Frau Rinderknecht, wann begann Ihre Leidenschaft für Design?

Schon als Kind habe ich viel mit Farben, Materialien und Formen gespielt. Mein Vater hatte im Keller eine Modelleisenbahn – mit Landschaften aus Gips, kleinen Gebäuden, Brücken. Ich habe dort Stunden verbracht, gebastelt, gelötet, Dinge umgestaltet. Gleichzeitig haben mich Naturformen fasziniert – Schneckenhäuser, Pflanzen, Materialien. Im musischen Gymnasium in Küsnacht war mir klar: Es wird etwas Kreatives. Ein klassisches Innenarchitekturstudium gab es in der Schweiz damals noch nicht. Nach einem Austauschjahr in Indonesien, wo ich viel über lokale Handwerkskunst und Gestaltung gelernt habe, riet mir damals der Designer Alfredo Häberli, in Mailand zu studieren. Also ging ich nach Italien, um Innenarchitektur und Möbeldesign zu lernen.

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Von Mailand aus hat es Sie später in die USA verschlagen.

2004 ging ich nach Hawaii, um bei einem renommierten Architekturbüro Hotels und Resorts zu designen. 2006 hat mich die Blackstone Private Equity Group, für die ich ein Hotel in Honolulu designt habe, angefragt, ob ich für sie als Independent Design Consultant für ihren Brand LXR – Luxury Resorts arbeiten könnte. Dadurch habe ich mich in San Francisco selbstständig gemacht und bin viel in den USA herumgereist. Es war eine fantastische Zeit, sehr international und inspirierend.

Ina Rinderknecht

Ina Rinderknecht hat ihr Büro in Erlenbach, ZH.

Quelle: Agi Simoes und Reto Guntli
Zur Person

Ina Rinderknecht hat Innenarchitektur und Möbeldesign in Mailand studiert. 2006 gründete sie in San Francisco ihr erstes Büro und arbeitete dort für internationale Auftraggeber wie Blackstone Private Equity an Luxusresorts und Hotels. Nach der Finanzkrise kehrte sie in die Schweiz zurück, baute ihr Unternehmen neu auf und spezialisierte sich auf ganzheitliche, massgeschneiderte Innenarchitektur. Heute entwirft sie mit ihrem Team Wohn- und Hotelwelten, die vom Grundriss über die Materialauswahl bis zu den Möbeln und Accessoires komplett durchdacht sind. Ihre Kunden sind private Bauherren, Hoteliers und internationale Investoren. Das Büro Ina Rinderknecht Interior Architecture & Design hat seinen Sitz in Erlenbach am Zürichsee und arbeitet an Projekten weltweit.

 

Dann kam 2008 die Immobilienkrise.

Ja, viele Projekte wurden gestoppt, Investitionen verschoben. Blackstone fragte mich, ob ich in Europa Hotels betreuen könne. So kam ich für Projekte nach Dresden, Leipzig und Berlin. Gleichzeitig wurde mein Vater schwer krank. Ich war ohnehin ständig zwischen den Kontinenten unterwegs und entschied mich dann, zurück in die Schweiz zu ziehen.

Mit laufenden Projekten war der Übergang vermutlich einfach?

Leider nicht. Die Krise war auch hier zu spüren. Ich musste mein Büro komplett neu aufbauen, hatte keine Architektenkontakte, und mein damaliger Hauptkunde Blackstone hatte ebenfalls weniger Projekte. Gleichzeitig hatte ich gerade mein Kind bekommen. Es war eine harte Zeit. Aber Hartnäckigkeit zahlt sich aus: Beim Hotel Storchen in Zürich habe ich zwei Jahre lang immer wieder angeklopft – am Ende bekam ich den Auftrag.

Das war der Wendepunkt?

Ja. Und parallel kam ein sehr wichtiger privater Auftrag über eine persönliche Empfehlung zustande. Mit diesem privaten Kunden habe ich inzwischen bereits sieben Projekte umgesetzt.

Wie gehen Sie mit Kundenwünschen um, die nicht Ihren Vorstellungen von gutem Design entsprechen?

Die meisten Kunden kommen zu uns, weil ihnen unsere Handschrift gefällt. Trotzdem ist jedes Projekt individuell. Wir hören zu, entwickeln Ideen gemeinsam. Aber wenn jemand ein klassisches English-Country-House mit Blumentapeten möchte, empfehle ich jemanden, der das besser kann. Es ist wie in der Küche: Ein Spitzenkoch hat seine Küche – er sollte nicht etwas zubereiten, das nicht seiner Expertise entspricht. Sie würden ja auch nicht einen Kniechirurgen bitten, Ihre Nase zu operieren.

Sie steigen oft schon sehr früh in Projekte ein – warum?

Weil sich in dieser Phase die grössten Fehler vermeiden lassen. Wir entwickeln Grundrisse, definieren Abläufe, prüfen Proportionen, Stauraum, Lichtführung. Oft arbeiten wir schon mit, wenn der Kunde das Grundstück kauft, und beraten in der Programmierung. So lassen sich spätere teure Änderungen vermeiden. Wir wissen ganz genau, was die Kunden in diesem Hochpreissegment wollen. Was ist im Back of House, wie funktionieren die Spa-Bereiche? Daher sind es dann häufig wirklich vier, fünf oder sieben Jahre, die wir ein Projekt begleiten. Wir denken immer ganzheitlich: Grundstück, Architektur, Innenarchitektur, Möbel, Kunst, Textilien – bis hin zur Bettwäsche.

Ein Beispiel?

Moderne Gebäude werden heute ja häufig mit Glasfassaden gebaut, sie wirken dann schnell wie ein Aquarium. Aber dann stellen wir nicht selten fest: Wo sind die Einbauschränke geplant oder die Walk-in-Closets? Oder die Einbauschränke laufen direkt in die Fenstergruppe, weil es keine Mauern gibt. Gute Innenarchitekten sehen so etwas sofort und können Fehler korrigieren, bevor gebaut wird.

Zur grossen Freude der Hausarchitekten?

Es kommt wirklich auf die Offenheit an, und es sind natürlich auch immer wieder diese Ego-Themen, ganz klar. Das sehen Sie aber in jedem Beruf. Ich glaube, am Ende geht es darum, dass wir das beste Ergebnis für den Kunden erzielen.

Wer beauftragt Sie in der Regel?

Fast alle Aufträge kommen direkt von den Kunden. Viele Architekten verstehen unseren Beruf noch zu sehr als «Möbel aussuchen» oder als eine Art Konkurrenz, die ihr Projekt kaputt macht. Dabei sind wir Teil der Fachplanung, arbeiten eng mit Ingenieuren, Landschaftsplanern und Architekten zusammen. In meinem Team sind auch Architekten – wir sprechen dieselbe Sprache.

Bringen Kunden viele eigene Ideen mit?

Mehr denn je. Pinterest und Instagram sind feste Werkzeuge geworden. Die Kunden zeigen Moodboards, Collagen, Bilder aus Magazinen – manchmal auch solche von unserer eigenen Website. Das ist wertvoll, weil wir aus diesen Bildern oft herauslesen, was den Kunden atmosphärisch anspricht, selbst wenn er es nicht formulieren kann.

Und wenn Sie merken, dass es nicht passt?

Dann lehne ich ab. Wir arbeiten oft viele Jahre zusammen – Stil, Erwartungen und Chemie müssen stimmen. Das Leben ist zu kurz für Projekte, die nicht passen.

Wie sieht Luxus im Interior-Design heute aus?

Unsere Kundinnen und Kunden wollen nicht wie in einem Showroom leben. Luxus bedeutet heute: Es ist massgeschneidert. Das Customizing ist enorm zeitintensiv, aber es macht den Unterschied. Wir kreieren umfassend: von den Schränken über die Möbelmassanfertigung bis hin zur Recherche zu den Materialien, die wir weltweit suchen, oder zur Bearbeitung von Steinelementen. Schauen Sie sich auf unserer Website die Villa Fernblick als Beispiel an, dort gibt es im Spa-Bereich besonders schöne Liegebänke, die aus einem Block Quarzit geschliffen und von uns geplant wurden, genauso wie die massgefertigten Ankleiden. Dieses Customizing ist enorm. Das ist dann nichts von der Stange, keine Küche kommt bei uns von einem Küchenhersteller. Die Schreinerarbeiten sind alle von uns gezeichnet. Wir haben spezielle Steinmetze und andere Unternehmen, die uns bei der Gestaltung unterstützen. Metallbauer, Glaser, Schreiner – alles hervorragende Spezialisten.

Eine Firma, die Ihnen besonders am Herzen liegt?

Alle unsere Partner sind hoch geschätzt. Ein schönes Beispiel ist Schotten und Hansen, der Holzspezialist für Furniere und Parkett. Gemeinsam haben wir eine Linie farbiger Furniere für Möbel entwickelt. Wenn Sie ein normales Eichenparkett verlegen, wird es nach ein paar Jahren gelb. Schotten und Hansen hat ein Verfahren entwickelt, das die Farbbeständigkeit der gesamten Farbpalette garantiert und auf natürlichen Produkten basiert. Es ist eine besondere Qualität, die ich so noch bei niemandem gefunden habe.

Welche Rolle spielen Farben?

Eine sehr grosse, wir sehen auch ein zunehmendes Bedürfnis unserer Kundinnen und Kunden nach mehr Farbigkeit. Die Schweiz ist immer noch sehr grau-weiss-beige, aber das ändert sich langsam.

Ihr ungewöhnlichstes Projekt?

Gerade arbeiten wir an einem Siebzig-Fuss-Solarkatamaran. Vollelektrisch, mit Fotovoltaik. Jede Kabine hat eine eigene Farbwelt – elegant, nicht schrill. Es ist unser erstes Jachtprojekt, und es macht wahnsinnig viel Spass.

Wie wohnen Sie selbst?

Erst kürzlich habe ich meine eigene Wohnung komplett umgebaut – hell, mit asiatischen Elementen wie Raumteilern und Wandverkleidungen. Asien inspiriert mich stark. Fotografiert wird sie im August, und dann erscheint sie hoffentlich auch in Magazinen.

Was wäre Ihr Traumprojekt?

Ein grosses, ehrwürdiges Fünf-Sterne-Palasthotel zu revitalisieren – oder ein Resort wie die Amangiri-Häuser, eingebettet in die Natur. Internationale Projekte reizen mich sehr, weil man so viel von anderen Arbeitsweisen und Kulturen mitnimmt und sich vertieft in neue Themen und Designsprachen einarbeiten kann.