Etablierte Autohersteller, aufstrebende E-Fahrzeugbauer, Start-ups wie Waymo, die auf dieses Thema spezialisierte Google-Tochtergesellschaft, sowie Apollo Go, das Gegenstück des chinesischen Suchmaschinenunternehmens Baidu, meldeten in den vergangenen Wochen Fortschritte auf dem Weg zum autonomen Fahren. Mal sind es grössere Regionen, mal sind es Städte inklusive ihrer Verbindungen zu den Flughäfen: «Derzeit gibt es in den USA und in China Projekte mit bis knapp tausend autonomen Fahrzeugen, die in einer Stadt insbesondere Taxidienste anbieten», fasst Andreas Herrmann, Professor am Institut für Mobilität der Universität St. Gallen, die Entwicklung zusammen. «Bis 2030 werden viele weitere Städte hinzukommen, und die Flotten dürften noch grösser werden.» Technologisch sind laut dem Experten alle Voraussetzungen gegeben. «4G reicht aus, und auch die derzeitige Mächtigkeit der AI ist ausreichend. Der Engpass ist der politische Mut zur Umsetzung und die Erarbeitung von funktionierenden Geschäftsmodellen.»

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Furttal als Pilot

Etappierte Vorgehensweisen und ausführliche Tests sollen solche Engpässe beseitigen. Das Swiss Transit Lab (STL), die Kantone Zürich und Aargau und die SBB bereiten beispielsweise den Einsatz selbstfahrender Fahrzeuge im Pilotprojekt «Intelligente automatisierte Mobilität» – kurz Iamo – im Furttal vor, wie die Beteiligten im August mitteilten. In der jetzt beginnenden Kartierungsphase wird zunächst eine digitale Karte der Region erstellt. Im Anschluss daran sind eine Trainingsphase und eine Testphase geplant, bevor die Bevölkerung das Angebot im Furttal erstmals nutzen kann.

Die Projektpartner möchten automatisierte Fahrzeuge für Reisende auf die Strasse bringen, um zu testen, wie selbstfahrende Fahrzeuge künftig den ÖV weiterentwickeln können. Für die ersten Tests verwendet man Elektroautos des Modells Nissan Ariya, die mit der Technologie zum automatisierten Fahren des Herstellers Weride ausgestattet sind. Die Fahrzeuge werden vorerst noch von einer Fahrerin oder einem Fahrer gesteuert.

«Autonomes Fahren ist technologisch bereits Realität», konstatiert Lukas Müller, Studiengangsleiter B. Sc. Digital Engineer / Robotik & Big Data an der Hochschule Luzern HSLU. Der breite Einsatz, insbesondere im europäischen Raum, werde durch regulatorische und haftungsrechtliche Herausforderungen gebremst. «Bis 2030 erscheint es realistisch, dass autonome Flotten in unseren Regionen in klar definierten Bereichen wie Städten, Autobahnkorridoren oder Logistikarealen zuverlässig eingesetzt werden können», so Müller.

Vernetzung und Sensorik

Abgesehen von Fortschritten im Bereich Wahrnehmung und Entscheidungsfindung brauche es robuste Netze wie 5G/6G, um Fahrzeuge mit hoher Bandbreite und geringer Latenz zu vernetzen. «Edge-Computing wird essenziell, damit Entscheidungen nahe an der Quelle in Echtzeit fallen können», so Müller weiter. «Ebenso wichtig sind Sensorfusion von Radar, Lidar und Kamera sowie die Cybersecurity und standardisierte Schnittstellen für die Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation.»

Auch für das Flottenmanagement zeichnen sich Veränderungen ab. «Zentrale Themen sind hier prädiktive Wartung, dynamische Routensteuerung und flexible Nutzungsmodelle», so Müller. Mietwagenunternehmen könnten ihre Flotten zunehmend on demand einsetzen, während Firmenflotten sich zu umfassenden Mobilitätsdiensten für Mitarbeitende oder Partner entwickeln könnten. «Autonome Flotten eröffnen zudem Raum für neue Marktakteure, zum Beispiel Technologieunternehmen oder Start-ups, die Mobilität als Service orchestrieren», erwartet Müller. «Gleichzeitig gilt es, realistisch zu bleiben: Gesellschaftliche und kulturelle Akzeptanz entwickeln sich langsamer als die Technik.»

Auch bei der Amag-Gruppe, einem grossen Flottenbetreiber, sieht man Veränderungen durch autonome Fahrzeuge kommen. «Das autonome Fahren wird in Zukunft sicherlich erhebliche Auswirkungen haben», erwartet auch Michael Baumann, Sprecher der Amag-Gruppe. Sei es in Bezug auf die Sicherheit auf unseren Strassen, die logistische Effizienz oder die Personalkosten. «Allerdings wird autonomes Fahren zuerst beim ÖV und beim Ridepooling kommen», erwartet Baumann. «Die Amag testet zum Beispiel gemeinsam mit Partner Moia Ridepooling-Dienste, die sich optimal in das Gesamtökosystem eines bestimmten Gebiets einbinden lassen, in Zusammenarbeit mit Städten, Kommunen und weiteren Stakeholdern.»