Die globalen Verwerfungen der letzten Jahre haben eindrücklich gezeigt: Lieferketten sind verwundbar. Pandemie, geopolitische Spannungen und neue Handelsbarrieren stellen Unternehmen vor die Frage, wie sie ihre Versorgung kurzfristig flexibler und langfristig widerstandsfähiger gestalten können. Ein zentraler Hebel dabei ist die Reduktion von Abhängigkeiten gegenüber Lieferanten – insbesondere solchen mit proprietären Lösungen.

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Gastautoren

Robin Drost, Mitglied der Geschäftsleitung und Partner; Michael Weber, Director, beide bei Helbling Business Advisors.

Was früher als effizient galt – die Integration vorgefertigter «Building-Blocks» in den Produktionsprozess –, entpuppt sich heute als Risikofaktor. Technologisch exklusive Baugruppen schaffen Bindungen, die weit über die Erstauslieferung hinausreichen: Geistiges Eigentum verbleibt beim Lieferanten, Schnittstellen sind geschlossen, Ersatzteile und Serviceleistungen sind nicht frei verfügbar, die Preise steigen tendenziell. Damit entstehen technologische und wirtschaftliche Abhängigkeiten, die den Handlungsspielraum des Managements massiv einschränken.

Die strategische Dimension

Lieferanten proprietärer Systeme sichern sich Einfluss nicht nur bei der Erstentwicklung, sondern auch bei der Produktpflege, bei Upgrades und der nächsten Generation. In Branchen mit hohen Sicherheits- und Qualitätsanforderungen – etwa Rüstung, Medizintechnik, Maschinen- oder Automatisierungstechnik – kann dies zu einem kritischen Risiko werden. In Zeiten politischer Unsicherheiten und wachsenden Kostendrucks rückt die Frage nach technologischer Unabhängigkeit ins Zentrum der Unternehmensstrategie.

Die klassische Leitfrage «Wie können wir Kosten senken?» reicht nicht mehr aus. Heute lautet sie: «Wie sichern wir unsere technologische Souveränität?» Da interne Interessen oft divergieren, suchen Unternehmen zunehmend die neutrale Betrachtung einer externen Beratung, um ihre Lieferantenstrategie objektiv neu auszurichten. Gefordert ist nicht nur operative Optimierung, sondern eine tiefgreifende Transformation.
Ein erster Schritt liegt in der Spezifikation: Komponenten und Systeme sollten bewusst ohne proprietäre Elemente definiert werden. Offene Schnittstellen ermöglichen die Berücksichtigung alternativer Anbieter und verhindern Lock-in-Effekte. Gleichzeitig lassen sich damit sicherheitskritische Risiken ausschliessen, etwa durch die Vorgabe, bestimmte Chips beziehungsweise Prozessoren nicht zuzulassen.

Systematische Evaluierung und Make-or-Buy

Auf Basis solcher Spezifikationen erfolgt die strukturierte Lieferantenauswahl – idealerweise anonymisiert, um Marktreaktionen zu vermeiden. Neben klassischen Kostenkriterien zählen heute vor allem Modularität, Schnittstellenoffenheit, langfristige Verfügbarkeit und Integrationsfähigkeit. Ergänzend müssen Make-or-Buy-Entscheidungen neu gedacht werden: Welche Komponenten lassen sich künftig intern entwickeln oder gemeinsam mit strategischen Partnern realisieren? Ein Lieferantenwechsel ist dabei kein Selbstzweck, sondern ein Baustein zur Stärkung der Innovations- und Reaktionsfähigkeit.

Auf die Beschaffung spezialisierte Beratungsunternehmen begleiten Unternehmen bei dieser Neuausrichtung – von der Analyse bestehender Abhängigkeiten über die Gestaltung offener Spezifikationen bis zur Auswahl und Etablierung alternativer Lieferanten. Die Kombination aus strategischer Beratung und tiefgreifendem Engineering-Know-how ermöglicht Lösungen, die technisch tragfähig, wirtschaftlich nachhaltig und zukunftssicher (möglichst ohne IP-Beschränkungen) sind.

Fazit: Resilienz als Managementaufgabe

Die Reduktion der Lieferantenabhängigkeit ist keine operative Fragestellung in der Beschaffung, sondern eine strategische Managementaufgabe. Kurzfristig entscheidet die Lieferantenwahl über Flexibilität, mittelfristig prägt die Produktentwicklung die Souveränität von morgen. Unternehmen, die diesen Weg konsequent gehen, sichern sich nicht nur Resilienz und Innovationskraft, sondern auch eine stärkere Wettbewerbsposition – in einer Welt, die heute immer mehr von Unsicherheit und Wandel bestimmt ist.