Die Corona-Krise hat die Schweizer Wirtschaft hart getroffen. Was unternimmt SAP, um die gebeutelten Unternehmen in der Schweiz in dieser Ausnahmesituation zu unterstützen?

Michael Locher-Tjoa: Es gehört seit je zu unserer Firmenkultur, dass wir unsere Kunden nicht alleinlassen, erst recht nicht in einer Krise wie dieser. Wir stehen ihnen zur Seite und sitzen als Partner am Tisch. 

Das sind schöne Worte. Was bedeutet das konkret?

Aktuelles Beispiel ist die digitalisierte Verarbeitung der Kurzarbeitsabrechnungen in den Kantonen Zürich und Aargau. Beim Kanton Zürich schnellte mit dem Lockdown Mitte März die Zahl der Voranmeldungen von Kurzarbeit über Nacht auf 30 000 Gesuche hoch, beim Kanton Aargau waren es plötzlich 10 000 Gesuche. Dieses Volumen liess sich mit dem bestehenden, vollständig manuellen Prozess nicht mehr bewältigen. Wir sind mit den zuständigen Ämtern zusammengesessen und haben auf der Basis unserer Technologie für intelligente robotergesteuerte Prozessautomatisierung innerhalb von zwei Wochen eine lauffähige Lösung entwickelt. 

Mit anderen Worten: SAP hat dem Kanton Zürich eine Lösung verkauft.

Wir haben gemeinsam Lösungen entwickelt, die dafür sorgen, dass die Kurzarbeitsentschädigungen schnell bei den Antragstellern ankommen. Das ist ja auch der Zweck der Covid-19-Entschädigungen an Unternehmen. Die durchgängige Automatisierung des Antragsprozesses inklusive Qualitätsprüfung reduziert den Personalaufwand für die Verarbeitung von Kurzarbeitsgesuchen um bis zu 85 Prozent. Mit 30 Sekunden pro Antrag wird die Verarbeitungsgeschwindigkeit um den Faktor 50 gesteigert. Und das bei tiefen Kosten. 

Und wie hoch sind die Kosten?

Die Investitionen in die digitale Lösung amortisierten sich in weniger als einem Monat. Da geht es nicht ums Geschäft, sondern darum, im Dienst aller ein akutes Problem zu lösen. SAP hat den Nachweis erbracht, dass wir mit unseren Plattformen und Tools innert kürzester Zeit innovative Lösungen für aktuelle Herausforderungen auf die Beine stellen können. 

Andere Branchen und Firmen haben Unternehmen Kosten erlassen. Und SAP?

Bei SAP haben wir ein Bündel an Massnahmen geschnürt, das den Unternehmen direkt hilft. Unter anderem haben wir den Zugang zu SAP Ariba Discovery, dem weltweit grössten B2B-Marktplatz, geöffnet. Dadurch kann jeder Käufer seinen unmittelbaren Einkaufsbedarf posten und jeder Lieferant darauf reagieren, wenn er die gewünschte Ware liefern kann. Das bedeutet: kostenlos posten, antworten, offen für alle. Das ist nur ein Beispiel; wir haben noch zahlreiche andere Angebote. 

Sie stehen im Austausch mit vielen Schweizer Unternehmen. Wo drückt der Schuh am meisten?

Das ist je nach Branche sehr unterschiedlich. Der Detailhandel steht vor sehr grossen Herausforderungen bei der Supply Chain. Sie stehen vor der Schwierigkeit, die Produkte in den Mengen im Laden zu haben, die nachgefragt werden. Sie müssen einerseits vermeiden, dass die Regale im Laden leer sind, und anderseits die Beschaffung flexibel dem Bedarf anpassen. So betroffene Unternehmen schauen sich ihre Lieferketten genau an und suchen nach Optimierungspotenzialen. Bei anderen Kunden funktionierte in der Lockdown-Phase das Geschäftsmodell nicht oder kaum mehr. Denken Sie zum Beispiel an die Dutyfree-Zonen. Bei solchen Unternehmen stehen Effizienzsteigerung, Optimierungen des Geschäftsmodells und innovative Ansätze in der Finanzanalytik im Vordergrund. 

Der Vermittler

Michael Locher-Tjoa (1971) leitet seit dem 1. Juli 2018 die SAP (Schweiz) AG als Managing Director. Er stellt sein Können seit 2013 in den Dienst von SAP: zuerst in Deutschland in verschiedenen Funktionen, ab Oktober 2017 als COO bei SAP Schweiz. Zuvor bekleidete er verschiedene Führungspositionen bei IBM Deutschland. Locher absolvierte das Studium der Verfahrenstechnik an der Fachhochschule Frankfurt am Main, bevor er Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Pforzheim studierte. Locher-Tjoa ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er lebt mit seiner Familie in Zürich.

Michael Locher-Tjoa
Quelle: ZVG
Sehen Sie Unterschiede zwischen grossen Organisationen und KMU?

KMU sind meistens deutlich agiler als Grossunternehmen. Grosse haben eine völlig andere Finanzdecke. Aber auch bei den KMU muss man unterscheiden. Es gibt solche, die maximal profitieren von der Corona-Krise, weil sie immer lieferfähig sind und weil sie meistens auch überproduzieren können, ohne dass die Kosten übermässig steigen. Anderseits gibt es KMU, die sich aufgrund der dünnen Finanzdecke ums Überleben kümmern. 

Ein Thema, das in jüngerer Zeit wieder an Beachtung gewinnt, ist die Nachhaltigkeit. Da hört man wenig von SAP. Warum?

Da muss ich Sie korrigieren. Unser CEO, Christian Klein, hat bereits im Januar am WEF in Davos die Nachhaltigkeit als zentrales Element der SAP-Strategie definiert und das Programm Climate 21 angekündigt. An unserem Kundengrossanlass Sapphire Now, der letzte Woche virtuell stattfand, hat SAP mit der Anwendung SAP Product Carbon Footprint Analytics die erste Lösung aus diesem Programm vorgestellt. Sie ermöglicht Kunden, ihren CO₂-Ausstoss auf Produkt-und Betriebsebene entlang der Wertschöpfungskette besser zu verstehen, zu analysieren und ihre Treibhausgasemissionen zu senken. 

SAP ist bei Grossunternehmen etabliert. Was bietet SAP den KMU?

Seit etwa zwei Jahren wächst das KMU-Kundensegment bei uns in der Schweiz schnell. Kunden beziehen unsere Standardlösungen mehrheitlich aus der Cloud. Die Cloud hat die Situation verändert und verschafft den KMU Zugang zu Lösungen, die aufgrund der Kostenstruktur früher Grossunternehmen vorbehalten waren. Heute können wir kleineren Unternehmen in kürzester Zeit ein vollwertiges ERP-System direkt aus der Cloud zu Verfügung stellen. Und das schnell, agil und mit kurzen Projektlaufzeiten. Auch Spartenapplikationen können sie bei uns aus der Cloud beziehen. 

Können Sie KMU-Kunden nennen?

Die familiengeführte Luzerner Firma Petzeba, die seit 15 Jahren erfolgreich Tierfutter in der Schweiz vertreibt. Oder die Papeterie Zumstein, der grösste Zürcher Fachmarkt für Büro-und Kunstmalbedarf. Der Aargauer Pflanzenextrakthersteller Botanica, die in Graubünden domizilierte Integra Biosciences und die Thurgauer Stedy Gwürz sind weitere Beispiele. 

KMU-Portal «Gemeinsam vorwärts», so lautet die jüngste Initiative von SAP für den KMU-Sektor. Im Fokus stehen die Schweizer KMU, die ihre Innovationsfähigkeit mit neusten Technologien stärken und damit einen wichtigen Schritt in Richtung digitale Zukunft gehen. sap.ch/kmu