Hiobsbotschaften beim deutschen Express-Lieferdienst Gorillas: Die Firma mit den schnellen, dunkel bekleideten Velofahrern gab Mitte Mai bekannt, fast die Hälfte der Mitarbeitenden in der Firmenzentrale zu entlassen. Man will jetzt die Gewinnerzielung höher gewichten als eine rasche Expansion um jeden Preis. Wenige Tage zuvor hatten die Fahrerinnen und Fahrer der Dienste Just Eat, Deliveroo und Uber Eats im Nordosten Englands für höhere Löhne gestreikt.

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Gerade Uber war – und ist – für die Geldgeber eine Langzeitwette auf die Automatisierung der letzten Meile gewesen: erst dann werde man richtig hohe Gewinne erzielen. Gemäss den langfristigen Berechnungen der Analysten von Morgan Stanley würde die Nutzung von autonomen Fahrzeugen, Drohnen und Lieferrobotern auf der letzten Meile die Margen von Just Eat beispielsweise in drei Jahren von 3 Prozent auf 15 Prozent anheben. Die Zeit bis dahin ist für Just Eat und die weiteren Lieferdienste da, die Kundinnen und Kunden so zu begeistern, dass sie dem Dienst treu bleiben – um die Bewertung des Unternehmens zu sichern.

Abnehmer zu Hause versus nicht da

Startups und etablierte Firmen wittern hier einen Riesenmarkt: Die Lieferdienste, die hier als Erste neue Roboter-Technologien in breitem Umfang einsetzen, könnten die Konkurrenz ausstechen.

In der für Liefertechnologien zuständigen Branche, die eine Kombination von Fahrzeug-, Antriebs-, Steuerungs- und Robotertechnologie verkörpert, arbeitet man mit zwei Konzepten: einerseits der Auslieferung, bei der die Endkundinnen beziehungsweise -kunden zum Zeitpunkt der Lieferung zu Hause sind. Und anderseits für die Fälle, in denen die Kundschaft unterwegs ist. Im ersten Fall muss die Technologie für die Übergabe optimiert sein. Beim zweiten Fall muss eine Art Übergabe- und Docking-Station installiert sein, damit die Ware nicht am Strassenrand liegenbleibt. Der wichtigste Unterschied der beiden Varianten: Bei der persönlichen Übergabe ist die Rate der erfolglosen Lieferversuche viel höher als bei der Auslieferung in einen Übergabeschrank. Vorteil der zweiten Variante: Die Lösungen von Firmen wie Boxbot oder Robomart funktionieren auch bei Lockdowns während Pandemien.

Mutterschiffe und Schnellboote

Solche «Smart Lock»-Technologien müssen auf weitere Elemente der Lieferkette abgestimmt werden. Das gilt nicht nur für die Masse und die Klimatisierung, etwa wenn frische Lebensmittel angeliefert werden. Lieferroboter für die allerletzte Meile haben bei den bisherigen Tests von Firmen wie Starship, Marble oder Kiwibot die Form wandelnder Kühltruhen, grösserer Kinder-Spielvehikel bis hin zu Robotern mit einer Art Laufbeinen, wie sie das US-Unternehmen Agility Robotics entwickelt. Das grosse Plus hier: Mit ihnen lassen sich auch Stufen überwinden, die für Lieferroboter mit Rädern oft ein zu grosses Hindernis darstellen. Um Lieferdrohnen ist es in den letzten zwei Jahren allerdings ruhig geworden.

Man denkt stattdessen über «Mutter-schiff»-Konzepte nach: Lieferdienste fahren mit grossen Fahrzeugen in die Nähe der Kundschaft, ganz ähnlich, wie das bis Ende der 1970er Jahre Migros-Einkauffahrzeuge taten. Die letzten Meter lassen sich dann von Menschen bewältigen.

Man tastet sich weltweit in kleinen Schritten voran. Starship Technologies, eines der Startups, das Lieferroboter herstellt, hat bereits Erfahrungen mit 2,5 Millionen Auslieferfahrten und einer Flotte von 1000 fahrenden Robotern gesammelt. Zum Vergleich: Allein Delivery Hero beschäftigt mehr als 180 000 Personen für die Auslieferung.

Ob die längerfristigen Hoffnungen für die Investoren grosser Lieferdienste und Ausliefertechnologieunternehmen aufgehen, ist eine andere Frage. Berechnungen gehen von Beträgen um 10 Franken beziehungsweise Dollar aus, von denen lediglich ein Teil den Endkundinnen und -kunden weiterverrechnet wird. Der Rest muss von den grossen Lieferketten woanders hereingeholt werden. Bis heute sind das die Aktionäre – zukünftig könnten das die Lieferroboterhersteller sein.