Ende November 2024 hat Elisabeth Baume-Schneider verkündet, dass in Bezug auf den Fachkräftemangel in der Hausarztmedizin die «Agenda Grundversorgung» gestartet sei und man Ende 2025 entsprechende Pläne für ein künftiges Massnahmenpaket vorlegen werde. Seitdem hätten, so heisst es vonseiten des Bundesamts für Gesundheit (BAG) «zwei Arbeitsgruppen mit Vertreterinnen und Vertretern aus über fünfzig Organisationen intensiv an der Agenda Grundversorgung gearbeitet». Das Ziel, einen entsprechenden Fachbericht mit Massnahmenvorschlägen bis Ende dieses Jahres fertigzustellen, dürfte damit erreicht werden. Dieser wird im Anschluss der Departementsvorsteherin unterbreitet.

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Bislang nur Ankündigungen

Details des Fachberichts werden noch nicht veröffentlicht. Dazu sagt Salome von Greyerz, Leiterin der Abteilung Gesundheitsversorgung und Berufe beim BAG: «Bis zur Verabschiedung des Fachberichts können keine Detailaussagen gemacht werden. Gesagt werden kann jedoch, dass die Massnahmenvorschläge auf die beiden Ziele der Agenda Grundversorgung ausgerichtet sind.» Diese Ziele sind bereits sehr eindeutig definiert. So soll zuerst ein Beitrag zu einem zukunftsfähigen Versorgungssystem sichergestellt werden. «Dazu gehören Massnahmen zur Weiterentwicklung und Implementierung von innovativen Versorgungsmodellen, Massnahmen zur Weiterentwicklung von Berufsprofilen und Massnahmen zur Nutzung von Möglichkeiten der digitalen Transformation», so die BAG-Expertin. «Bei der Erarbeitung werden Erkenntnisse von bereits bestehenden Modellen – zum Beispiel auf regionaler oder kantonaler Ebene – als Good Practices beigezogen.» Und die Agenda Grundversorgung soll zudem – in Ergänzung zu den Massnahmen im Rahmen der Umsetzung der Pflegeinitiative – zur Reduktion des Fachkräftemangels bei der Ärzteschaft und weiteren für die Grundversorgung relevanten Berufen beitragen. «Hier setzen wir auf Massnahmen, welche die Berufsverweildauer durch adäquate Arbeitsbedingungen steigern und den Nachwuchs an (ärztlichen) Fachpersonen der Grundversorgung fördern», ergänzt Salome von Greyerz.

Es besteht akuter Handlungsbedarf, das ist offensichtlich. Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) wird die Anzahl der Menschen über 65 Jahre bis 2030 voraussichtlich um 30 Prozent steigen, und viele von ihnen werden auf Unterstützung angewiesen sein. Gleichzeitig prognostiziert die Finanzstudie der Schweizer Spitäler, dass im Jahr 2030 rund 30 500 Pflegestellen in unserem Land nicht besetzt sein werden. Diese alarmierende Diskrepanz zwischen steigendem Pflegebedarf und mangelnder Anzahl von Pflegekräften unterstreicht die Dringlichkeit von politischen und gesellschaftlichen Massnahmen. Allerdings zeigt sich, dass trotz dieser klaren Warnsignale bisher zu wenig Konkretes in die Wege geleitet wurde. Es braucht proaktive Ansätze, greifbare Lösungen und keine Versprechungen.

Dringlichkeit ist offensichtlich

Das weiss auch der Bund. Daher werden derzeit bereits verschiedene Massnahmen umgesetzt. «Das neue Bundesgesetz über die Arbeitsbedingungen in der Pflege (BGAP) soll die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern», erklärt Salome von Greyerz. «So soll die Zahl der Berufsausstiege gemindert werden.» Parallel sollen mit der Revision des GesBG die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten im Bereich der Pflege verbessert werden. «Sogenannte Advanced Practice Nurses, kurz APN, sind hoch qualifizierte Fachleute», sagt die Abteilungsleiterin. «Sie können in der Grundversorgung wichtige Aufgaben übernehmen und damit die Pflegeteams, aber auch die Ärztinnen und Ärzte entlasten.» Beide Gesetzesentwürfe werden zurzeit im Parlament beraten. Ebenso unterstützt der Bund Projekte in der Berufsausübung und Bildung, die die Effizienz in der medizinischen Grundversorgung und insbesondere die Interprofessionalität fördern. Dazu Salome von Greyerz: «Gefördert werden Projekte, die einen Beitrag leisten, um die Grundversorgung von Langzeitpatienten zu optimieren und effizient auszurichten.» Ausserdem sind am 1. Juli 2024 die gesetzlichen Grundlagen für die Ausbildungsoffensive in Kraft getreten. Auch sie wird im Rahmen der Pflegeinitiative umgesetzt. «Die Ausbildungsoffensive verpflichtet die Kantone, die Ausbildung der Pflegepersonen auf Tertiärstufe zu fördern, um die Zahl der Bildungsabschlüsse in der Pflege zu erhöhen», sagt von Greyerz. «Der Bund beteiligt sich mit bis zu 50 Prozent an den kantonalen Aufwendungen. Insgesamt soll die Ausbildung im Bereich der Pflege durch Bund und Kantone während acht Jahren mit knapp 1 Milliarde Franken gefördert werden.»

Aus Theorie muss Praxis werden

Im Rahmen der Umsetzung der Motionen Roduit 23.3293 und Hurni 23.3854 sind das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) sowie das BAG zudem daran, Massnahmen zur Stärkung der medizinischen Grundversorgung in Bezug auf die Zulassung, die Aus- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten sowie die interprofessionelle Zusammenarbeit zu definieren. Die Arbeiten werden mit einer breit abgestützten Akteursgruppe und unter Einbezug von bereits laufenden Massnahmen umgesetzt. All das klingt nach sehr viel Einsatz, ist aber bislang oftmals nur Theorie. Es bleibt abzuwarten, wie effektiv diese Massnahmen umgesetzt werden und ob sie tatsächlich die dringend benötigte Entlastung bringen. Wichtig ist jedoch, dass man offen ist. «Damit die Schweizer Bevölkerung weiterhin von einer guten Gesundheitsversorgung profitieren kann, sind innovative Lösungen gefragt», sagt BAG-Expertin von Greyerz abschliessend. «Dabei gilt es, aktuelle Entwicklungen wie die digitale Transformation, die Verschiebung vom stationären in den ambulanten Bereich sowie innovative Modelle der koordinierten und interprofessionellen Versorgung mitzuberücksichtigen.» Allerdings braucht es eben endlich konkrete, wirksame Schritte. Die Politik muss nun zeigen, dass sie bereit ist, die notwendigen Investitionen und strukturellen Änderungen vorzunehmen. Ohne dies wird die Gesundheitsversorgung weiter in eine Krise geraten, und das Vertrauen der Bevölkerung in die Reformen könnte schwer erschüttert werden. Die Zeit des Redens ist vorbei; es sind Taten gefragt. Der angekündigte Fachbericht kann hier vielleicht endlich etwas bewegen, er wird daher gespannt erwartet.