Schnell die Master-Thesis schreiben, und ab ins Wochenende – das ist die Verlockung von Chat GPT und Co. Doch so einfach ist es nicht: So sollen sich die Studierenden zwar mit den Entwicklungen bei der künstlichen Intelligenz (KI) beschäftigen – aber wichtiger wird es zukünftig sein, die Grenzen zu kennen. Denn mit wenigen Klicks zum Bachelor, Master oder Doktor ist nicht die Zukunft. Daher diskutieren die Schweizer Hochschulen derzeit, wie Prüfungsformate im Kontext der zunehmenden Nutzung von KI sinnvoll weiterentwickelt werden können, damit Leistung weiterhin menschlich bleibt.

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Eigenleistung im Fokus

«Unsere Studierenden agieren heute wie Co-Piloten: Sie nutzen KI-Tools breit und zunehmend versiert für Recherche, Datenanalyse oder die Strukturierung komplexer Projekte», sagt Armando Schär, Prorektor der Fachhochschule Graubünden (FHGR). «Wir fördern dies gezielt als zentrale Zukunftskompetenz, denn die Fähigkeit, Technologie souverän zu steuern, ist für die Wirtschaft entscheidend.» Auf der anderen Seite aber braucht es auch weiterhin Eigenleistung, und die muss nachweisbar belegt sein. An der FHGR setzt man bei der Überprüfung auf drei Elemente: auf eine fundierte inhaltliche Betreuung, eine standardisierte Beurteilung nach klaren Rastern und – immer wichtiger – auf die mündliche Verteidigung. In der mündlichen Verteidigung zeigt sich laut Schär die tatsächliche Eigenleistung: Kann ein Studierender seine Arbeit überzeugend vertreten, methodische Entscheidungen begründen und kritische Rückfragen parieren?

Zum Stellenwert schriftlicher Arbeiten läuft dennoch eine intensive Debatte; es geht um die zukünftige Rolle dieser Arbeitsnachweise. «Wir sind heute der Meinung, dass die klassische schriftliche Arbeit nicht verschwinden wird, aber ihre Rolle wird sich fundamental wandeln», glaubt Schär. «Sie entwickelt sich vom in sich geschlossenen Einzelwerk hin zum sauber dokumentierten Ergebnis eines innovativen Forschungs- und damit auch Entwicklungsprozesses.» Die eigentliche Leistung liegt immer weniger im perfekten Ausformulieren, sondern in der kritischen Analyse, der kreativen Problemlösung und der intelligenten Nutzung von Technologie. «Wir bilden damit eine neue Generation von Fachund Führungskräften aus: agil, technologieoffen und fokussiert auf Resultate. Das ist die beste Vorbereitung auf einen Arbeitsmarkt, der genau diese Kompetenzen verlangt», sagt Schär.

Technik bleibt ein Werkzeug

Auch an der Ostschweizer Fachhochschule (OST) darf KI zum Einsatz kommen, unter dem Aspekt klarer Regeln. Dazu Birgit Vosseler, Leiterin Kommission Lehre und Mitglied der Hochschulleitung: «Studierende und Weiterbildungsteilnehmende werden befähigt, mit KI umzugehen und diese zielgerichtet und verantwortungsvoll zu nutzen.» In einer entsprechenden Leitlinie sind die Spielregeln für einen fairen Einsatz festgehalten. Transparenz ist hier entscheidend. «Jede KI-Nutzung muss im Rahmen von Arbeiten offengelegt werden», so Vosseler. Studierende und Weiterbildungsteilnehmende müssen beschreiben, welches Tool sie in welchem Umfang und für welche Zwecke genutzt haben. Im Grunde hat sich daher an der bereits seit Jahrzehnten bestehenden Pflicht der Quellenangabe wenig verändert. Dazu ist auch an der OST je nach Studiengang die Verteidigung der Arbeit in Form eines Prüfungsgesprächs oder einer Disputation vorgesehen. Der ultimative Stresstest. «In dieser Situation zeigt sich erfahrungsgemäss nochmals, wie viel Eigenleistung in einer Arbeit steckt», so Vosseler.

Und auch das Vorgehen der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) macht deutlich, dass man sich der aktiven KI-Nutzung nicht widersetzt, aber ein entsprechendes Regelwerk erarbeitet hat. «In einer praxis- und arbeitsweltbezogenen Ausbildung, wie sie die FHNW vermittelt, wird der Einsatz von KI im jeweiligen Kontext ermöglicht und vor allem kritisch reflektiert, etwa bei der Nutzung von frei zugänglichen Textgeneratoren wie Chat GPT», erklärt Dominik Lehmann, Leiter Kommunikation FHNW. «So richtet sich die Lehre an den Kompetenzen aus, die unsere Absolventen für den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft der Zukunft vorbereiten sollen – und dazu gehört auch der reflektierte und verantwortungsvolle Umgang mit KI.» Zur Sicherstellung der wissenschaftlichen Redlichkeit hat die FHNW eine Lizenz für ein etabliertes Plagiatsprüfungstool (Turnitin).

Doch auch hier ist die mündliche Verteidigung der Arbeit eine Möglichkeit, eine andere sind abgesicherte Prüfungsformate vor Ort – unter Aufsicht und mit eingeschränktem Zugang zu digitalen Hilfsmitteln. «Die gelegentlich geäusserte Annahme, schriftliche Arbeiten würden künftig an Bedeutung verlieren, greift aber zu kurz», sagt Lehmann und sieht daher weniger eine Diskussion. «Zwar wandeln sich Prüfungsformate und Anforderungen im Zuge der digitalen Transformation, doch bleibt die Fähigkeit, Gedanken klar, strukturiert und reflektiert schriftlich zu formulieren, ein wichtiger Bestandteil wissenschaftlicher und beruflicher Qualifikation.