Die Arbeitslosigkeit in der Schweiz ist auf einem Rekordtief. Im Februar lag sie bei 2,1 Prozent. Zuletzt war das vor 22 Jahren der Fall, im Februar 2001, als sie bei 1,8 Prozent lag. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Arbeitslosigkeit im Februar um 16,5 Prozent. Gleichzeitig vermeldet das Bundesamt für Statistik rund 100 000 offene Stellen.

Wie sehr der Mangel an Arbeitskräften gerade auch kleinen und mittleren Betrieben (KMU) Sorgen bereitet, zeigt eine aktuelle Umfrage des Personalberaters Michael Page in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsunternehmen Marketagent bei 502 Schweizer KMU.

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Offene Stellen sind das Hauptproblem

Für 30 Prozent der KMU ist die Rekrutierung von Kandidaten und Kandidatinnen für bereits existierende offene Stellen das wichtigste Ziel im Bereich Human Resources (HR). Es folgen die Verbesserung der Gesamtqualifikation des Personals (15 Prozent), die Verbesserung der Diversität (14 Prozent) und die Rekrutierung für neu geschaffene Stellen (12 Prozent).

78 Prozent der Unternehmen haben mässige oder erhebliche Schwierigkeiten, die offenen Stellen zu besetzen. Yannick Coulange, Managing Director von Michael Page Schweiz: «Die Studie zeigt: Je kleiner das Unternehmen, desto schwieriger ist die Situation bei der Rekrutierung: 40 Prozent der Kleinstunternehmen (1 bis 9 Beschäftigte) geben an, grosse Schwierigkeiten zu haben, verglichen mit kleinen Unternehmen (10 bis 49 Beschäftigte/26 Prozent) oder mittleren Unternehmen (50 bis 249/22 Prozent).

Wo es konkret hakt: 37 Prozent nannten die mangelnde Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber für die ausgeschriebenen Stellen als grösstes Problem. 27 Prozent hatten Schwierigkeiten, die Gehaltsvorstellungen zu erfüllen. und 18 Prozent hatten Probleme, die Erwartungen an die Flexibilität der Arbeitsweise, beispielsweise ein Arbeiten im Homeoffice, zu erfüllen.

«Hinzu kommt, dass gerade kleine Unternehmen mit internen Problemen zu kämpfen haben. Sie haben häufig nicht genügend Ressourcen, weder ausreichend Zeit noch das notwendige Budget für einen gut organisierten Rekrutierungsprozess», so Coulange. Dabei spiele auch eine Rolle, dass viele kleine Unternehmen keine dezidierte Personalabteilung besitzen: Nur 16 Prozent der befragten Personen waren in einer HR-Funk-tion tätig. Bei den für die Einstellung entscheidenden Personen handelt es sich oft um Personen mit einem generalistischen HR-Hintergrund. Sie sind Mitglieder der Geschäftsleitungen (29 Prozent), arbeiten in Finanzabteilung oder Verwaltung (14 Prozent), sind Leitende anderer Abteilungen (26 Prozent) oder in einem anderen Bereich tätig (15 Prozent).

Vorteile besser kommunizieren

Dabei haben KMU durchaus ihre Vorteile: «32 Prozent nannten eine freundliche Arbeitsatmosphäre und 16 Prozent eine relative Flexibilität als Vorteile für die Arbeit in einem KMU. Aber diese Vorteile werden leider häufig nicht gut kommuniziert», weiss Coulange.

Die mangelnde Kompetenz im HR-Bereich und die Belastung mit anderen Aufgaben führen zu Problemen: mangelnde Übereinstimmung zwischen Stellenausschreibung und Stellenanforderungen (24  Prozent), wenig Zeit für den Einstellungsprozess (22 Prozent) und ein Strategiemanko (20 Prozent) erschweren die Personalbeschaffung (20 Prozent). Das Fehlen geeigneter Instrumente und Software für die Personalbeschaffung war das als am geringsten taxierte Problem (13 Prozent).

Um die Situation zu meistern, wollen die KMU investieren: 29 Prozent haben ihre Einstellungsbudgets zwischen 2022 und 2023 erhöht, während 52 Prozent ihre Einstellungsbudgets stabil halten.

Yannick Coulange
Quelle: ZVG

«Outsourcing ist die günstigste Lösung»

 

Was können KMU tun, um die Rekrutierung zu verbessern?

Das kommt jetzt wahrscheinlich nicht überraschend: Sie sollten sich an Experten und Expertinnen wenden, um die Rekrutierung professionell anzugehen.

 

Was sich kleine Unternehmen meist nicht leisten können.

Outsourcing ist die günstigste Lösung. Natürlich kostet das Geld. Anderseits berechnet doch niemand, wie teuer es für das KMU ist, eine Stelle unbesetzt zu lassen. Beispielsweise weil wichtige Projekte dadurch verzögert werden oder die Strategie nicht entsprechend umgesetzt werden kann. Das vergessen leider viele Unternehmerinnen und Unternehmer.

 

Mit welchen Kosten ist zu rechnen?

Das kommt immer ganz auf den Umfang der Beratungsleistung an. Wichtig für KMU ist im Prozess, dass sie unterstützt werden bei der Definition der Vorteile und Werte ihrer Firma, der sogenannten Employer-Value-Proposition. Die Kandidatinnen und Kandidaten wollen mit einem guten Storytelling zum Unternehmen überzeugt werden. Das ist häufig wichtiger als ein etwas höheres Gehalt.

 

Ist Diversity bereits ein wichtiges Thema für KMU?

Ja, das ist es, und es ist eine grosse Chance. Nicht nur in Bezug auf Geschlecht, Herkunft oder Alter. Die Diversität der Profile erweitert das Potenzial an Kandidatinnen und Kandidaten. Auch wenn eine bestimmte Ausbildung oder Erfahrung sich in der Vergangenheit für eine Rolle bewährt hat, heisst es nicht, dass Personen mit einer anderen Ausbildung nicht auch erfolgreich sein können.

 

Aber eventuell weniger erfolgreich?

Nicht unbedingt. Natürlich gilt es, gewisse Hindernisse zu überwinden. Etwa bei der Integration von neuen Mitarbeitenden mit ungewöhnlichen Kompetenzprofilen ins Team und bei der Schulung für die neue Aufgabe. Aber gleichzeitig bringen sie ganz neue Sichtweisen ein, die das KMU noch erfolgreicher machen können.

 

Was können KMU noch tun, um attraktiver zu sein?

Flexibles Arbeiten, gezielte Weiterbildung und angemessene Benefits sind für KMU heute ein Muss. Ein KMU, das diesen Weg nicht mitgeht, schränkt sich enorm ein in der Möglichkeit, attraktive Arbeitskräfte zu finden.

 

Interview: Florian Fels