Mit der Eingabe «… auf dem Weg zur Super-App» ist eine Nachrichtensuche zu diesem Thema sehr ergiebig: Neben den grossen Tech-Giganten kommen auch soziale Netzwerke und Twitter vor, die Neobanken wie Revolut sind dabei und dazwischen auch kecke Startups. Bemerkenswerterweise gibt es in der Schweiz einige grosse Unternehmen, die das Zeug hätten, zur Ausgangsbasis einer Super-App zu werden. Aber gerade bei ihnen erfolgt die Entwicklung oft (zu) langsam.

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Vorbild sind die grossen asiatischen Super-Apps, die es geschafft haben, alles zu integrieren und damit zur ersten und oft einzigen Anlaufstelle für alle digitalen Angebote aufzusteigen: Wechat aus China, Kakao in Südkorea und Grab in Südostasien gelten als die grossen Vorbilder.

 

Nicht alle, die es behaupten, sind es

«Am Ende ist es auch immer Definitionsfrage, ab wann eine App als Super-App gilt», sagt Alexandra Scherrer, CEO des Beratungsunternehmens Carpathia. «Es stellt sich die Frage, ob es jemals eine solche Super-App im Stil von Wechat in Europa geben kann, zumal hier die Anbieterlandschaft, was Payment, Social Media und Shopping angeht, weit fragmentierter ist und sicher auch mehr Bedenken seitens der User betreffend Datenschutz bestehen.» Sie beobachtet, dass einige Plattformen versuchen, mit zusätzlichen Services noch mehr von ihrer Nutzerbasis «abzuschöpfen», indem sie weitere Funktionen anbieten, wie beispielsweise Social-Media-Plattformen mit neuen E-Commerce-Funktionen.

Das allein reicht indes nicht. Noch einige andere Kriterien müssten zutreffen, um als Super-App zu gelten. Laut Scherrer sind das unterschiedliche integrierte Dienste und Anwendungen, die alle in einer App vereint sind, um Medienbrüche zu vermeiden. Als Vorbild gilt immer wieder das soziale Netzwerk Wechat aus China. Auch deshalb gelten aufstrebende weitere soziale Netzwerke als mögliche zukünftige Super-Apps. So weit ist man in der Schweiz laut Scherrer noch nicht. Twint beispielsweise sagt immer wieder von sich, auf dem Weg zur Super-App zu sein. «In Zukunft wird sie das vielleicht schon noch werden, aber aktuell wird die App täglich häufig für das Bezahlen im stationären Geschäft genutzt», so Scherrer.

Twint mit Twint+ hat auch laut Darius Zumstein, Head of E-Commerce Lab und Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), durchaus das Potenzial für eine Super-App, zumindest im Finanzumfeld. «Die Durchdringung und Popularität von Twint ist riesig, fast jeder Schweizer, jede Schweizerin hat die App installiert und nutzt sie täglich», so der E-Commerce-Experte. «Die SBB-App als die meistgenutzte App der Schweiz kann jetzt schon als Super-App bezeichnet werden. Sie hat im ÖV praktisch ein Monopol, sie ist innovativ und wird weiterentwickelt.» Galaxus wird laut Zumstein die Super-App im Schweizer Online-Handel. «Es wird spannend, zu sehen, ob sie sich gegen die Super-App Amazon behaupten kann, welche weltweit dominiert.»

 

Einzelmarken werden verschwinden

Bei der Entwicklung stehe man in der Schweiz erst am Anfang, so Zumstein. «Wechat ist definitiv die bekannteste Super-App, ansonsten gibt es Stand heute nur wenige Beispiele.» Es bestehe beim Anspruch, eine eigene Super-App zu entwickeln, häufig eine Tendenz zur Selbstüberschätzung und zu übertriebenen Erwartungen. Es werde nur wenige grosse Super-Apps geben, und ihr Aufbau dauere und geschehe nicht über Nacht.

«Eine Super-App braucht äusserst nützliche Inhalte und Funktionalitäten mit hohem Mehrwert, sodass die Nutzerinnen und Nutzer jeden Tag wiederkommen», sagt Zumstein. «Zudem braucht es einen bekannten, starken digitalen Brand und eine starke Nutzerbasis, in der Interaktivität entsteht.» Weiter erforderlich sind innovative und nachhaltige Geschäfts- und Erlösmodelle, welche die hohen Investitionen sowie die Entwicklungs- und Unterhaltskosten einer Super-App decken. Schliesslich sind die Schnittstellen erforderlich, um Lieferanten, Partnerinnen oder Kunden anzubinden. «Und in jedem Fall muss eine Super-App auch skalierbar sein, das heisst, es ist mit wenig Aufwand verbunden, ein neues Land oder einen neuen Markt zu erschliessen», so Zumstein.

 

Viele Brands werden verschwinden

Auch die Migros-App und die Coop-App hätten grosses Potenzial für eine Super-App. «Dazu müssten aber die Online-Fachmärkte dieser Duopole integriert werden», so Zumstein. Auch die Lösung der Scout-Gruppe habe Potenzial zur Super-App, wenn die verschiedenen Verticals integriert werden. Schliesslich haben auch die beiden Plattformen der TX Group, Ricardo.ch und Tutti.ch sowie die grossen Medienhäuser die Möglichkeit, eine Super-App zu entwickeln.

Solchen potenziellen Gewinnerinnen werden auch Verlierer gegenüberstehen, glaubt Zumstein. «Brands werden verschwinden. Super-Apps werden für eine Monokultur sorgen.»