Die gesamte Landwirtschaft inklusive Lebensmittelherstellung ist – je nach Schätzung – für 21 bis 37 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Hier werden mit CO₂, CH₄ (Methan) und N₂O (Lachgas) gleich die drei wirksamsten Treibhausgase «produziert». Hinzu kommen weitere grosse Belastungen: Knapp ein Drittel der Lebensmittelproduktion wird laut einem Bericht des Beratungsunternehmens McKinsey jedes Jahr verschwendet beziehungsweise verdirbt vor der Zubereitung. Das allein trägt 8 bis 10 Prozent zu den Emissionen bei und vergrössert zusätzlich die Unsicherheiten bei der Nahrungsmittelversorgung.

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Laut McKinsey zeichnen sich zwei Veränderungsrichtungen ab: einerseits bei den Nahrungsmitteln selbst, bei denen der Wechsel von der tierischen auf die pflanzenbasierte Proteinproduktion eine grosse Hebelwirkung aufweist. Und anderseits gibt es hier eine Vielzahl an technologischen Möglichkeiten, die Treibhausgasemissionsmenge deutlich zu reduzieren. Die grösste Hebelwirkung haben Massnahmen, bei denen der Verbrauch von Futter, Saatgut und Düngemitteln optimiert, der Abbauprozess von Gülle durch Bakterien emissionsärmer gestaltet und der Verbrauch fossiler Energieträger reduziert wird. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Ansätze zu Verbesserungen – und damit ein sprichwörtlich interessantes Feld, das Startups beackern können.

 

Zertifikate «wachsen» auf dem Acker

Wie beispielsweise die Firma Agreena mit Sitz im dänischen Kopenhagen. Agreena bietet laut eigenen Angaben eine Bodenkohlenstoffplattform für Landwirte zur Quantifizierung, Messung und Berechnung der Treibhausgasreduzierung und des Kohlenstoffabbaus auf der Grundlage ihrer Umstellung auf regenerative Landwirtschaftsmethoden an. Mithilfe einer am Internationalen Klimapanel (IPCC) ausgerichteten Methodik in Verbindung mit einer Verifizierung durch Dritte, die unter den weltweit grössten Standard für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt, Verra VCS, fällt, generiert das Unternehmen Gutschriften für den Kohlenstoffabbau im Boden, die an Unternehmen verkauft werden, welche ihre Emissionen ausgleichen möchten.

Agreena erhält seine Einnahmen aus einer Dienstleistungsgebühr und einer Ausgabegebühr von 15 Prozent. «Neben seiner führenden Position als Europas grösste Bodenkohlenstoffplattform, die in 18 Ländern tätig ist und mehr als 1 Million Hektar verwaltet, hat Agreena vor kurzem die weltweit führende Fernerkundungs- und Satellitenbildtechnologie für regenerative Landwirtschaft erworben», sagt eine Sprecherin. Diese soll es dem Unternehmen ermöglichen, Regierungen, Unternehmen und Lieferketten mit digitaler Überwachung, Messung, Berichterstattung und Verifizierung (MRV) weiter zu unterstützen.

Agreena bezeichnet sich als ein Unternehmen in der Wachstumsphase, das von führenden europäischen Investoren wie Kinnevik, HV Capital, Giant Ventures und Aenu unterstützt wird. Für die Zukunft gibt man sich bei der Firma optimistisch. «Agreena hat aggressive und ehrgeizige Pläne, über Europa hinaus zu expandieren und sich als weltweit führender Anbieter von Climate-Tech-Lösungen und -Plattformen für regenerative Landwirtschaft und Kohlenstoffintelligenz im Lebensmittel- und Agrarökosystem zu etablieren.»

 

Renaturierte Wälder mit neuen Erträgen

Das Startup Klim mit Sitz in Berlin zielt in eine ähnliche Richtung und verweist darauf, dass ein Drittel der Belegschaft in einem landwirtschaftlichen Umfeld aufgewachsen war. Die Agritech-Plattform, die sich 2022 im Rahmen einer Seed-Finanzierungsrunde 6,5 Millionen Euro gesichert hat, bietet Landwirtinnen Dokumentations- und Finanzierungsmöglichkeiten für regenerative Massnahmen sowie den Zugang zur Community und zu Wissen an. Die Felder sollen klimaresilienter werden, man will der Atmosphäre CO₂ entziehen und die Landwirtschaft dekarbonisieren.

Auch bei Biotara mit Sitz in Paramaribo im südamerikanischen Surinam kombiniert man mehrere Anliegen: Hier stellt man Öle, die Vorprodukte für die Kosmetikindustrie sind, auf nachhaltiger und klimapositiver Basis her. Bei diesem Franchisemodell sollen jeweils 40 000 Hektaren Regenwald, die ihrerseits 3,2 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr absorbieren, geschützt und gleichzeitig als Herstellungsgrundlage für die Öle genutzt werden.

Terraformation geht in eine ähnliche Richtung. Das US-Unternehmen mit Sitz auf Hawaii bezeichnet sich als ersten «biodiversitätsfokussierten karbonbasierten Wald-Accelerator». Spezialisierte Fachkräfte bauen hier artenreiche Wälder neu auf beziehungsweise renaturieren bestehende. Diese sollen dann über den Verkauf von Karbonzertifikaten zusätzliche Einnahmen erwirtschaften. Wer hier den raschen Exit sucht, liegt falsch: Die neu aufgebauten Wälder sollen über einige Generationen hinweg bestehen, der Nutzen für die Besitzerinnen und Besitzer und den Rest der Welt erstreckt sich über Zeiträume von dreissig und mehr Jahren.

Mehr mit viel weniger

Klimawandel, Wasserknappheit, ausgelaugte Böden, Artensterben – die Landwirtschaft und damit die Nahrungsmittelherstellung für die Menschheit steht vor gewaltigen Herausforderungen. Laut Analystenschätzungen muss in den kommenden fünfzig Jahren mehr Nahrung produziert werden als in den vergangenen 10 000 Jahren. Laut den Analystinnen und Analysten von Lombard Odier wird die kommende Umstellung 95 Prozent des Anlageuniversums betreffen. Bis 2050 soll beispielsweise der Anteil an «grünem» Strom von heute 20 auf 70 Prozent steigen. Der Landverbrauch für die Agrarwirtschaft soll bis zu diesem Zeitpunkt um einen Drittel gesenkt werden, auch um Flächen für den Artenschutz zu gewinnen. Innerhalb von zehn Jahren soll der Materialverbrauch um 28 Prozent reduziert werden – und mittelfristig werden auch hier Carbonemissions-Kompensationsprojekte eine Wirkung entfalten.

Auch kleine Faktoren sind wichtig. So benötigen drei Viertel der Getreidesorten Bienen für die Bestäubung – andernfalls wächst da nur wertloses Stroh heran. Die Bienenpopulationen sind aber unter Druck. Monokulturen, Pestizide und Insektizide, Milben und Parasiten sowie die Urbanisierung und die damit verbundene Reduktion der Lebensräume machen den Tieren zu schaffen. Hier entstehen deshalb Startups, die entweder die Lebensgrundlagen für Bienen verbessern möchten, ihre Wirkung mit digitalen Mitteln überwachbar machen und teilweise technologische Ersatzvarianten, etwa in Form von Kleindrohnen, entwickeln.

Drohnen gelten als attraktive Basistechnologie für weitere, darauf aufbauende Systeme in der nachhaltigen Landwirtschaft: Sensoren unterstützen die Überwachung des Pflanzenwuchses und des Wasserverbrauchs, sie entdecken Schädlingsbefall, und sie sollen, in Kombination mit weiteren Technologien, auch das Ausbringen der Insektizide optimieren. «Precision Farming», also das präzise Aufeinanderabstimmen von Böden, Saatgut und Dünger, gilt als eines der Schlagworte – und ein Zugang für Startups, die Technologien, physikalische und biologische Lebensgrundlagen untereinander verbinden und optimieren möchten. (mn)

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Dieser Artikel ist im Rahmen der NOAH-Konferenz entstanden, eine digitale und physische Plattform für digitale Champions und Marktführer im Bereich Nachhaltigkeit.