Für eine Branche, die wie die Baubranche traditionell eigentlich erfolgreich ist, dabei aber nie besonders ideenreich oder zukunftsorientiert wirkte, bietet dieses Jahrzehnt einige Herausforderungen. Die Pandemie war die eine. Und der Digitalisierungsprozess die andere. Dieser ist in der Baubranche teilweise noch im Schritttempo unterwegs. Entsprechend mühsam waren daher auch im Vorjahr die Anpassungen der Mehrwertsteuersätze, weil die internen Systeme und Prozesse umgestellt werden mussten, und das war besonders für viele KMU aufreibend. Grundsätzlich produziert die Digitalisierung konstant neue Werkzeuge, die Anpassungen benötigen oder ermöglichen. Cloudbasierte Lösungen sorgen für eine effizientere Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten. Roboter und Drohnen werden beispielsweise für die Inspektion eingesetzt. Und 3D-Drucker ermöglichen die Herstellung von komplexen Einzelbauteilen. Mit diesen neuen Materialien werden die Gebäude «gesünder», die Baukosten tiefer und die Finanzierung wertbeständiger. Seit Jahren steht die Baubranche bereits vor einem signifikanten Personalmangel. Laut dem Schweizerischen Baumeisterverband waren im vergangenen Jahr rund 90'000 Personen direkt und weitere 267'000 im Bauneben- und Ausbaugewerbe tätig. Damit ist die Baubranche einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Schweiz. Doch eine vom Schweizerischen Baumeisterverband in Auftrag gegebene Studie prognostiziert, dass bis 2040 Tausende Fachkräfte fehlen werden. Hier gilt es jetzt aktiv, durch gute, aber eben auch attraktive Ausbildung der nachwachsenden Generation entgegenzuwirken.
Die Herausforderungen nehmen zu
Jetzt boomt auch noch das Thema Nachhaltigkeit, angetrieben unter anderem durch strengere Vorschriften des neuen Klimaschutzgesetzes (und auch durch den Druck der EU). Aber auch die Einstellung von Hausbesitzerinnen und Architekten, die der Generation Y angehören, pushen das Thema. Nachhaltigkeit in der Baubranche ist also längst nicht mehr nur «nice to have», sondern eine unverzichtbare Voraussetzung. So reicht es nicht mehr, Umweltauswirkungen zu minimieren, sondern man muss gleichzeitig und proaktiv zur Regeneration der Umwelt beitragen. Das heisst beispielsweise, Gebäude zu bauen, die Kohlenstoff binden, oder Bausubstanz und Dekorationen zu verwenden, die Biodiversität fördern. Auch wird die Integration erneuerbarer Energielösungen weiter zunehmen, mit Schwerpunkt auf Autarkie. Zu den entsprechenden Entwicklungen gehören kombinierbare Erzeugungssysteme (also Solar-, Wind- und Geothermie) sowie effizientere Speichertechnologien.
Zum neuen Verständnis nachhaltiger Gebäude tragen weiter das Internet der Dinge (IoT) und die künstliche Intelligenz (KI) bei. IoT und intelligente Gebäudemanagementsysteme vernetzen Geräte und Sensoren, um Fehler schneller erkennen zu können und damit die allgemeine Energieeffizienz zu steigern. KI kann für die Analyse der heutzutage enormen Informationsdaten genutzt werden, beispielsweise bei der Optimierung von architektonischen Entwürfen oder der Antizipation von möglichen Bauproblemen. Und setzte man in der zweiten Hälfte des vorherigen Jahrhunderts Architekturmodelle aus Pappe und Papier ein, um Hausentwürfe zu visualisieren, gibt es mit dem Building Information Modeling (BIM) nun ein digitales Verfahren. Dieses führt alle relevanten Informationen eines Bauwerks in einem 3D-Modell zusammen. Dennoch wird der klassische Modulbau wieder aktuell, denn er stellt auf analoge Art dar, wie die Prozesse rund um das Gebäude laufen werden; Nutzung der Garage beispielsweise, Abfallentsorgung oder Sonneneinwirkung auf Gebäude und Grünanlagen.
Innovative Materialien
Und schlussendlich spielt die Entwicklung neuer und nachhaltigerer Baustoffe eine zentrale Rolle, geht es um nachhaltiges Bauen und bewusst gelebte Kreislaufwirtschaft. Materialien, die mehrfach wiederverwendet werden können und damit auch weniger Abfall erzeugen, werden die kommenden Jahre prägen. Dazu gehören nachwachsenden Rohstoffe wie Holz oder Bambus; Material also, das teilweise aus der Region stammt und damit weniger Transportkosten auslöst. Interessant sind auch Recyclingbaustoffe wie Ziegel oder Betondachsteine. In der Verfeinerung des Baus können auch natürliche Stoffe genutzt werden, beispielsweise Schilf, Stroh, Holzfasern oder Zellulose. Und weitere Trends gibt es viele. Sie jetzt zu erkennen und bewusst zu prüfen, welche für einen persönlich relevant sind, liegt jedoch in der Hand jedes Einzelnen in der Baubranche.