«Wir suchen jetzt noch 2 Millionen Franken Kapital, damit wir den nächsten Entwicklungsschritt finanzieren können» – die Präsentationen der Gründer, Verwaltungsräte und CEO am Anlass des Swiss ICT Investor Club (Sictic) von Anfang Februar in Winterthur endeten mit sehr ähnlichen Folien.

Unabhängig davon, ob die Jungfirmen sich mit künstlicher Intelligenz, neuen Verfahren für die Bohrung der Löcher für Wärmepumpen oder mit der Vermittlung von Influencern und KMU beschäftigen, sie alle gehen dabei auf mögliche Geldgeber zu. Am anschliessenden Apéro haben die Firmenvertreter ihre Chance, mit anwesenden Investoren individuell zu sprechen. Das sprichwörtliche Scheckbuch zückt jedoch niemand vor Ort.

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Fintechs holten sich 2022 viel Geld

Eines der Vorbilder der Investoren ist ein gewisser Robert «Bob» Swanson. Der seinerzeit junge Harvard-Abgänger arbeitete für die Private-Equity-Firma Kleiner Perkins und hatte Mitte der 1970er Jahre ein gewisses Flair für Biotech-Themen. Nach einigen Lunches mit führenden Wissenschaftern an den Universitäten im Silicon Valley südlich von San Francisco war Swanson zum Schluss gelangt, dass die sich abzeichnenden Rekombinationsmöglichkeiten der menschlichen DNA «das nächste grosse Thema» werden würden. Im April 1976 legte die neu gegründete Firma mit einem einfachen Businessplan und einer halben Million Dollar los. Das erste Produkt war gentechnisch hergestelltes Insulin. Die späteren Erfolge des seinerzeitigen Startups Genentech auf dem neuen Gebiet waren Roche später 46,8 Milliarden Dollar wert.

Solche Legenden sichern den beständigen Zustrom von Risikokapital. Gemäss dem jüngsten Swiss Venture Capital Report von Startupticker und Seca, der Swiss Private Equity & Corporate Finance Association, waren 2022 bei 383 Finanzierungsrunden über 3,9 Milliarden Franken in Startups in der Schweiz geflossen. Die Summe wäre noch deutlich höher gelegen, wenn die vielen Jungfirmen aus dem Blockchain- und Kryptobereich berücksichtigt worden wären. Bei ihnen lassen sich indes die für die Ermittlung der Swissness unabdingbaren Verbindungen – eine Briefkastenadresse genügt nicht – oft nicht herstellen. Dennoch gab es mit Sygnum und der Seba Bank gleich zwei Unternehmen, die sich vergangenes Jahr frisches Geld bei ihren Investoren geholt hatten.

Am kräftigsten ist die Anzahl der Finanzierungsrunden mit Volumen zwischen 10 und 20 Millionen Franken gewachsen. 2022 gab es darüber hinaus dreissig Kapitalrunden mit Volumen von mehr als 20 Millionen Franken, und fünf durchbrachen sogar die 100-Millionen-Grenze.

Unter den Investoren dominieren gemäss Report Family Offices, vermögende Privatpersonen und die spezialisierten Fonds, die von Banken wie der Zürcher Kantonalbank aufgelegt werden. Pensionskassen und Firmen kommen im Ranking der wichtigsten Finanzierer erst danach. Oft werden die Investments in Fondsstrukturen gepackt. Inzwischen gibt es in der Schweiz 55, weitere mit angestrebten Volumen zwischen 400 Millionen und 1 Milliarde Franken werden vorbereitet. Sowohl in der Schweiz als auch im Ausland waren bis 2022 von Assetmanagern beträchtliche Summen eingeworben worden, die im laufenden Jahr noch investiert werden möchten.

Das Thema «Effizienzsteigerung» zieht

Startups mit soliden, «sehr handfesten» Geschäftsmodellen haben gemäss den Experten weiterhin gute Chancen, ausreichend Investorengelder anzuziehen. Bevorzugt werden hierbei Jungfirmen, die Lösungen entwickelt haben, mit denen sich entweder rasch Einsparungen vornehmen lassen oder mit denen sich Effizienzsteigerungen ergeben. Als attraktive Branchen beziehungsweise Themen gelten IT, Fintech, Biotech, Medtech und Cleantech.

Eine ständige Herausforderung ist das Thema Timing – man kann bei Startup-Finanzierungen auch zu früh sein. Legendär ist die TMT-Blase von 2000/2001. Einige heute dominierende Big Techs wie Google und Amazon überlebten die damalige Baisse. Weitere wie die Social-Media-Plattformen entstanden erst später. Aber auch bei Cleantech gab es eine ähnliche Entwicklung. Ausgerechnet Kleiner Perkins, seit der Gründung 1972 führend beim Risikokapital, hatte zwischen 2006 und 2008 Fonds für Cleantech-Investments aufgenommen. Die spätere Entwicklung war ernüchternd – und von diesen Fehlschlägen hatte sich Kleiner Perkins seither nicht mehr erholt.

 

Keine gute Zeit für Börsengänge

Und auch das IPO-Zeitfenster ist derzeit praktisch geschlossen. Der Rückgang der Börsengänge – sie bilden die logische Fortsetzung und den Abschluss der «echten» Risikokapitalphase – setzt sich im laufenden Jahr fort. 2021 hatten noch elf Firmen den Sprung an die Börse geschafft, 2022 waren es noch fünf gewesen. Der Blick auf die Aktienpreise seit den IPO spiegelt das ungünstige Makro-Klima – die Notierungen liegen zwischen 50 und 80 Prozent unter dem Emissionswert.