Hinterlassene Müllberge aus Plastikflaschen, zerstörte Umweltzonen, Wohnungsnot oder regionale Arbeitskräfte, die unter unfairen Bedingungen schuften müssen – Tourismus war schon immer auch mit negativen Auswirkungen auf die Umwelt und lokale Gemeinschaften verbunden. Doch das kann in einer Welt, in der Ressourcen knapp werden, die Akzeptanz der Bevölkerung wichtig ist und der Klimawandel den natürlichen Lebensraum immer weiter in Mitleidenschaft zieht, kein Dauerzustand bleiben. Und genau darum gewinnt ein neuer Ansatz an Bedeutung: der regenerative Tourismus. Dieser bietet nicht nur eine schadensbegrenzende Strategie, sondern strebt aktiv an, die bereisten Gebiete zu verbessern und zu revitalisieren. «Nachhaltig heisst, Schaden zu begrenzen, regenerativ bedeutet, Orte messbar zu stärken – ökologisch, sozial, kulturell und wirtschaftlich», sagt Dominik Isler, Co-Initiator der Regenerative Tourism Initiative. «Regenerativer Tourismus fördert langsames, qualitativ hochwertiges Reisen, die lokale Wertschöpfung, den Einbezug von heimischer Kultur und biodiverser Landschaften.»
Es braucht jetzt Investitionen
Regenerativer Tourismus zielt darauf ab, Reiseziele so zu gestalten und zu managen, dass sie im Laufe der Zeit eher aufblühen als abnehmen. Und das braucht Einsatz auf allen Ebenen. «Niemand sollte dies unterschätzen: Regenerativ ist kein Öko-Zuckerguss, sondern ein Investment in Resilienz und ein Ansatz zum Verändern von Destinationen», so der Experte. «Klar ist das heute noch ein Early-Adopter-Thema, aber hoffentlich sind wir auf dem Weg in den Mainstream.» Mit der Regenerative Tourism Initiative werden Kompetenz und Sichtbarkeit aufgebaut. Dazu Isler: «2025 haben wir dies insbesondere durch eine neuartige Konferenz, die Moverence, erreicht. Bereits 2026 sollen neue Elemente hinzukommen, etwa ein Award, eine Allianz (mit einem Label), Open-Access-Tools und eine erweiterte Moverence.» Dazu kommen Peer-to-Peer-Learning und Impact-Storytelling – alles aus Luzern heraus und dort verankert. Auf der Moverence im März 2025 konnten die Besucher Beispiele aus der Schweiz kennenlernen, die bereits weit über das Thema Nachhaltigkeit hinausdenken, wenn es um den hiesigen Tourismus geht. Projekte wie die Unesco-Biosphäre Entlebuch oder das Culinarium Alpinum in Stans. «Als Initiative propagieren wir gemeinsam mit unseren Partnern einen Ansatz für das Reisen, der anders ist und Mut braucht», sagt Isler. «Doch dieser Wandel ist dringend nötig, denn der Tourismus sägt in mehr als einer Hinsicht am Ast, auf dem er sitzt.» Man muss aber auch sagen, dass man in der Schweiz schon sehr viel Gutes umsetzt, auch wenn es eben nicht immer regenerativ genannt wird.
Touristen haben es selbst in der Hand
Doch können und wollen Gäste wirklich auch zur Regeneration einer Urlaubsdestination beitragen? Oder geht es nur um ein kurzfristiges Vergnügen, ohne sich viel Gedanken über das «Danach» zu machen? Dazu der Experte: «Ja, Gäste können viel mehr, wenn denn ein attraktives Angebot sie führt: länger bleiben, regional einkaufen, an Projekten mitwirken, sich kulturell austauschen, Brücken schlagen.» Und wenn Gastgeber Anreize setzen, im Urlaub nach dem Prinzip «Besser statt mehr» zu leben. So kann sogar die Erneuerung natürlicher Ressourcen aktiv unterstützt werden. Und zwar durch Angebote und Produkte, die unmittelbar und durch die Beschaffungsketten die Pflege und Wiederherstellung finanzieren, wie eben auch durch eine bewusste Lenkung der Besucherflüsse hin zu Qualität statt Volumen oder, indem man lokale Kreisläufe schliesst – vom Acker bis zur Küche.
Es ist jedoch keine leichte Aufgabe, regenerative Tourismuspraktiken umzusetzen. «Es existieren Bremsen inunseren Köpfen, aber auch ganz real: bestehende Vorstellungen von Tourismus, alte Volumenlogiken, fragmentierte Zuständigkeiten, fehlende Nachweise», betont Isler. «Um diese Herausforderungen zu überwinden, ist es wichtig, Koalitionen zu bilden und in der Sprache der Entscheiderinnen und Entscheider zu sprechen.» Die Dokumentation erfolgreicher Beispiele hilft ebenfalls, diesen Weg zu ebnen. «Wenn wir das lange und intensiv genug tun, wird die Wende kommen», ist sich Isler sicher.
Sensibilisierung der Reisenden
Ein zentraler Aspekt des regenerativen Tourismus ist die Sensibilisierung und Bildung der Reisenden. Laut Isler lautet das Erfolgsrezept: «Erst das Angebot, dann die Nachfrage. Wir benötigen erlebnisbasierte Lernorte wie zum Beispiel unsere Moverence, klare Produkte, starke Geschichten und ein Label, dem man vertraut. So verschiebt und verändert sich das Angebot, ohne dass der Zeigefinger zum Einsatz kommt.» So können Reisende auf nachhaltige Weise aufgeklärt und zur Veränderung ihres Verhaltens angeregt werden.
Und der Erfolg ist dabei nicht nur sichtbar, sondern muss auch messbar sein. Projekt-KPIs wie Biodiversitätsflächen, lokale Wertschöpfung oder Verweildauer sind einige Möglichkeiten. Dazu Isler: «Entscheidungsträger fordern zu Recht Evidenz. Regenerative Massnahmen wirken langfristig, das entspricht aber nicht dem Zeitgeist. Nichtsdestotrotz ist es unser Ziel, auch im Bereich der Accountability Werkzeuge zu entwickeln – gemeinsam mit unserer Community und den Partnern.»
Und ein Umdenken wird immer zentraler. «Sustainable war vor zehn Jahren ‹fringe›, heute ist es Standard», so Isler. «Regenerativ ist die nächste Kurve. Wer heute investiert und sich engagiert, führt morgen den Markt – mit besseren Angeboten und stabilen Erträgen.» Der Wandel muss sicherlich zuerst auf Angebotsseite erfolgen, in einem zweiten Schritt werden Reisende dann nachziehen – ob sie wollen oder müssen, wird sich zeigen.