Der KI-Boom hat längst auch die Autobranche erreicht: Spezialserienhersteller Magna kündigte kürzlich eine neue Fahrzeugarchitektur an, die sich wesentlich auf KI-Elemente verlässt. BMW will in zwei Jahren mit der KI bei neuen E-Fahrzeugen «konkurrenzlos» sein. Opel zeigt eine KI-gestützte Licht-Kommunikation bei autonomen Fahrzeugen, und mit Motor Ai testet ein deutsches KI-Startup autonome Fahrzeuge auf öffentlichen Strassen.
Monika Reif, Leiterin des Forschungsschwerpunkts Sicherheitskritische Systeme an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), unterscheidet die KI innerhalb von Fahrzeugen und diejenige bei Flotten. «Im Fahrzeug wird KI vor allem in Fahrerassistenzsystemen, im Energiemanagement und für hoch automatisierte Fahrfunktionen genutzt», erklärt Reif. «Dabei geht es um die Verarbeitung von Sensordaten in Echtzeit, Objekterkennung und die Berechnung von Fahrmanövern.»
Im Flottenmanagement ist KI schon breiter im Einsatz. «Sie unterstützt Nachfrageprognosen, die geografische Positionierung von Fahrzeugen, die Optimierung der Auslastung und Predictive Maintenance», so Reif weiter. «Hinzu kommen Routen- und Ladeoptimierung, automatisierte Einsatz- und Schichtplanung sowie die Erkennung von Auffälligkeiten, etwa in Carsharingflotten.» Fehler wirken sich hier vor allem auf Effizienz und Verfügbarkeit aus, können aber indirekt auch sicherheitsrelevant werden, wenn zum Beispiel Wartungsbedarfe übersehen werden. «Entscheidend ist: Es gibt nicht die eine KI, sondern unterschiedliche Anwendungen mit jeweils eigener Rolle im Entscheidungsprozess», betont die Expertin.
KI plant die Zukunft
Welche Form der KI genutzt wird, hängt vom Typ der Fahrzeugflotte und von den Zielen derjenigen ab, die sie verwalten, sagt Valerio De Martinis, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent Smart Mobility bei der ZHAW. «Im Allgemeinen hat KI, wie andere Assets auch, viele Aspekte des Managements durchdrungen, darunter die Kundenoberfläche mit LLM-Modellen und den Prognoseaspekt, wie beispielsweise Modelle für die Nachfrage und die Verteilung der Flotten im Gebiet der Carsharingunternehmen.»
Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. «Predictive Maintenance, Nachfrageprognosen und teilautomatisierte Lade- und Einsatzplanung werden breiter genutzt, um Kosten zu senken und die Verfügbarkeit zu verbessern», erwartet Reif. «Noch visionär sind Szenarien, in denen vollautonome Fahrzeuge ihre Lade- und Einsatzzyklen selbst organisieren oder Flotten vollständig in städtische Verkehrs- und Energiesysteme eingebunden sind.» EU-Projekte wie Chorus oder Show zeigen, wie solche Konzepte funktionieren könnten, doch bleiben sie mittelfristig auf Pilotzonen beschränkt. «In diesem Fall verschieben sich die Risiken: weg von rein technischen Fehlern hin zu Systemrisiken, die aus der Interaktion vieler Akteure entstehen – Fahrzeuge, Infrastruktur, Betreiber, Energieversorger», sagt Reif.
«Die Kommunikation ist einer der wichtigsten Faktoren in diesen Bereichen», sagt De Martinis: «Im autonomen Fahren ist sie der Schlüssel zu einem sicheren Verkehr, und grosse Datenmengen werden in weniger als einer Zehntelsekunde zwischen Fahrzeugen (V2V) oder zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur (V2I) ausgetauscht.» Und Reif hält fest: «Die reine Übertragungstechnik, also zum Beispiel 5G, sorgt für die Verbindung, doch die eigentlichen Schwierigkeiten entstehen oft eine Ebene darüber: bei den Standards, nach denen Fahrzeuge, Ladepunkte und Managementsysteme Informationen austauschen. Wenn hier unterschiedliche Formate oder Protokolle genutzt werden, können selbst stabile Datenleitungen nicht verhindern, dass Informationen unvollständig, verspätet oder gar nicht ankommen.»
Im Strassenverkehr sind Situationen dynamisch und oft unvorhersehbar, weshalb die Entscheidungslogik aktuell noch im Fahrzeug selbst liegen muss, sagt Reif. Nur so sind Reaktionen in Millisekunden möglich, unabhängig von einer externen Verbindung. «Für das Flottenmanagement heisst das: In kontrollierten Umgebungen kann Intelligenz kosteneffizient in die Infrastruktur ausgelagert werden, im regulären Betrieb bleibt das Fahrzeug selbst der zentrale Ort für schnelle Wahrnehmung und Entscheidungen», so Reif.
In Richtung vernetzte Dienstleistung
Und auch bei den Geschäftsmodellen zeichnen sich Innovationen ab: Das Carsharing ist mit Anbietern wie Mobility fest etabliert. Erste Ansätze von Mobility-as-a-Service (MAAS) sind ebenfalls erkennbar, etwa durch die Integration von ÖV, Carsharing, E-Scootern oder Veloverleihsystemen in Plattformen wie die SBB-App. «Für das Flottenmanagement bedeutet das, dass Fahrzeuge zunehmend als Teil einer vernetzten Dienstleistung verstanden werden», sagt Reif. «Sie müssen flexibel verfügbar, effizient ausgelastet und in multimodale Mobilitätsketten eingebunden sein.» Denkbar sind auch Modelle der Co-Ownership, bei denen mehrere Nutzer ein Fahrzeug teilen. Damit verschiebe sich der Fokus von privatem Besitz hin zu professionell betriebenen Flotten und kontinuierlich erbrachten Mobilitätsdiensten.
«Es ist schwierig, die Richtung vorherzusagen, aber es ist klar, dass Kommunikation und Daten eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen spielen werden, um Kunden mit personalisierten Dienstleistungen anzuziehen», glaubt auch De Martinis. «Bei einem Gespräch mit einem Kollegen stellten wir uns Zukunftsszenarien vor, wie zum Beispiel zu Hause zu bleiben und das selbstfahrende Auto zur ‹Arbeit› als Uber zu schicken ... Das sind natürlich Übertreibungen, aber ich gehe davon aus, dass auch in diesem Bereich die Realität die Fantasie übertreffen wird.»