Von aussen glich der Chandler vielen Oberklassevehikeln der damaligen Zeit. Die Innovation verbarg sich im Kofferraum: Dort waren die schweren Empfangsanlagen untergebracht, mit der das Auto über kleine Elektromotoren ferngesteuert wurde. Der New Yorker Elektroingenieur Francis Houdina verband mit dem Chandler zwischen 1926 und 1930 den Broadway in Manhattan mit der Fifth Avenue. Die Steuerung erfolgte denkbar einfach: Hinter dem ferngesteuerten Chandler fuhr ein weiteres Auto, in dem Fahrer und Fernsteuerfahrer sassen. Die Sache ging gut, bis sie schiefging – ein Unfall führte zu einer Unterbrechung des Betriebs. Das Thema autonomes Fahren hatte sich damit erst einmal erledigt.

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Gefahrensituationen im Simulator

Grosse Fortschritte bei der Auto- und Computertechnik führten laut Steve Greenfield, Autoexperte bei Greenfield Automotive Ventures, zur Vorstellung, dass der Fahrer oder die Fahrerin vollständig ersetzt werden kann. Erste Schritte wie automatisches Parkieren, Spurführung auf Autobahnen und die Fahrerunterstützung bei schwierigen Verhältnissen hatten dann auch in die «richtige» Richtung geführt. «Das alltägliche Fahren findet aber nicht nur auf den Highways statt», sagte Greenfield Anfang 2023 am Rande der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas. «Man ging gleich daran, die Risiken auch in komplexen Umgebungen beherrschen zu wollen.»

Damit gelangt man laut Ziv Binyamini, Gründer der Firma Foretellix, die Testsysteme für autonome Fahrzeuge entwickelt, an die Grenzen. Wetter und menschliche Unzulänglichkeiten spielen eine grosse Rolle. «Dabei genügt es nicht, einfach nur Millionen von Kilometern auf Testfahrten zu absolvieren.» Es müssen vielmehr die Algorithmen, mit denen die Autos zukünftig gesteuert werden, in unfallträchtigen Situationen verbessert werden. Weil sich die riskanten Situationen nicht einfach so auf den Strassen nachstellen lassen, ist man beispielsweise bei der Google-Tochter Waymo, die eine Kundin von Foretellix ist, dazu übergegangen, Tests zunehmend in virtuellen Umgebungen vorzunehmen.

Laut Luis Dussan, Gründer des US-Unternehmens Aeye, das sich mit Sensoren für autonome Fahrzeuge beschäftigt, richtet sich daher der Blick zunehmend auf das Gesamtsystem Fahrzeug und Umgebung. «Geofencing-Technologien eignen sich beispielsweise gut, um Geschwindigkeitsbegrenzungen zu handhaben.» Aber selbst wenn dann das autonome Fahrzeug alleine fährt, warten laut Greenfield gleich die nächsten Herausforderungen: Die erste ist die Standardisierung der Funktionsweisen, damit verschiedene autonome Fahrzeuge in Gefahrensituationen künftig ähnlich reagieren – zum Beispiel bei Staubildungen auf Autobahnen. Hinzu kommt, dass man noch keine Vorstellungen davon entwickelt hat, wie autonome Personenfahrzeuge mit autonom gesteuerten Lastwagen oder Nahverkehrsbussen kommunizieren sollen.

Erst dann liessen sich laut Greenfield weitere Geschäftsmodelle umsetzen. General Motors etwa will in Zukunft auch Netflix-Abonnements an die Lenkenden autonomer Fahrzeuge verkaufen. Es ist zu hoffen, dass dann die autonome Steuerung gut funktioniert – und der Strassenverkehr nicht gefährlicher ist als das Treiben in dem gestreamten Krimi.