Am Montag hat die Gemeindeversammlung von Surses dem alpinen Grossprojekt Nandro-Solar den Stecker gezogen: Das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) wollte im Val Nandro in ein rund 65 Hektar grosses Solarprojekt investieren. Damit hätte das EWZ jährlich 66 Gigawattstunden Strom produzieren können, genug für rund 20 000 Haushalte. Der Standort auf über 2000 Metern ist ideal für die Produktion des so wichtigen Winterstroms, um die Abhängigkeit der Schweiz von Stromimporten zu verringern. Da das EWZ bereits Wasserstrom in Surses produziert, hätte die bestehende Infrastruktur genutzt werden können. Die Abstimmung der Bevölkerung ist zu respektieren, aber die Ablehnung ist ein gutes Beispiel dafür, warum der Ausbau der erneuerbaren Energien in der Schweiz nur schleppend vorankommt. Grünen Strom wollen alle und natürlich auch möglichst günstig, aber wenn es um konkrete Projekte vor der eigenen Haustür geht, findet sich immer eine Interessengruppe, die etwas dagegen hat. So krebst der Energieausbau nur vor sich hin.

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Die Politik hat die Probleme erkannt und im letzten Jahr reagiert. Das vom Schweizer Parlament Ende September 2023 bereinigte Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, kurz «Mantelerlass» genannt, ist ein Hoffnungsschimmer. Er soll, zusammen mit dem Beschleunigungserlass, den Ausbau erneuerbarer Energien forcieren und sieht Massnahmen vor, um die Bewilligungsfähigkeit von neuer Energieinfrastruktur zu verbessern. Sein Ziel ist es, bis zum Jahr 2035 35 Terawattstunden (TWh) pro Jahr aus grünen Technologien (Sonne, Wind, Holz und Biogas) zu gewinnen. Zum Vergleich: 2022 waren es rund 6 TWh. Das neue Ziel entspräche etwa der Hälfte des für 2035 zu erwartenden Strombedarfs der Schweiz. Die andere Hälfte würde durch Wasserkraft und Importe gedeckt. Die Schweiz könnte auf diese Weise ohne Kernenergie und fossile Grosskraftwerke mit Strom versorgt werden.

 

Der Mantelerlass allein reicht nicht

Weitere Ziele des Gesetzes betreffen den Ausbau der Winterstromproduktion aus erneuerbaren Energien: Sie soll bis 2040 um 6 TWh erweitert werden, wovon 2 TWh sicher abrufbar aus Speicherwasserkraft sein müssen. Entsprechende Projekte werden im Gesetz explizit aufgeführt. Zudem soll es für Produktionsanlagen ab einer bestimmten Grösse ein nationales Interesse geben. Ihre Realisierung geht den Interessen von kantonaler, regionaler und lokaler Bedeutung vor. Weitere Punkte sind eine Verbesserung der Bewilligungsfähigkeit und die Ausweitung von Förderinstrumenten. Alle diese Themen machen Sinn, aber die Politik hat sich in erster Linie auf Ziele beim Ausbau der erneuerbaren Energie geeinigt. Wie diese erreicht werden sollen, bleibt vage.

Doch obwohl der Mantelerlass von allen Parteien getragen wird, kommt es nun doch zum Referendum. Die Umweltorganisation Fondation Franz Weber und das Bündnis für Natur und Landschaft (BNL) haben am 18. Januar über 50 000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei deponiert. Die Abstimmung ist voraussichtlich im Juni 2024. Die Initiantinnen und Initianten wehren sich insbesondere gegen Solar- und Windanlagen in der freien Natur – das sind solche Projekte wie im Val Nandro, die mit dem Mantelerlass eher umgesetzt werden könnten. Sollten jene, die das Referendum unterstützen, Erfolg haben, würde es die Schweiz um Jahre zurückwerfen, warnt Christoph Brand, CEO der Axpo, im Interview mit der «Handelszeitung» (auf Seite 26). Es droht eine neue Eiszeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien.