Der ETF-Boom treibt seltsame Blüten. An der Schweizer Börse stehen inzwischen mehr als 2000 börsengehandelte Fonds zur Auswahl – und dies bei nur rund 250 gehandelten Einzelaktien. Zwar ist der Siegeszug dieser passiven Anlagen verständlich: Die Gebühren sind niedrig, und das Risiko ist geringer als bei anderen Anlagen. Doch mit der grossen Zahl an neuen ETFs wird es für Anleger schwieriger, den Überblick zu behalten. Das Phänomen zeigt sich weltweit. So gibt es in den USA über 4300 ETFs bei rund 4200 gehandelten Aktien. Damit stellen sich neue Fragen: Wie finde ich in diesem Dschungel das richtige Produkt? Wie unterscheide ich gute und schlechte ETFs? Und ist die stark zunehmende Zahl neuer ETFs noch gesund für den Finanzmarkt?

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Entscheidend ist die Qualität

«Die rund 2000 ETFs in der Schweiz bilden etwa 1500 verschiedene Indizes ab», sagt Nino Zebiri, Anlageexperte beim VZ Vermögenszentrum. Um die Auswahl einzugrenzen, sollten Anleger zunächst ihr Anlageziel und ihre Strategie festlegen. «Dabei geht es darum, sich auf eine Anlageklasse festzulegen, zum Beispiel auf ‹Aktien Welt›.» Wenn dann ein passender Index ausgewählt wurde, kann man die entsprechenden Produkte miteinander vergleichen. Denn auch wenn bei den gleichen Themen oft die gleichen Wertschriften stark vertreten sind, gibt es Unterschiede. So verlangen die Anbieter unterschiedlich hohe Jahresgebühren für ihre ETFs.

Entscheidend für den Kauf sollten aber nicht nur die Kosten, sondern auch die Qualität des Produkts sein. «Grundsätzlich hilft vor allem ein Kriterium bei der Suche nach einem guten ETF», erklärt Zebiri. «Es kommt darauf an, wie genau der Fonds den Index abbildet, den er replizieren soll.» Denn ETFs bilden den Vergleichsindex nicht immer eins zu eins ab. Je nach Abbildungsqualität kann der Renditeunterschied zwischen einem ETF und seinem Index über 1 Prozentpunkt im Jahr betragen. «Die Anleger sollten die Renditedifferenz über einen längeren Zeitraum anschauen», sagt Zebiri. «Damit man diese Zahl prüfen kann, muss ein ETF mindestens seit einem Jahr auf dem Markt sein.»

Einen wichtigen Hinweis auf die langfristige Qualität gibt die sogenannte Replikationsart – also die Art und Weise, wie ein ETF einen Index abbildet. Man unterscheidet zwischen voller physischer Replikation, optimierter physischer Replikation und synthetischer Replikation. Bei der vollen Replikation sind genau die gleichen Wertschriften hinterlegt wie beim Index. Die optimierte Replikation enthält hingegen nur eine repräsentative Auswahl der Wertschriften. Und die synthetische Replikation baut den Index mit anderen Wertschriften nach. So kann ein ETF-Herausgeber einen Rohstoffindex mit Aktien nachbauen. Bei manchen Produkten ist das nötig, weil die Indexbestandteile nur beschränkt handelbar sind. Doch die Risiken von physisch replizierenden ETF seien geringer, sagt Zebiri. «In der Regel empfehlen wir deshalb die beiden physischen Verfahren.»

100 Millionen Franken als Minimum

Eine weitere Gefahr für Anleger ist, dass der Anbieter einen ETF schliesst. Wird ein börsengehandelter Fonds liquidiert, bekommen die Investoren ihr Geld ausbezahlt. Sie können es danach zwar neu investieren, doch dabei fallen Gebühren und Steuern an. Die Anleger kostet die Schliessung folglich Geld. Dazu kommt, dass ihnen der Zeitpunkt des Verkaufs aufgezwungen wird. Da sich ETFs für die langfristige Geldanlage eignen, ist das doppelt ärgerlich. Das Risiko einer Schliessung sei vor allem bei kleinen ETFs hoch, sagt Zebiri. «Für den Fondsanbieter rentiert sich ein ETF häufig erst ab einer Grösse von 100 Millionen Franken», so der Experte. «Wenn er diese Marke nach mehreren Jahren auf dem Markt nicht erreicht hat, dann läuft er Gefahr, dass der ETF geschlossen wird.» Und was ist mit neuen Produkten wie aktiv gemanagten ETFs? Für Zebiri stellt sich die Frage, ob diese einen echten Mehrwert bringen. Denn die Gebühren bei aktiven ETFs, die von Portfoliomanagern verwaltet werden, sind höher als bei der passiven Variante. «Für eine Erfolgsbilanz gibt es viele dieser Produkte noch nicht lange genug», erklärt Zebiri. «Aber wir haben gesehen, dass sie häufig ziemlich stark an ihrem Index kleben. Man könnte sagen: Sie sind zwar aktiv, aber sie verhalten sich trotz höheren Kosten eher passiv.»

ETFs verursachen keine Crashs

Das Fazit ist klar: Wer in ETFs investieren will, muss den Dschungel an Angeboten mit klaren Kriterien lichten. Wenn man nur auf etablierte und ausreichend grosse ETFs setzt, ist die Auswahl besser überschaubar. Es bleibt die Frage, ob der ETF-Boom Gefahren für das Finanzsystem birgt. Zebiri gibt hier Entwarnung: «Untersuchungen wie beispielsweise jene vom Internationalen Währungsfonds zeigen, dass ETFs keine Aufwärtstrends befeuern und keine Crashs verursachen.» Dazu kommt: Der ETF-Markt ist trotz des explodierenden Angebots gar nicht so gross. «ETFs machen noch immer nur einen geringen Prozentsatz des Gesamtvolumens aller Investmentfonds aus.» Damit sind sie in gewisser Hinsicht immer noch ein Nischenprodukt.