«Millennials sind nicht verweichlicht; sie schauen bewusster auf sich selbst.»

Mit seinem Jahrgang 1964 ist Markus Conzelmann an der Schnittstelle zwischen Babyboomern und der Generation X, auch wenn er sich dessen bis vor wenigen Jahren gar nicht recht bewusst war. «Trendmacher war ich damals sowieso nicht, ich wuchs zwar in Zürich auf, aber bis zur Volljährigkeit ohne Fernseher.» Ein klassischer Babyboomer sei er nie gewesen, habe immer Mühe mit Autoritäten bekundet und die Individualität gesucht. Wenn er sich zu einer Generation zählen müsste, dann zur Generation X – auch bekannt als Generation MTV, denn «Eines Tages hatte auch ich einen eigenen Fernseher». Millennials wollen viel – auch wenn es nicht immer zusammenpasst Das Generationendenken kennt der diplomierte Hotelier heute dafür umso besser. Er arbeitet seit über dreissig Jahren in der Gastrobranche. Während zwanzig Jahren für die Radisson Hotel Group, davon grösstenteils als Generaldirektor des Radisson Blu in Luzern. In dieser Zeit führte er Hunderte Einstellungsgespräche und setzte sich mit ebenso vielen Personalproblemen und -freuden auseinander. Auf die Frage, wie er während dieser Zeit die Millennials erlebte, antwortet Conzelmann: «Es stimmt schon, die Millennials sind anspruchsvoll, aber halt auch spannend.» Einerseits hassten sie repetitive Aufgaben oder solche, die man rationaler oder digitalisierter besser machen könnte. Gleichzeitig spielten sie jedoch Klavier auf den unterschiedlichsten Kommunikationstechnologien, wo er eine einfache, kurze Mail vorziehe. Doch genau so seien die Millennials: Sie wollten viel, auch wenn es nicht immer zusammenpasse: «Die Millennials fragen bereits im Bewerbungsgespräch, was ich ihnen karrieremässig anbieten kann – nur um dann bereits zwei bis drei Jahre später eine Reiseauszeit zu nehmen.» Hingegen schätzt Conzelmann, dass die Millennials grossen Wert darauf legen, mit welchen Vorgesetzten sie arbeiten. Sie hätten einen direkten Draht zu ebendiesen und stellten die persönlichen Beziehungen über die Arbeit: «Es fällt auf, dass diese Generation eher deshalb kündigt, weil ihnen der oder die Vorgesetzte nicht passt, als dass sie am eigentlichen Job etwas auszusetzen hätten.» Arbeit muss Spass machen Dass der Job dabei in den Hintergrund rücke und nur das persönliche Wohl im Vordergrund stehe, stimme aber trotzdem nicht. Das Gegenteil sei der Fall: Die Einstellung stosse ein Umdenken in den Firmen an. So hätte die ehemals skandinavische Hotelgruppe – die frühere Radisson SAS – bereits vor dem Jahrtausendwechsel neue Arbeitsmodelle umgesetzt. Am Anfang umfassten sie neue Lösungen für Mütter, gefolgt von Fragen zur Diversität und zu flexiblen Arbeitszeiten. «Die Millennials sind die Ersten, die das schon im Vorstellungsgespräch fordern und die deutlich machen, wie sehr Selbstverwirklichung im Vordergrund steht. Arbeit muss ihnen wirklich Spass machen, das ist nicht nur eine Floskel der ersten Work-Life-Balance-Referenten.» Conzelmann kann diese Entwicklung in Richtung der Selbstverwirklichung durchaus nachvollziehen. Mittlerweile besetzen viele Millennials Kaderpositionen – auch oder gerade trotz ihrem Hintergrund. Seit 9/11 hätten sich rasante Veränderungen in der Weltordnung ergeben, das Internet explodierte, Smartphones stellen den gesamten Kommunikationsprozess auf den Kopf, Wirtschaftskrisen jagten einander und Corona veränderte innert kürzester Zeit alles. Die in Wohlstand und Sicherheit aufgewachsene Generation steht vor neuen Herausforderungen und es wird gemunkelt, sie könne mit neuen Krisensituationen nur schwer umgehen. Conzelmann antwortet aber bestimmt: «Die Millennials sind nicht verweichlicht; ich würde eher sagen, sie schauen bewusster auf sich selbst. Sie wissen gut, dass sie für ihr Weiterkommen selbst verantwortlich sind, und das finde ich entscheidend.» Was hingegen wegfalle und viele Arbeitgebende missbilligten, sei die grundsätzliche Loyalität zum Arbeitsplatz oder sogar zu einer spezifischen Tätigkeit. Das Kredo laute: «Man kann ja auch mal was anderes versuchen.» Lernen von den Millennials Was aber können Arbeitgebende von der Lebenseinstellung der Millennials, dem «typus millennial», lernen? Conzelmann zählt in rascher Abfolge viele Punkte auf, so das Wissen über Technologie, die Anpassungsfähigkeit, die Bereitschaft zu Veränderungen und eben die Teamarbeit. Interessant aber ist vor allem ein Punkt: die Herausforderung der hierarchischen Status quos. «Millennials sind bekannt für ihre Entschlossenheit und dafür, dass sie ihre Meinungen und Ideen teilen. Sie fordern ihre Vorgesetzten heraus, wenn sie es für gerechtfertigt halten.» Conzelmann fasst zusammen, dass bei dieser Generation ziemlich viele spannende Ansätze zusammenkommen. Er appelliert an andere Arbeitgebende, sich diese Punkte zu Herzen zu nehmen: «Diese Brainstormings stimulieren nicht nur das Ideengut des Unternehmens, sondern unterstützen die Vertrauensbildung zwischen Angestellten und Vorgesetzten. Wer das nicht einsammelt, ist selbst schuld.» Flexibilität als zentrales Element Ein weiteres Element, das der Hotelier in seiner Aufzählung hervorhebt, ist, dass Millennials die eigentlichen Arbeiten stärker gewichteten als die Zeit, die sie für deren Erledigung benötigten. Laut Conzelmann ist das ein neuer Gesichtspunkt, hiess es doch lange «Zeit ist Geld». Diese Verlagerung der Prioritäten sei aber im Sinne der von den Millennials vorgelebten Work-Life-Balance. Sie suche aus Sicht der Arbeitnehmenden nicht nach wirtschaftlicher Maximierung, sondern nach gesamtheitlicher und nachhaltiger Umsetzung der Dinge. Markus Conzelmann nennt Flexibilität als Schlüsselwort in diesem Zusammenhang, denn «was die Millennials machen, kann laufend verbessert, digitalisiert oder auch rationalisiert werden. So macht den Millennials die Arbeit Spass.» Ausserdem profitiere davon auch das Unternehmen: Mit Flexibilität holten Arbeitgebende das Beste aus den Angestellten des «typus millennial» heraus, was wiederum zur positiven Entwicklung des Unternehmens beitrage.