Der erste Staudamm in der Schweiz wurde bereits im 19. Jahrhundert gebaut: die Staumauer der Mageren Au im Kanton Freiburg. Im Laufe der Zeit folgten viele weitere. Anfang der 1970er-Jahre stammten fast 90 Prozent der hiesigen Stromproduktion aus Wasserkraft. Durch die Einführung der Kernkraftwerke nahm dieser Anteil jedoch stark ab und liegt heute bei etwa 60 Prozent. Aktuell gibt es immer noch über 222 grosse Talsperren und rund 1000 kleinere Stauanlagen, die weiterhin die Wasserkraftnutzung im Land sicherstellen. Dennoch ist das kein Freifahrtschein, mit der Ressource achtlos umzugehen. Das wissen auch die Verantwortlichen rund um das hiesige Wassermanagement.
«Grundsätzlich umfasst Wassermanagement sämtliche Massnahmen zur nachhaltigen Nutzung, zum Schutz und zur Verteilung von Wasserressourcen», erklärt Vivian Hauss, Leiter von Bluehub und Kernteammitglied bei der Interessengruppe der Wasserfachleute 4 Aqua. «Demnach Themen wie Wasserbewirtschaftung, Wasserqualität, Hochwasserschutz und Starkniederschläge, aber auch Trinkwasser und Bewässerungsversorgung sowie Abwasserentsorgung.» Seit 1848 sind der Schutz und die haushälterische Nutzung der Wasservorkommen in der Bundesverfassung verankert. Der Artikel 76 verpflichtet den Bund, Grundsätze für Gewässerschutz, Wasserbau und Restwassermengen festzulegen. Somit ist Wasser ein verfassungsrechtlich geschütztes Gut. Doch wer stellt den Schutz eigentlich sicher?
Aktuell ist die Zuständigkeit im Wassermanagement föderal organisiert. Dazu Hauss: «Der Bund setzt die gesetzlichen Rahmenbedingungen wie Gewässerschutzgesetz und Trinkwasserverordnung um, betreibt nationale Monitoringprogramme und fördert Forschung sowie überregionale Strategien.» Die Kantone hingegen sind für den Vollzug der Bundesgesetze verantwortlich. Sie bewilligen Wasserentnahmen, koordinieren Schutzmassnahmen und führen kantonale Strategien und Programme durch. Und die Gemeinden sind zuseine ständig für die operative Umsetzung: Sie betreiben Wasserversorgungen, Abwasseranlagen, lokale Schutzbauten und sind erste Ansprechpartner für die Bevölkerung.
Die Herausforderungen nehmen zu
Trotz ihrer privilegierten Lage als «Wasserschloss Europas» steht die Schweiz jedoch zunehmend vor Herausforderungen im Wassermanagement. «Die räumliche Dimension zeigt sich in der Verantwortung gegenüber umliegenden Staaten wie Frankreich, Deutschland und Italien, die auf den Abfluss aus Schweizer Einzugsgebieten angewiesen sind», so der Experte. «In der Nutzung konkurrieren Landwirtschaft, Trinkwasserversorgung, Industrie, Energieproduktion und die Natur um dieselbe Ressource – mit saisonal und regional stark variierenden Bedürfnissen.» Denn lokal und zeitlich verändern sich die Muster der Wasserverfügbarkeit: Trockenperioden nehmen zu, während Schneeschmelze und Gletscherrückgang die saisonale Wasserführung verschieben. Und die Lage ist dringlich. So sagte ETH-Professor Daniel Farinotti im Frühling dieses Jahres in einem Interview, dass es «bis 2100 keine Gletscher mehr geben könnte, wenn der Treibhausgasausstoss nicht bald sinkt». Denn auch wenn es nicht für alle sichtbar ist, ist die Schweiz extrem stark vom Klimawandel betroffen. Und uns geht das Wasser aus. Dazu der Experte: «Obwohl sich die Niederschlagsmenge gesamthaft nicht verändert, nehmen Trockenperioden bereits heute zu, während Schnee- und Gletscherschmelze früher einsetzen und weniger Wasser im Sommer zur Verfügung steht. Die aktuellen Klimaszenarien zeigen, dass sich diese Trends verstärken werden.» Und das hat Auswirkungen auf alle Wasserressourcen, unter anderem aufs Trinkwasser.
Aktuell bezieht die Schweiz über 80 Prozent ihres Trink- und Brauchwassers aus Grundwasser. «Trinkwasser ist öffentliches Gut und unterliegt der nationalen Lebensmittelgesetzgebung und der Trink- und Badewasserverordnung», so Hauss. «Ein zentraler Grundsatz ist die systematische Kontrolle (HACCP), bei der jede Wasserquelle mindestens zweimal jährlich geprüft wird.» Wasserversorgungen müssen jährlich über die Wasserqualität informieren, entweder über eigene Publikationen oder über die Plattform Trinkwasser.ch. Das Gewässerschutzgesetz (GschG) reguliert zudem die Einleitung von Abwässern in Gewässer. Die Kantone set-zen diese Vorschriften um, wodurch regionale Unterschiede in der Praxis entstehen. Grosse Einrichtungen wie Kläranlagen müssen strenge Vorschriften erfüllen, während diffuse Quellen, etwa aus der Landwirtschaft, durch Vorsichtsmassnahmen und Monitoring kontrolliert werden. Fachverbände unterstützen dabei, aktuelle technische Standards sicherzustellen. Für den Schutz des Grundwassers gibt es weitere Massnahmen: Grundwasserschutzzonen schützen bestehende Trinkwasserfassungen, Grundwasserschutzareale dienen der künftigen Trinkwassernutzung, und Zuströmbereiche dienen als Schadstoffabwehr in Zuflussgebieten von Grundwasserbrunnen.
Aufmerksamkeit schaffen
Und auch wenn die Verantwortung für das Wassermanagement in föderalen Händen liegt, gilt es für jeden, Wasser nicht mehr als für immer gegeben anzusehen. Auch wenn das idyllische Bild der vielen Bergseen anderes suggeriert. Doch Bilder wie vor einigen Monaten, auf denen die Boote am Bodensee auf dem Trockenen lagen und sich schlammige und sandige Uferstreifen über Kilometer erstreckten, sind eindrückliche Warnzeichen. Es braucht nun aktives Eingreifen und Ideen. Aussergewöhnliche Ideen wie beispielsweise das Projekt «Wasserecho 2050». Eine Langspielplatte, auf der junge Berufsleute aus der Wasserbranche ihre Visionen für das Jahr 2050 teilen und zeigen, wie die Siedlungsentwässerung der Zukunft aussehen könnte.