Die indirekte Beschaffung umfasst alle Güter und Dienstleistungen, die ein Unternehmen nicht direkt in sein Endprodukt oder in seine Kernleistung einbaut, die aber den Betrieb ermöglichen. Typische Kategorien sind Reisen und Mobilität, Facility-Services, IT, Werkzeuge sowie Büromaterialien. Das Problem: Die indirekte Beschaffung bindet in europäischen Unternehmen weiterhin erhebliche Ressourcen. Das zeigt die Studie «Indirekten Einkauf steuern: Erfolgsfaktoren für Performance und Kostenkontrolle», die von der B2B-Beschaffungsplattform Unite gemeinsam mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig durchgeführt wurde. Befragt wurden 181 Fach- und Führungskräfte aus unterschiedlichen Branchen und Unternehmensgrössen, mehr als die Hälfte davon aus dem DACH-Raum.
Grosser Aufwand durch ineffiziente Prozesse
Die Ergebnisse verdeutlichen: Der Grad der Digitalisierung in der indirekten Beschaffung ist vielerorts unzureichend. Besonders KMU sowie Firmen mit bis zu tausend Mitarbeitenden setzen in zentralen Prozessschritten wie Bedarfsermittlung, Lieferantenauswahl, Vertragsmanagement und dem Purchase-to-Pay-Prozess (P2P) noch immer auf manuelle Abläufe. So benötigen sie beispielsweise im Schnitt 54 Minuten für eine Bestellung im P2P-Prozess – deutlich mehr als der Durchschnittswert von 38 Minuten. Ineffiziente Beschaffungsprozesse binden über alle Unternehmensgrössen hinweg erhebliche Ressourcen – in der Summe geht Unternehmen dadurch jährlich Arbeitszeit im Umfang von mehreren Tausend Stunden verloren.
Auffällig ist, dass nur 9 Prozent der KMU und Firmen mit bis zu tausend Mitarbeitenden vollständig digitale und integrierte Beschaffungsprozesse etabliert haben. Über 55 Prozent greifen bei komplexeren Aufgaben weiterhin auf Tools wie Excel und Co. zurück. Grössere Unternehmen sind in der Digitalisierung weiter, doch auch hier besteht Nachholbedarf.
Insgesamt nutzen die befragten Organisationen ein breites Spektrum an Bestellmethoden, von elektronischen Marktplätzen bis hin zu Freitexteingaben. Bestellungen über digitale Marktplätze machen zwar erst rund 15 Prozent der indirekten Beschaffung aus, sind aber wesentlich effizienter: Sie benötigen nur etwa 70 Prozent der Zeit, die zum Beispiel bei Freitextbestellungen anfällt.
Digitalisierung als Schlüssel für Effizienz und Nachhaltigkeit
Deutlich wird auch: Der digitale Reifegrad ist eng mit der Umsetzung von ESG-Kriterien verknüpft. Regulatorische Anforderungen erhöhen den Dokumentationsaufwand und machen strukturierte, digitale Prozesse notwendig. Im Allgemeinen steigert die Integration von ESG-Kriterien den Arbeitsaufwand im Durchschnitt um 20 Prozent. Und so macht Digitalisierung vor allem im Bereich Nachhaltigkeit Fortschritte: Über 75 Prozent der Unternehmen setzen bereits Nachhaltigkeitstools ein oder planen deren Einführung. Auch beim Risikomanagement und bei Procurement-as-a-Service-Angeboten (PraaS) zeigt sich eine hohe Bereitschaft, neue Technologien und Services zu nutzen. Ersteres wird bei circa 72 Prozent genutzt oder in Betracht gezogen, PraaS bei knapp 55 Prozent der befragten Unternehmen. PraaS kombiniert externe Dienstleistungen mit unterstützender Technologie, um Beschaffungskapazitäten flexibel zu skalieren. Im Bereich der künstlichen Intelligenz ist der Einsatz mit knapp 12 Prozent zwar noch gering, das Interesse an einer Einführung liegt jedoch bei 30 Prozent.
Wege zur Optimierung der indirekten Beschaffung
Um die Produktivität zu steigern und Kosten zu senken, bieten sich digitale Tools zur Datenanalyse, PraaS-Modelle sowie regelkonforme Selbstbedienungslösungen über elektronische Marktplätze an. Solche Massnahmen entlasten die Einkaufsabteilungen und schaffen Freiräume für einen stärkeren Fokus auf strategische Aufgaben.
Trotz ihrer oft unterschätzten Bedeutung birgt die indirekte Beschaffung erhebliches Potenzial zur Effizienzsteigerung im Unternehmen. Durch den gezielten Einsatz digitaler Lösungen lassen sich nicht nur Zeit und Kosten einsparen, sondern auch regulatorische und nachhaltige Anforderungen effektiver erfüllen. Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels und des steigenden Kostendrucks ist die Digitalisierung der indirekten Beschaffung keine Kür, sondern eine notwendige Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen.