Das Europa Forum wählt gemeinsam mit Ringier Axel Springer Schweiz jährlich 25 Impulsgeberinnen und Impulsgeber aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und Generation Zukunft. Es werden damit Menschen gewürdigt, die mit ihren Leistungen, Visionen und Ideen im Zusammenhang mit dem Jahresthema des Europa Forums wertvolle Spuren hinterlassen, einen relevanten Beitrag leisten und letztlich auf ihre Art prägend sind. Nachfolgend fünf Porträts aus dem Bereich Gesellschaft.

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Raphaël Brunschwig, 38: Einheit in der Vielfalt

Einen glücklichen Zufall nennt Raphaël Brunschwig die Umstände, wie er Teil des Locarno Film Festival wurde. «Mein Vorgänger holte mich 2013, um ihn als Verantwortlichen der Festivalpartnerschaften zu ersetzen.» Zunächst als Koordinator tätig, übernahm Brunschwig ein Jahr später die Verantwortung für das Sponsoring. 2016 stieg er zum stellvertretenden COO auf, bevor er 2017 zum Managing Director befördert wurde. In dieser Funktion ist er Co-Direktor des Festivals und leitet unter anderem die Bereiche Sponsoring, Finanzen, Kommunikation, Logistik und Gästemanagement. Seit 2021 ist Brunschwig zudem Präsident des Literaturfestivals Eventi letterari Monte Verità in Ascona.

«Die vergangenen drei Jahre gehören wahrscheinlich zu den schwierigsten in der Geschichte des Locarno Film Festival», erklärt Brunschwig. Glücklicherweise habe das Festival bereits vor Corona über eine Weiterentwicklung nachgedacht. Denn in Locarno war klar, dass ein auf lediglich elf Tage pro Jahr angelegtes Festival auf Dauer nicht mehr nachhaltig ist. Festivalpräsident Marco Solari und der Verwaltungsrat erkannten die Notwendigkeit, Wachstum neu zu definieren und Visionen zu entwickeln. Unterstützt von seinem Team und gemeinsam mit dem künstlerischen Leiter Giona A. Nazzaro entwickelte Raphaël Brunschwig eine innovative Erweiterungsstrategie, die es dem Festival erlaubt, seine zeitlichen und territorialen Grenzen zu überwinden: Das heutige Locarno Film Festival entfaltet sich rund um den sommerlichen Hauptevent während 365 Tagen pro Jahr. Im In- und Ausland ist es über zahlreiche unterschiedliche, auch digitale Angebote präsent. In 15 Pilotprojekten wird erprobt, wie ein Mehrwert für ein junges Publikum, für Kreative und für die Filmindustrie geschaffen werden kann. Carmen Schirm-Gasser

5 Fragen an Raphaël Brunschwig

Ihr Wunsch für Europa?
Dass die europäische Gemeinschaft ihre kulturelle Vielfalt als Motor des Zusammenhalts verstehen kann, der auf den Werten der Demokratie basiert. Auf der individuellen Ebene hoffe ich, dass jeder von uns in der Lage sein wird, sich seinen inneren Konflikten konstruktiv zu stellen, ohne sie nach aussen zu projizieren.

Ihre grösste Sorge?
Dass es nicht möglich ist, jenseits des wirtschaftlichen Abkommens eine Form der Einheit zu finden, die ein tiefes Gefühl der Zugehörigkeit schafft; genau wie in der Schweiz, wo trotz dem unterschiedlichen kulturellen Erbe ein Modell der Einheit in der Vielfalt gelebt wird.

Worauf sind Sie stolz?
Ich darf für zwei Institutionen tätig sein, die eine soziale, kulturelle, wirtschaftliche und identitätsstiftende Relevanz haben: das Locarno Film Festival und die Eventi letterari Monte Verità.

Ihre erste Amtshandlung, wenn Sie EU-Vorsitzender wären?
Ich würde die Rolle der Kultur als ein wichtiges Friedensprojekt stärken. Kultur verbindet und ermöglicht es uns, über eine Vision Europas hinauszugehen, Europa als einen Raum zu verstehen, in dem wir durch den Ausdruck vieler Individualitäten eine gemeinsame Identität schaffen können.

Was wollen Sie in zehn Jahren erreicht haben?
Ich möchte, dass die Projekte, an denen ich arbeite, nicht nur weiterhin existieren, sondern noch relevanter sein werden und das Leben so vieler Menschen wie möglich bereichern.

Alenka Bonnard, 37: Innovative Souffleuse

Alenka Bonnard ist Co-Direktorin des Staatslabors, dessen Büros an der Bundesgasse 16, direkt gegenüber von der Bundesverwaltung sind. Das ist kein Zufall, sondern begünstigt den Austausch mit dem Staat, den das Staatslabor fördern will. Der 2016 gegründete Verein versteht sich als Denkfabrik sowie als Vernetzungsplattform, der die Schweizer Verwaltung auf allen Stufen bei innovativen Lösungen unterstützen soll. «Die Schweiz gilt als eines der innovativsten Länder der Welt», so Bonnard, «doch der öffentliche Sektor hat noch grosses Verbesserungspotenzial.» Bereits im Jahr 2018 beauftragte das Bundesamt für Kommunikation das Staatslabor damit, die nationale Strategie der Schweiz zur Digitalisierung zu aktualisieren. In den letzten Jahren war Bonnard zudem Mitglied verschiedener Arbeitsgruppen der Bundesverwaltung. Darunter die Arbeitsgruppe für eine Aussenpolitische Vision der Schweiz im Jahr 2028, die im Auftrag von Bundespräsident Ignazio Cassis Impulse für eine zukunftsfähige Schweiz geben soll. Daneben ist Bonnard auch in der Arbeitsgruppe des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation zur Zukunft des Postuniversaldienstes. 

Alenka Bonnard

Alenka Bonnard

Quelle: John Patrick Walder

Die 37-jährige Juristin aus dem Kanton Waadt hat in Lausanne, Genf, Paris und Berlin studiert. In der deutschen Hauptstadt hat sie im Jahr 2011 eine Bar eröffnet. Diese verkaufte sie nach einem Jahr wieder und ging einige Monate auf Reisen. Dann war sie Junior Consultant bei EY, anschliessend Partnerin bei der Consulting-Firma Brainstore. Seit dem vergangenen Jahr ist sie Mitglied des Stiftungsrates bei Pro Senectute. Tagsüber arbeitet sie in Bern, die Abende verbringt sie meist in Zürich oder Lausanne, wo sie Freunde und Familie hat. Sie hat keinen Autoführerschein und nutzt die öffentlichen Verkehrsmittel. Wenn sie sich ausserhalb des Staatslabors für die Schweiz einsetzen könnte, würde sie gerne an Fragen der Soft Power mitwirken. Harry Büsser

Maayke-Aimée Damen, 35: Den Kreis schliessen

Elan hört man der Niederländerin Maayke Damen an. Seit Dezember wohnt die 35-Jährige in Genf und arbeitet als Direktorin mit Schwerpunkt Kreislaufwirtschaft beim World Business Council for Sustainable Development, einer in Genf stationierten Vereinigung von Konzernen, die der Schweizer Unternehmer Stephan Schmidheiny 1995 ins Leben gerufen hatte. International bekannt wurde Damen mit ihrer niederländischen Startup-Firma Excess Materials Exchange. Die Firma versteht sich als globale Börse zum Austausch von Abfall- und Überschussstoffen aus Logistik und Produktion. Ihr grösster Kunde ist der niederländische Flughafen Schiphol. In automatisierter Weise sollen Anbieter und Nachfragende zueinanderfinden, «vergleichbar mit einer Dating-Plattform», so Damen. Damit tourte sie um die Welt. Voraussetzung für die Teilnahme an der Tauschbörse ist allerdings ein digitales Profil des Abfallprodukts, und zwar in Form eines Produktepasses. Damen fordert einen solchen seit 2012 von der Wirtschaft. «Die Einführung erfordert viele Daten, viel Zeit und Geld», sagt Damen. Weit sei man noch nicht. Das Startup hat unter der Covid-19-Flaute gelitten, besteht aus vier Leuten und sucht jetzt nach neuen Investoren.

Maayke-Aimée Damen

Maayke-Aimée Damen

Quelle: Ivar Pel Fotografie

Mit dieser Erfahrung startete Damen nun also beim World Business Council, wo ihr ein zwölfköpfiges Team zur Hand geht. Die Kernthemen sind Transparenz von Wertschöpfungsketten und Kreislaufwirtschaft. Am meisten Freude bereite ihr derzeit ein einzigartiges System zur Messbarkeit und Bewertung von Kreislaufwirtschaft – je mehr, desto besser. «2000 Grossfirmen nutzten das Instrument», erklärt Damen. Ausserdem beteiligt sie sich an den Verhandlungen eines neuen UN-Abkommens zur Reduktion von Plastikmüll in Gewässern. Allein kann sie das indes nicht stemmen, denn der Rat beschäftigt bloss rund 140 Leute. Doch im zwanzigköpfigen Verwaltungsrat sitzen Topmanager von Michelin, Toyota, Shell, Unilever, Nestlé und Lafarge Holcim. Sie sind Botschafter des Gremiums, und Damen liefert Business-Cases, die zeigen, dass Kreislaufwirtschaft nicht nur wichtig ist, sondern auch praktikabel und finanzierbar wird. Andreas Valda

Diana Engetschwiler, 38: Mit Vollgas voraus

Als Sportlerin gehst du nie in einen Match, ohne zu glauben, dass du ihn auch gewinnen kannst», sagt Diana Engetschwiler. Sie weiss, wovon sie spricht – die Baslerin hat sechs Jahre lang Volleyball in der Nationalmannschaft gespielt. Auf Profiniveau, obwohl sie mit ihren 1,62 Metern eigentlich zu klein gewesen wäre. Das hat Engetschwiler nicht stoppen können – wie auch sonst wenig. Beruflich spielt die 38-Jährige ebenso auf höchstem Level. Viermal hat sie den Schweizer Digitaltag organisiert, hat ihn mit ihrem Team von einem nationalen Event zu einem gigantischen internationalen Spektakel «skaliert», wie sie so treffend sagt, bei dem der Digitaltag zuletzt in sieben Ländern nach Schweizer Vorbild stattfand.

Diana Engetschwiler

Diana Engetschwiler

Quelle: Geri Born

Seit diesem Jahr ist Diana Engetschwiler die Nummer zwei von Digitalswitzerland, konzentriert sich darum mehr auf die Strategie statt auf das Operative. «Ich tendiere als Mensch dazu, Vollgas zu geben», sagt sie über sich selbst. Da wird dann auch mal in nur fünf Monaten der grösste «Female Hackathon» der Schweiz aus dem Boden gestampft, wie 2021 geschehen. «Wenn ich eine Vision habe, spreche ich so darüber, als ob diese schon erfüllt sei», sagt sie. Und erreicht meist, dass alle mitziehen und es am Ende auch so kommt. Dieses Tempo erzeugt Druck. Zum Ausgleich reist Diana Engetschwiler gerne, wie zuletzt im Winter drei Monate lang durch Indien, Mexiko und Belize. Auf das Gleichgewicht achtet sie auch bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. «Ich stelle oft Menschen ein, die eine hohe intrinsische Motivation mitbringen», sagt sie. Da müsse man darauf achten, dass diese nicht ausbrennen. «Wenn jemand über Wochen ein hohes Stresslevel signalisiert, ist es Zeit, etwas zu ändern.» Wie auch beim Digitaltag steckt sich Engetschwiler ihre Ziele in der neuen Aufgabe hoch: Mithilfe von Digitalswitzerland soll es die Schweiz im IMD-Ranking für digitale Wettbewerbsfähigkeit mindestens aufs Treppchen schaffen. Aktuell liegt sie auf Rang sechs. Ein Match, den es zu gewinnen gilt. Karen Merkel-Gyger

Emma Watson, 32: Stimme einer Generation

«Beim Feminismus geht es darum, Frauen die Wahl zu lassen. Es geht um Freiheit. Es geht um Befreiung. Es geht um Gleichberechtigung», erklärte Emma Watson in einem Interview, als sie auf ihre freizügigen Fotos in der «Vanity Fair» angesprochen wurde. Die 32-Jährige engagiert sich seit Jahren für die Gleichstellung der Geschlechter und für die Förderung der Bildung von Mädchen. Sie hat sich für fairen Handel und Biokleidung eingesetzt und war Botschafterin von Camfed International, einer Bewegung für die Bildung von Mädchen im ländlichen Afrika.

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Emma Watson

Quelle: Alexei Hay/Trunk Archive

Die britische Schauspielerin, Model und Aktivistin erlangte internationale Bekanntheit durch ihre Rolle als Hermine Granger in den «Harry Potter»-Filmen. Nachdem sie den Zauberstab an den Nagel gehängt hatte, begann sie 2010 ihr Studium an der Brown University und schloss dieses 2014 mit einem Bachelor in englischer Literatur ab. Im selben Jahr wurde Emma Watson, die sich immer häufiger als Sprecherin für Frauenrechte und andere soziale Themen eingesetzt hatte, zur Botschafterin für UN Women ernannt und half beim Entwickeln der UN-Women-Kampagne «HeForShe», die sich für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzt. Im Januar 2016 gründete sie den feministischen Goodreads-Buchclub «Our Shared Shelf» (Unser gemeinsames Regal), der die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern durch die Diskussion von wissenschaftlichen Artikeln und Büchern zu diesem Thema aufgreifen soll. Bereits nach sechs Monaten konnte der Lesezirkel über 130 000 Mitglieder verzeichnen. Im selben Jahr kam Watson als Beraterin zu One Young World und nahm mit zehn jungen Führungskräften, die das Emma-Watson-Stipendium von One Young World gewonnen hatten, am Weltjugendgipfel in Ottawa teil.

Auch die Umweltgerechtigkeit sowie der Klimaschutz liegen Emma Watson am Herz. Beim Earthshot Prize 2021 übernahm sie die Kategorie «Fix our Climate», die von Enapter gewonnen wurde. Im Rahmen der UN-Klimakonferenz in Glasgow 2021 moderierte sie unter anderem eine Podiumsveranstaltung, bei der auch Greta Thunberg auftrat. Jasmine Alig

Millennials im Brennpunkt

«Let Europe arise. Die nächste Generation übernimmt in herausfordernden Zeiten. Welches Europa wollen die Millennials jetzt?» lautet das diesjährige Hauptthema der Gesprächs- und Ideenplattform Europa Forum. Als Höhepunkt der Jahresaktivitäten findet am 23. und 24. November 2022 das Annual Meeting im KKL Luzern statt.

Zu den namhaften Speakerinnen und Speakern zählen Bundesrätin Simonetta Sommaruga, Deutschlands früherer Aussenminister Sigmar Gabriel, Bundespräsident a.D. Christian Wulff, Historiker und Publizist Timothy Garton Ash, Schriftstellerin Nora Bossong, Chefin Sicherheitspolitik des VBS Pälvi Pulli, Alena Buyx und Franca Lehfeldt. Sichern Sie sich jetzt Ihr  Ticket.