Die Digitalisierung bringt viele Vorteile. Doch sie ist gleichzeitig verantwortlich dafür, dass echte, zwischenmenschliche und vor allem persönliche Kontakte immer mehr an Relevanz verlieren. Und nicht nur das: Auch einige geistige Fähigkeiten gehen den Menschen zunehmend verloren. Mit nachhaltigen Auswirkungen auf den beruflichen Alltag. Neben einer verkürzten Aufmerksamkeitsspanne – Studien beziffern sie auf gerade mal noch acht Sekunden – zeigt sich zudem, dass immer mehr Menschen Probleme mit logischem und lösungsorientiertem Denken sowie mit dem Verarbeiten von Informationen haben. Die hemdsärmelige Denkweise, das praktische Herangehen und der Pragmatismus schwinden mit den Babyboomern. Denn in den kommenden Jahren werden auch die Letzten dieser Generation ihre Pension antreten. Das führt zu einer signifikanten Abnahme von wichtigem Knowhow in Unternehmen. Und aufhalten lässt sich diese Entwicklung nicht.

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Das Wissen der nachwachsenden Generationen ist elementar für die Wirtschaft. Daher stellt sich die Frage, wie man Platz für neues Wissen schaffen und dieses mit bestehenden Erfahrungen verknüpfen kann. Eine Antwort darauf ist: Angehende Arbeitnehmende können bereits in der Ausbildungszeit durch Kooperationen mit Unternehmen von Erfahrungen langjähriger Arbeitnehmender profitieren. Wie sich dies umsetzen lässt, zeigt das Lernformat Bydo, das von der Hochschule Luzern (HSLU) und Wirtschaftspartnern entwickelt wurde. Es ist bewusst als hochschulübergreifende, interdisziplinäre und praxisintegrierte Initiative angelegt und zielt darauf ab, Studierende durch enge Zusammenarbeit mit Industriepartnern auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Dabei erhalten die Studierenden die Möglichkeit, ihre erlernten theoretischen Fähigkeiten direkt anzuwenden und wertvolle Praxiserfahrungen zu sammeln. «Die Kooperation fördert nicht nur die berufliche Entwicklung der Studierenden, sondern auch die Verbindung zwischen akademischer Ausbildung und industrieller Anwendung», sagt Andreas Brandenberg, Gründer von Bydo und Leiter des Studiengangs Applied Information & Data Science an der HSLU. «Ich denke, alle Seiten haben gewisse Vorbehalte. Denn wir haben ein Missverhältnis der Erwartungen: Wir haben Unternehmen, die nicht wissen, wie sie mit Studenten arbeiten oder wie sie sie einbinden sollen. Wir haben Studenten, die nicht verstehen, was von ihnen in Bezug auf Leistung und Qualität verlangt wird, und wir haben ganze Branchen, die das Potenzial dieser Studenten nicht erkennen.»

Wissensaustausch als Chance

Ein weiteres Beispiel aus der Schweiz ist das Programm der EPFL (École Polytechnique Fédérale de Lausanne), das ebenfalls auf interdisziplinäre Projekte und enge Zusammenarbeit mit der Industrie setzt. Darüber hinaus engagiert sich die Universität St. Gallen in Kooperationen mit diversen Unternehmen, um Studierenden im Rahmen von Praxisprojekten und gemeinsamen Forschungsarbeiten wertvolle Erfahrungen und Kenntnisse zu vermitteln. Und es zeigt sich, dass durch solche Partnerschaften die Innovationsfähigkeit und das praktische Know-how der Studierenden nachhaltig gestärkt werden. «Wenn wir uns die aktuellen Jobtitel, die Inhalte dieser Jobs und die benötigten Profile ansehen, erkennen wir, dass die meisten dieser Jobs vor drei Jahren noch nicht existierten», ergänzt Andreas Brandenberg seine Ausführungen. «Universitäten hingegen haben oft das Privileg, zwei bis drei Jahre Zeit zu haben, um einen neuen Kurs zu entwickeln. Kurz gesagt, die Planer an Universitäten wissen oft wenig darüber, wohin ihre Programme und Kurse führen sollen und welche Fähigkeiten sie vermitteln sollten. Es gibt klare Hinweise darauf, dass Praktiker und Pädagogen neue Wege finden müssen, um enger zusammenzuarbeiten.» Parallel geht es auch darum, die Chancen der neuen Technologien und das Wissen darum schon früh in die Unternehmen zu tragen. Dazu der Experte: «Was äusserst wichtig ist in Bezug auf Ermöglichungstechnologien wie Data-Science, maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz (KI), ist, dass sie alle intrinsisch Wert haben, dieser Wert jedoch erst offensichtlich wird, wenn diese Technologien implementiert werden.» Zurzeit fehlt es hier in seinen Augen an Expertise, um alles zusammenzuführen. «Wir können erwarten, dass das Programmieren und Anwenden neuer Werkzeuge, das Arbeiten in Low-Code-Umgebungen und das Nutzen von KI in Zukunft relativ einfach wird. Aber die Implementierung dieser Technologien, um für Unternehmen und Organisationen wertvoll und profitabel zu sein, wird immer ein kreativer Akt bleiben, der Kontext erfordert und nicht in Vorlesungen und Klassenzimmern vermittelt werden kann.» Dazu braucht es eine Produkt- und Prozesslandschaft – also mit anderen Worten: Technisches Lernen erfordert umfangreiche Kontextebenen, die die Universitäten immer weniger bereitstellen können. Die Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Industrie ist daher unerlässlich, um die Brücke zwischen theoretischem Wissen und praktischer Anwendung zu schlagen. Gute Initiativen sind deshalb entscheidend – vor allem jedoch die Offenheit auf beiden Seiten und von allen Generationen.