Der Lebensmittel- und Getränkesektor wird zunehmend unter die Lupe genommen, was seine ökologischen und sozialen Auswirkungen betrifft. Das Ernährungssystem ist für etwa einen Drittel der globalen Treibhausgasemissionen (THG), für 80 Prozent der weltweiten Entwaldung, für 70 Prozent des Süsswasserverbrauchs und für 70 Prozent des Verlusts an terrestrischer biologischer Vielfalt verantwortlich. Die Food System Economics Commission 2024 kam zum Schluss, dass die nicht erfassten Kosten, die das derzeitige Ernährungssystem den Menschen und dem Planeten auferlegt, auf 15 Billionen Dollar pro Jahr geschätzt werden, was 12 Prozent des globalen BIP im Jahr 2020 entspricht. Daher sind Agrar- und Lebensmittelunternehmen gefordert, ihre Geschäftsmodelle umzugestalten, um sie widerstandsfähiger und nachhaltiger zu machen.
Ariane Dehn, Country Head Switzerland bei BNP Paribas Asset Management, Zürich
Der grösste Teil der Auswirkungen geht über die direkte Geschäftstätigkeit der Unternehmen hinaus: Die Emissionen in der Lieferkette (Scope 3) sind im Durchschnitt elfmal höher als die eigenen betrieblichen Emissionen der Lebensmittelherstellung. Bei den grossen Lebensmittel- und Getränkeherstellern stammen rund 90 Prozent der Gesamtemissionen in Scope 3 aus der Beschaffung, Verpackung und dem Transport von landwirtschaftlichen Rohstoffen. Weiterhin führt die Produktionskette zu Verlust bei der Biodiversität und zu Verschmutzung durch Plastik, verbunden mit Bedenken hinsichtlich der öffentlichen Gesundheit. Diese Aspekte und die Frage, wie Firmen zukünftig mit solchen Auswirkungen und den damit verbundenen Risiken umgehen, geraten zunehmend in den Fokus der institutionellen Anleger.
Fazit und Implikationen für Anleger
Mit Blick auf den Lebensmittel- und Getränkesektor rücken für Investoren laut der «ESG Survey 2025» drei Themenfelder ins Zentrum. Erstens: Land Stewardship mit Schwerpunkt auf Entwaldung und regenerativer Landwirtschaft. Zweitens: die Verwendung von Materialien, insbesondere Verpackungen. Und drittens: gesunde Produkte, die ernährungs- und gesundheitsorientierte Konsumtrends widerspiegeln. Für Anleger bedeutet das, einige relevante Aspekte genau unter die Lupe nehmen zu müssen. So ist beispielsweise die Bewertung der skizzierten Nachhaltigkeitsherausforderungen – Landbewirtschaftung, Materialverbrauch und gesunde Produkte – entscheidend für die Bestimmung der langfristigen Investitionsthese eines Lebensmittel- und Getränkeunternehmens. Wenn sich nun die Verbraucherpräferenzen ändern, die Umweltvorschriften weiter verschärfen und klimabedingte Risiken auftreten, werden die Unternehmen, die ihre Hausaufgaben gemacht haben, um ihre Geschäftstätigkeit an Nachhaltigkeitsprinzipien auszurichten, in einer stärkeren Position sein, um die Volatilität zu bewältigen, Kosten zu senken und neue Marktchancen zu nutzen.
Das proaktive Management von ESG-Themen im Lebensmittel- und Getränkesektor ist zudem ein Markenzeichen von Branchenführern. Unternehmen, die Scope-3-Emissionen effektiv angehen, ihre Umweltbelastung reduzieren und sich an den Erwartungen der Verbraucher orientieren, dürften langfristig besser wachsen als Mitbewerber, welche in diesen Themen hinterherhinken, da sich die Verbraucher zu nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Produkten hingezogen fühlen.
Investoren können Einfluss nehmen
Für Anleger ist die Integration dieser ESG-Überlegungen und Nachhaltigkeitsfaktoren in die Anlageanalyse unerlässlich, um fundierte und zukunftssichere Anlageentscheidungen zu treffen. Besonders im Lebensmittel- und Getränkesektor wird der Fokus zunehmend auf Themen wie ökologischer Fussabdruck, gesundheitliche Auswirkungen und Praktiken in der Lieferkette gesetzt. Dort können Investoren durch ihren Einfluss bei der Förderung von Transparenz und Fortschritt dazu beitragen, dass sich die Branche im Einklang mit den globalen Klimazielen, den neuen Vorschriften und den Gesundheits- und Wellnessanforderungen ihrer Verbraucher weiterentwickelt.
Anleger können auch eine transformative Rolle spielen, indem sie sich für die Unternehmensführung und die politische Interessenvertretung einsetzen, um Unternehmenspraktiken und Regierungsrichtlinien neu zu gestalten. Durch die aktive Zusammenarbeit mit Unternehmen, durch Aktionärsanträge, Stimmrechtsvertretungen oder den direkten Dialog können Anleger mehr Transparenz, Rechenschaftspflicht und Ehrgeiz fördern. Dieser Einfluss kann nicht nur auf Unternehmensebene, sondern in der gesamten Branche zu Verbesserungen führen und die Übernahme weltweit anerkannter Best Practices und das Engagement für ehrgeizige Ziele fördern.