Aussichtsplattform Messner Museum

Die Welt von oben

Von Susanne Wagner, Pirmin Schilliger und Barbara Bachmann
am 21.02.2019 - 09:09 Uhr

Die Aussichtsplattform des Messner Mountain Museums.

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Südtirol bietet Besuchern überraschende Kulturlerlebnisse, Luxusurlaub auf hohem Niveau und innovatives Design.

Gleich nach dem schmalen Eingang wird es spektakulär – fast wie in einer Tropfsteinhöhle: Je weiter man im Messner Mountain Museum die Treppe nach unten steigt, desto mehr weitet sich der Blick und vergrössert und erhellt sich der Raum nach hinten. Die wie Gletscherspalten gestalteten Lichtlinien an der Decke führen den Blick und den Besucher in die unteren Räume ans Licht, wo die grossen Fenster den Blick auf die Berge freigeben. Es sind ganz besondere Gipfel, die im Leben des Extrembergsteigers Reinhold Messner eine entscheidende Rolle gespielt haben. Etwa der Sas de Pütia oder die Marmolata, die höchste Berggruppe der Dolomiten.

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Zunächst weiss man als Besucher gar nicht, wohin den Blick wenden: zu den Fenstern mit Sicht auf die atemberaubende reale Bergwelt oder zu ihren Ebenbildern auf den Gemälden oder den Vitrinen mit den Exponaten zur Geschichte des Alpinismus. Diese Spiegelung des Themas in der Umgebung und umgekehrt ist durchaus gewollt und gehört zum Konzept aller sechs Messner-Mountain-Museen. Das jüngste, im Jahr 2015 eröffnete Corones auf dem Kronplatz-Gipfelplateau auf 2275 Metern über Meer widmet sich den grossen Wänden und dem traditionellen Alpinismus.

Verschmolzen mit dem Berg

Gleichzeitig ist es ein architektonischer Wurf: Das mutige Gebäude trägt die Handschrift der Stararchitektin Zaha Hadid. Das Museum ist gleichsam in den Berg hineingebaut und verschmilzt fast mit der Natur. Einzig der Eingang und auf der Rückseite die drei monitorartigen Panoramafenster und die futuristische Aussichtsterrasse ragen aus dem Berg heraus. Der Körper des Museums liegt im Inneren des Bergs und ist vergleichsweise kleinflächig. Er wirkt aber viel grosszügiger durch den raffiniert angelegten Innenraum, der mit Treppen, Rampen, Balkonen und Ebenen spielt.
Grosse Wände – das Thema widerspiegelt sich ein weiteres Mal im Innern des Baus. Die höhlenartigen Räume sind mit massgefertigten Betonschalen ausgekleidet, von denen sich jede in Grösse und Form von der anderen unterscheidet. Wie die rund geführten Handläufe der Rampen sind die Wände aus Sichtbeton, der sich seidenweich und erstaunlich warm anfühlt. Die gewagte und doch Geborgenheit vermittelnde Innenausstattung stellte die Bespielung des Museums jedoch vor einige Probleme: «Das Gebäude hat kaum rechte Winkel. Dies war eine Herausforderung, um die Bilder zu hängen», sagt Magdalena Messner (30), Direktorin der Messner Mountain Museen. Reinhold Messners Tochter hat das Corporate Design des Hauses entworfen sowie Veranstaltungen und die Location-Vermietung ins Leben gerufen.

Gemeinsam mit ihrem Vater hat Magdalena Messner das Museum eingerichtet, was sie rückblickend als «harte, aber gute Schule» bezeichnet. Originalgegenstände wie Seile, Hammer, Haken, Helme und Schuhe von Bergsteigerpionieren erinnern an spektakuläre Erstbesteigungen, geben Einblicke in die Geschichte der Sicherungstechnik am Berg und eine Rückschau auf 250 Jahre Bergsteiger- und Klettergeschichte. Gemälde aus der Romantik bis in die Gegenwart geben die Sicht von bildenden Künstlern auf die Berge wieder. Teilweise grossformatige Fotos aus der Luft würdigen die waghalsigen Kletterer der heutigen Zeit.

 
Messner Mountain Museum
Foto: Christian Grund
Foto: Christian Grund
«Alles, auch die Berge existieren erst einmal nur in Gedanken.»

Magdalena Messner

 

Magdalena Messner ist Kunsthistorikerin und nach eigenen Aussagen keine Extrembergsteigerin. Ihr Lieblingsraum im Museum ist die poetisch anmutende Zwischenebene mit drei schlichten Bergskulpturen aus Gips. Die Bücher, die sie beherbergen, verweisen auf den philosophischen Hintergrund der Ausstellung, der Magdalena Messner wichtig ist und sich durch das ganze Gebäude zieht: «Alles, auch die Berge existieren erst einmal nur in Gedanken. Erst dann kommt die Umsetzung der Besteigung – wenn überhaupt. Man kann auch nur davon träumen, das kann genauso real sein.»

Zur ruhigen Atmosphäre der Zwischenebene tragen zwei in der Bildsprache sehr reduzierte Gemälde von Peter Fellin mit dem Titel «The Inner Mountains» bei. Magdalena Messner betont, dass das Museum für sie auch ein Ort des Rückzugs und der Entschleunigung sei – besonders im Winter, wenn sich an guten Tagen bis zu 20 000 Skibegeisterte auf dem Gipfel des Kronplatzes tummeln. Es gebe eine kleine Schnittmenge von Skisportlern und Museumsbesuchern, und so ist das Corones wohl eines der wenigen Museen der Welt, das auch mit Skischuhen betreten werden darf. Im Sommer lockt das Museum Architektur- und Kunstfreunde an, die den Museumsbesuch mit einem Naturerlebnis verbinden möchten.

 
Magdalena Messner

Magdalena Messner im Museumsbau von Zaha Hadid.

 
 
 
Quelle: Christian Grund

Und für sie gibt es jetzt in Gehdistanz ein weiteres Museum auf dem Plateau des Kronplatzgipfels, das auch skischuhtauglich ist: das Museum für Bergfotografie LUMEN. «Dank dem Corones fährt heute nicht nur ein sportliches Publikum auf den Berg, sondern auch ein kulturell interessiertes», sagt Werner Schönhuber, Präsident der Kronplatz Seilbahn AG. Diesen Ansatz will man nun gezielt ausbauen. Das neue Museum ist im Dezember 2018 eröffnet worden. Der Personenaufzug, der einen hindernisfreien Zugang von der Gondelbahnbergstation ermöglicht, wird im Frühsommer 2019 fertiggestellt sein. Der Veranstaltungssaal bietet Platz für 200 Personen. Das angebaute Restaurant «AlpiNN» unter der Leitung von Sternekoch Norbert Niederkofler konzentriert sich auf lokale,saisonale Bergküche mit heimischen Rohstoffen.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte das Tiroler Archiv für photographische Dokumentation und Kunst TAP mit dem Vorschlag eines Ausstellungsraums für Fotografie in der alten Seilbahnstation. Die Silhouette der Bergstation musste dabei erhalten bleiben – so die Vorgabe der Landesregierung. Dieser Raum ist nun das Highlight des Museums: Wo früher die grosse Gondel in die Bergstation einfuhr, öffnet und schliesst sich der «Shutter» – eine Riesenblende in der Form einer Irislinse. «Wenn die Linse offen ist, gibt sie für die Besucher im Innern den Blick auf die Berge frei. Ist sie geschlossen, wird sie zur Projektwand», sagt Museumsleiterin Thina Adams. Das Herzstück des Museums für Bergfotografie LUMEN sind die Drucke von 1800 historischen Fotoaufnahmen aus der Sammlung des TAP – nicht nur Bergaufnahmen, sondern auch historische Fotos von Land und Leuten aus Südtirol, Tirol und dem Trentino.

 
«Heute fährt nicht nur ein sportliches, sondern auch ein kulturell interessiertes Publikum auf den Berg.»

Werner Schönhuber

 
Blick in das LUMEN

Dass Innere des LUMEN Museum für Bergphotographie

 
 
 
Quelle: marcozanta.com

Bei näherem Hinschauen ist auch die Kombination von Berg und Fotografie nicht so selbstverständlich, wie sie klingt. Denn während Jahrtausenden sahen die Menschen die Berge nur von unten. «Die Strapazen, die im 19. Jahrhundert die ersten Bergfotografen auf sich nahmen, können wir uns heute kaum mehr vorstellen», betont Werner Schönhuber. Denn früher hiess es für sie, neben der Bergausrüstung auch noch eine mobile Dunkelkammer, Glasplatten und Chemikalien für die sofortige Entwicklung der Fotos mitzuschleppen. Die allerersten Fotos der Alpen aus der Vogelperspektive knipste Flugkapitän Eduard Spelterini, der kurz vor dem Ersten Weltkrieg mit einem Heissluftballon über die Alpen flog. 1931 landete der Schweizer Abenteurer und Forscher Auguste Piccard, der Grossvater von Bertrand Piccard, mit seinem Ballon unfreiwillig in den Ötztaler Alpen. Die beiden Pioniere haben mit ihren Fotos die Ära der Sichtweise «von oben» eingeläutet, die sich bis heute mit Drohnenaufnahmen oder Satellitenbildern fortsetzt.

Eine grosse Rolle spielt aber auch das bewegte Bild: etwa mit Actionsportfilmen oder Filmen des Partners National Geographic. Damit nähert sich das Museum mit seinen 1800 Quadratmetern auf vier Stockwerken dem Thema Berge und Fotografie auf unerwartete Weise an. «Im sogenannten Adrenalinraum präsentieren wir die aussergewöhnlichsten und kreativsten Bilder des weltweit grössten Wettbewerbs für Action- und Adventure-Sportfotografie von Partner Red Bull Illume als multimediale Installation», so Thina Adams. Unter dem Thema Marketing und Tourismus beschäftigt sich das Museum mit dem Berg als Marke, der heute als Logo für Produkte von Badehosen bis Schokolade hinhalten muss. Zu diesem Zweck stellte das Alpinmuseum in Bern den Südtiroler Museumskollegen Leihgaben zur Verfügung. Und ja, nach dem Besuch der zwei Museen, die stolz auf ihre Aussicht sind, ist auch der innere Blick auf den Berg verändert.

 
Kronplatz
Foto: Christian Grund
Foto: Christian Grund

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