzeug vorgegebene Pausen an der Ladesäule verzichten. Bis nach Paris oder gar nach Rom mit nur einer Batteriefüllung auszukommen, ist tatsächlich verlockend – und wird auch von immer mehr Fahrzeuganbietern ermöglicht.
Tausend Kilometer Reichweite schafft ein Elektroauto mit rund achthundert Kilogramm Akku. Die Verbrennerversion benötigt für diese Distanz rund sechzig Kilogramm Benzin, achtzig Litern entsprechend, oder fünfzig Kilogramm Diesel, was sechzig Litern entspricht. Zugegeben, der Vergleich mit dem Gewicht des Motors ist hier nicht berücksichtigt. Trotzdem: In Sachen Energiespeicherung ist das Elektroauto auch ein Transportfahrzeug. Schnell taucht also die Frage auf: Weshalb soll eine Batterieladung für tausend Kilometer reichen, wenn dies doch in den meisten Fällen nur selten gebraucht wird?
Grössere Reichweiten für das E-Auto bedeuten im Wesentlichen noch immer mehr Batteriegewicht. Zusätzliche Energiekapazität entsteht durch Vermehrung der Zellen. Zwar sorgt die kontinuierliche Weiterentwicklung der Zellchemie für eine Optimierung der Energiedichte, doch sind diese Fortschritte im Lithium-Ionen-Akku bisher bescheiden geblieben und weit entfernt von den notwendigen Grössenordnungssprüngen.

Jedes Gramm weniger zählt

Das Batteriepaket mit einem Gewicht von oft rund sechshundert Kilogramm belastet die Elektrofahrt also nach wie vor signifikant. Zwar sorgt diese Zusatzlast für den vom Hersteller immer wieder betonten niedrigen Fahrzeugschwerpunkt, der für perfekte Fahrstabilität sorgen soll, doch kommt es auch einer markanten Zuladung gleich, wirkt sich also auf die Agilität und den Energieverbrauch des Fahrzeugs negativ aus. Zudem passt ein grosser Stromverbrauch grundsätzlich nicht zum Elektroantriebscredo.

Man weiss, dass die Schweizer Kundschaft beim Autokauf gerne die antriebsstärkste Version einer Modellreihe wählt, bevorzugt auch im Verbund mit der reichsten Ausstattung. Im Falle eines Elektroautos geht das oft einher mit einer grossen Reichweite. Das wird in den Verkaufsabteilungen der Importeure zwar gerne gesehen, doch ist es aus wirtschaftlicher und technischer Sicht purer Luxus.
Weshalb also gibt der Fahrzeughersteller dem Auto nicht ein Batteriepaket für lediglich 300 Kilometer Reichweite mit, was auch im Winter noch 150 bis 200 Kilometer sicherstellen würde? Die Energiedichte einer Lithium-Ionen-Batterie nach heutigem Technikstand beträgt etwa 150 Wattstunden pro Kilogramm. Um in einem Mittelklasseauto 300 Kilometer Reichweite zu gewährleisten, muss die Batteriekapazität bei etwa 50 Kilowattstunden liegen, was etwa 350 Kilogramm Batteriegewicht bedeutet. So liessen sich die Herstellungskosten des Autos senken, und die Komforteinbusse für den Fahrzeugnutzer bliebe in den meisten Fällen gering, beschränken sich die meisten Autofahrten im Alltagsbetrieb doch auf weniger als 50 Kilometer pro Tag. Dieser Verbrauch lässt sich bequem und schonend über Nacht an der Wallbox wieder nachladen. Und selbst wer täglich weitere Strecken zurücklegt, ist beim aktuellen Ausbaustand der Schnellladestationen bereits kaum noch in Verlegenheit zu bringen. Zudem sind für eine Fahrt von achthundert Kilometern auf der Autobahn etwa acht Stunden Fahrzeit einzuberechnen, und dabei ist für die Reisenden auch eine Erholungspause notwendig.

Wählbare Reichweite

In vielen neuen Elektroautos bietet der Hersteller unterschiedliche Batteriepakete an. So lässt sich die Energiereserve an die Einsatzbedingungen des Autos anpassen. Zudem kann man Modelle mit begrenzter Reichweite und entsprechend kleineren, leichteren und kostengünstigeren Akkus besser im Niedrigpreissegment platzieren – dort, wo das E-Auto heute noch deutlich untervertreten ist.

So scheint denn die angestrengte Jagd der Hersteller nach Reichweiterekorden mehr von akademischer Bedeutung als von praktischem Nutzen zu sein, und natürlich ist diese Disziplin in hohem Grad förderlich für das Markenimage. Sicherlich aber ist – das muss auch gesagt sein – der Reichweitenwettbewerb dem technischen Fortschritt zuträglich, besonders dann, wenn nicht allein die Batterieperformance zählt, sondern wenn auch einschlägige fahrzeugseitige Faktoren wie Antriebstechnik, Rekuperationsfähigkeit, Aerodynamik oder Rollwiderstand eingebunden werden.