Das berühmte Bonmot von Paul Volcker, einem ehemaligen Präsidenten der US-Notenbank Fed, lautet sinngemäss, der «einzige nützliche Beitrag der Finanzindustrie sei der Geldautomat gewesen». Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung gewinnt das Zitat eine neue Bedeutung: Während lange Zeit klassische Bankprodukte wie Sparkonten, aktiv verwaltete Anlagefonds und Lebensversicherungen dominierend waren, zeigen gebührenfreie ETF-Sparpläne, dass die Branche auch kundennahe Lösungen hervorbringen kann. Privatanleger profitieren dabei von wegfallenden Depot- und Wechselkursgebühren – und zahlen nur die jeweiligen Management-Fees. Mit wenigen Klicks via Smartphone können sie zudem Investments in internationale Finanzmärkte tätigen.
Manuel Fuchs, Leiter Wholesale / ETF Invesco Schweiz
Diese neue Form des Sparens hat sich 2024 in der Schweiz etabliert. Anbieter wie Neon, Yuh, Postfinance oder Saxo haben teilweise sogar ETF-Sparpläne ohne Depot-, Order- oder Währungsgebühren eingeführt. In Deutschland sind ETF-Sparpläne seit Jahren gängig. In der Schweiz hat die Entwicklung verspätet eingesetzt, verläuft mittlerweile aber mit einer bemerkenswerten Dynamik. Digitale Plattformen berichten von zweistelligen prozentualen Wachstumsraten. Der Erfolg hängt zum einen mit den niedrigen Gesamtkosten der ETFs zusammen, zum anderen mit der Möglichkeit, Einzahlungen konsequent zu automatisieren. Für viele Sparende ist dies der erste direkte Zugang zum Kapitalmarkt, ohne dass sie vorab ein umfangreiches Finanzwissen erwerben müssen. Die einfache Bedienbarkeit digitaler Plattformen senkt die Einstiegshürde zusätzlich.
Hohe Sparquoten und ein Kulturwandel
Auffällig ist dabei die Höhe der Schweizer Sparquote: Durchschnittlich fliessen pro Kunde rund 400 Franken pro Monat in ETF-Sparpläne. Das ist beinahe dreimal so viel wie in Deutschland, wo der Betrag bei rund 140 Euro liegt.
Dieses Gefälle lässt sich teilweise mit dem höheren Einkommensniveau in der Schweiz erklären. Es deutet jedoch auch darauf hin, dass ETF-Sparpläne sich als ein Teil der privaten Ersparnisse profilieren – beispielsweise als Element für die Altersvorsorge.
Die Nutzung solcher Pläne reflektiert zugleich einen kulturellen Wandel: Während viele Sparerinnen und Sparer früher auf Versicherungsprodukte mit garantierten Zinssätzen vertrauten, tritt heute die Erkenntnis in den Vordergrund, dass Kapitalmarktrenditen über längere Zeiträume die sicherere Basis für die Vermögensbildung sind. Gleichzeitig sind ETFs regulatorisch klar definiert, streng überwacht und bieten durch ihre breite Diversifikation ein im Vergleich zu Einzelaktien deutlich reduziertes Rendite-Risiko-Profil.
Der Zeitfaktor als entscheidender Hebel
Ein wesentlicher Treiber des Vermögensaufbaus ist der Zinseszinseffekt. Eine Modellrechnung zeigt, dass ein Anleger, der mit zwanzig Jahren monatlich 400 Franken investiert und langfristig von einer Nettorendite von 5 Prozent jährlich ausgeht, mit sechzig Jahren rund 610 000 Franken angespart hat. Beginnt er allerdings erst mit 25, beträgt das Endvermögen lediglich 370 000 Franken. Der Unterschied von 240 000 Franken zeigt, dass der Zeitfaktor entscheidender ist als leicht höhere monatliche Einzahlungen oder geringfügig bessere Renditen. Entscheidend für den langfristigen Anlageerfolg ist also weniger der perfekte Einstiegszeitpunkt an der Börse, sondern der kontinuierliche und möglichst frühzeitige Vermögensaufbau. Wer wartet, verliert Renditepotenzial, das sich mit späteren höheren Beiträgen kaum mehr ausgleichen lässt.
Für die Vorsorgepolitik in der Schweiz dürften ETF-Sparpläne längerfristige Folgen haben. Das etablierte Drei-Säulen-Modell bildet zwar unverändert das Fundament. Doch neben AHV, Pensionskassen und der steuerlich geförderten Säule 3a entsteht faktisch eine vierte Säule. Diese basiert auf freiwilligen monatlichen Einzahlungen. Marktkenner halten es für realistisch, dass ETF-Sparpläne in den kommenden Jahren ein Anlagevolumen im zweistelligen Milliardenbereich erreichen. Damit rücken Fragen zur steuerlichen Behandlung, zur Integration in Vorsorgekonzepte und zu möglichen politischen Regulierungen stärker in den Fokus.
Die stille Verschiebung hin zu ETF-Sparplänen zeigt, dass sich in der Schweiz eine moderne Form des Sparens etabliert hat – pragmatisch, kostengünstig und anschlussfähig für breite Bevölkerungsschichten. Sie könnte in Zukunft zu einem wichtigen Puzzlestein der Altersvorsorge werden und das Verhältnis der Anlegerinnen und Anleger zum Kapitalmarkt dauerhaft verändern.