Die Entwicklung der Elektromobilität stellt die Fahrzeughersteller vor neue Herausforderungen. Lag der Fokus bei Verbrennungsmotoren traditionell auf Motorleistung und Kraftstoffeffizienz, gewinnt bei Elektroautos ein anderer Bereich an Relevanz: die Aerodynamik. Denn ihre Rolle ist bei Stromern weit mehr als nur ein Designfaktor, da sie massgeblich Einfluss auf die Reichweite hat. Bereits im Jahr 1921 setzte der österreichische Flugzeugkonstrukteur Edmund Rumpler mit seinem «Tropfenwagen» und einem Luftwiderstandswert von 0,28 einen echten Meilenstein für windschnittiges Design. Was damals eine visionäre Ausnahme darstellte, ist heute für die gesamte Elektroautobranche zur Notwendigkeit geworden. Denn die Gesetze der Physik lassen sich nicht aushebeln. «Aerodynamik spielt für die Effizienz von E-Autos eine wesentliche Rolle», sagt Moni Islam, Leiter Entwicklung Aerodynamik /Aeroakustik bei Audi. «Je geringer der Luftwiderstand eines Fahrzeugs ist, desto weniger Energieressourcen werden für den Vortrieb benötigt und desto höher ist die Reichweite.» Und nicht nur die Ingolstädter streben hier nach stilvoller Exzellenz und maximaler Effizienz – E-Automobil-Ingenieure auf der ganzen Welt beschäftigen sich seit Jahren mit diesem Thema.

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Designmerkmale für maximale Effizienz

Fortschritt bei der Aerodynamik basieren vor allem auf kleinen Details. Innovative Technologien wie beispielsweise ein virtueller Aussenspiegel oder aktive Aerodynamikelemente wie ein steuerbarer Kühllufteinlass sind nur zwei Elemente, mit denen sich der Luftwiderstandswert verringern lässt. Und bereits eine Reduzierung dieses Werts um nur 0,01 kann die Reichweite auf der Langstrecke um etwa 2,5 Prozent erhöhen. Dazu der Experte: «Jede Verbesserung bedeutet mehr Reichweite, weniger Energieverbrauch und ein besseres Fahrerlebnis.» Die Physik besagt, dass bei einer Geschwindigkeit von 130 Stundenkilometern bis zu zwei Drittel der verbrauchten Energie benötigt werden, um allein den Luftwiderstand zu überwinden. Die Aerodynamik ist damit oft ein grösserer Stromfresser als das Heizen oder Kühlen des Innenraums.

Und genau darum ist die Ware «Aerodynamik» so wichtig geworden. Mittlerweile wissen die Ingenieure, dass vor allem stromlinienförmige Silhouetten, wie man sie bei Limousinen oder Sportbacks mit sanft abfallendem Heck findet, die grösste Reichweite bringen. Sie erzeugen mit ihrer flachen Form, dem lang gezogenen Dach und der niedrigen Stirnfläche einen relativ geringen Luftwiderstand. Karosserieformen wie Avants haben durch ihre hohen Dächer und steiler aufgestellten Heckscheiben grössere Gebiete der aerodynamischen Verluste hinter dem Fahrzeug (den sogenannten Nachlauf). Bei den SUVs hingegen sorgen die grössere Stirnfläche, die meist grossen Räder und der Abstand zur Fahrbahn für einen Anstieg des Luftwiderstands.

Ein nächster wichtiger Faktor bei E-Autos ist der Fahrzeugunterboden. «Durch die Integration der Batterie im Fahrzeugboden entsteht dort eine durchgehende, glatte Fläche», sagt Islam. «Dies reduziert die Luftverwirbelungen unter dem Fahrzeug und verbessert den Luftwiderstandswert deutlich.» Ergänzt wird dies durch gezielte Anpassungen der Karosserieoberfläche. Dazu zählen sogenannte Air Curtains. Das sind Luftkanäle an der Front des Fahrzeugs, die die Störungen im Luftstrom im Übergang zu den Vorderrädern und zur Seitenlinie minimieren. Oder aber aerodynamische Felgen – meist geschlossene Designs –, die die Luftverwirbelungen auf den Rädern reduzieren. Und als eine besonders effektive Innovation gelten die angesprochenen virtuellen Aussenspiegel (Kamerasysteme). «Sie sind nicht nur progressive Designelemente, sondern können jeweils durch ihr aerodynamisches Design bis zu 2 Prozent mehr Reichweite herausholen», so Islam. «Zusätzlich reduziert ein adaptives Fahrwerk, das bei hohen Geschwindigkeiten den Fahrzeugschwerpunkt absenkt, den Luftwiderstand weiter.»

Einsatz von Hightechmaterialien

Die Aerodynamik bei Elektroautos ist erheblich komplexer als bei Verbrennern. «Sie muss heute nicht nur den Luftwiderstand minimieren, sondern zugleich das höhere Fahrzeuggewicht, die Kühlung der Komponenten, die Geräuschentwicklung sowie die Designanforderungen berücksichtigen», erklärt Islam. Dies erfordert integrierte Lösungen, die Technik, Design und Software vereinen. So bietet zum Beispiel die in den Unterboden integrierte Batterie durch ihre flache Anordnung klare aerodynamische Vorteile, sie bringt aber parallel dazu Herausforderungen in puncto Gewicht und Thermomanagement mit sich. Denn auch bei Elektroautos muss Luft durch den vermeintlichen Motorraum geleitet werden – insbesondere zur Kühlung von Batterie, Elektromotor und Leistungselektronik. «Diese kontrollierte Luftführung ist essenziell und muss höchst effizient gestaltet sein, um unnötige Verwirbelungen zu vermeiden. Hersteller begegnen diesen Anforderungen mit intelligenter Luftführung, aktiven Aerodynamiksystemen und einer präzisen Integration aller Komponenten», weiss der Experte.

Um diese anspruchsvollen aerodynamischen Vorteile zu erzielen, wird auf den Einsatz verschiedenster Materialien gesetzt, die auch die Anforderungen an andere Fahrzeugeigenschaften erfüllen. Dazu zählen zum Beispiel Aluminiumplatten zum Schutz der Batterie, die mit speziellen Vertiefungen versehen werden, den sogenannten Golfball-Dimples. Das Felgenmaterial besteht oft aus einer Kombination von leichtem Aluminium und Kunststoffverbund, und Faservliesmaterial dient zur Verkleidung von Radkästen und Unterbodenabdeckungen. Gummilippen oder flexible Dichtungen sorgen schliesslich für selbst abdichtende Luftkanäle.