Klimafreundliches Bauen und Sanieren ist wichtiger denn je – vor allem in einem natürlichen Umfeld wie den Alpen. Deshalb hat das Bundesamt für Raumentwicklung in Zusammenarbeit mit dem Fürstentum Liechtenstein bisher sechsmal den Architekturpreis «Constructive Alps» ausgeschrieben. Das letzte Mal vor drei Jahren. Ausgezeichnet wurden Architekten und Bauherren, die mit ihren Sanierungen und Bauten ökologische und ökonomische wie auch soziale und kulturelle Kriterien der nachhaltigen Entwicklung umgesetzt haben. «Wichtig war neben der Auszeichnung von modellhaften Gebäuden auch die Vernetzung und Sichtbarkeit der Projekte», erklärt Silvia Jost vom Bundesamt für Raumentwicklung ARE. «Zu Beginn gewannen oft Projekte, die ihre Effizienz und Klimaneutralität mit viel Technik erreicht haben, später ging es mehr um eine sehr schlanke Gebäudetechnik.»

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Lokale Bauweise

Auch wenn der Preis aktuell nicht mehr vergeben wird, hat er etwas bewegt, denn er hat Aufmerksamkeit geschaffen. Wichtig für ein Land wie die Schweiz, denn die Baubranche gehört hier immer noch zu den Branchen mit dem höchsten Abfallvolumen. Mehr als 70 Millionen Tonnen gehen pro Jahr zu ihren Lasten. Dies entspricht rund einem Drittel der CO2-Emissionen. Um das Netto-null-Ziel bis 2050 zu erreichen, ist eine Reduktion der CO2-Emissionen in der Baubranche unerlässlich. Auch darum ging es bei den prämierten Projekten des Awards. Dazu Silvia Jost: «Die lokale Bauweise und die regional vorhandenen Baustoffe gehören im alpinen Raum ganz eng zusammen, früher nicht zuletzt aus Gründen der fehlenden Logistik. Früher hatte man noch keine grosse Auswahl und hat Häuser aus Werkstoffen gebaut, die vor Ort vorhanden waren.» Und das gilt bis heute. Viele der prämierten Projekte konnten dank dem gemeindeeigenen Wald umgesetzt werden, wie im vorarlbergischen Raggal ein vorbildlich erbautes Gemeindezentrum, bei dem der Architekt die verwendeten Hölzer aufgrund des Angebotes an Bäumen im Dorfwald ausgewählt hat.

Ebenso wichtig ist zudem beim nachhaltigen Bauen die Integration der Gebäude in die Landschaft, denn zur Ästhetik gehören nicht nur architektonische Formen, sondern auch der Umgang mit der Umgebung. Doch wer kennt sie nicht, die Bausünden, bei denen man sich fragt: Was macht das dort? Was soll das? Im Fall des Casariga in Comano Terme stellt sich diese Frage aber zum Glück nicht. Schon fast unsichtbar wurde das Haus mitten in den Hügel hineingebaut und hat deshalb einen äusserst kleinen CO2-Fussabdruck. «Bisher stand aus Klimasicht die Minimierung des Heizenergiebedarfs im Vordergrund», sagt Silvia Jost. «Mit der Zunahme von Hitzesommern kommt das Thema Raumkühlung dazu.» Und hier hat die Architektur Lösungen zu bieten. Statt einfach technisch mit viel Energie zu kühlen, sind sogenannte Low-Tech-Lösungen wie Beschattung und Nachtauskühlung architektonisch zu lösen und praktikabel zu gestalten. Projekte wie das Casariga sollten Investorinnen und Bauherren ein Vorbild sein, findet Silvia Jost: «Das Umfeld sollte ebenso berücksichtigt werden wie der Umgang mit Umwelt, Ökologie und sozialer Verantwortung. Ziel sollte es ausserdem sein, vermehrt Gebäudemit konzepte entstehen zu lassen, die übertragbar und modellhaft sind.»

Natürliche Ressourcen

Grundsätzlich steht im alpinen Raum die Ressource Holz als Baumaterial im Bausektor im Vordergrund. «Hier wird viel CO2 im Bau für viele Jahrzehnte im Gebäude gespeichert, ein grosser Teil der Materialtransporte entfällt bei der Verwendung von regionalem Holz, es werden lokale Wertschöpfungsketten genutzt und viele interessante Arbeitsplätze geschaffen», so die Expertin. Ebenso steht im besten Fall die Bemühung im Raum, altes Handwerk und ursprüngliche Materialien zu verwenden. «Gute Beispiele, die sowohl klimaverträglich wie auch ästhetisch hochwertig sind, gibt es im Stroh- und im Lehmbau», erklärt Jost. «Bei ‹Constructive Alps› konnten wir jedoch erst wenige Projekte dieser Art auszeichnen, auch weil mit den bestehenden Techniken die Herstellungskosten noch relativ hoch sind.» Doch sie ist sich sicher, dass auch Lehm als Baustoff eine Zukunft haben wird. Wenn es denn gelingt, die Herstellungskosten zu reduzieren. Aktuell geht man davon aus, dass ein Bau aus Lehm rund 20 Prozent teurer ist als die Normalbauweise mit Beton und Zement. «Lehm erbringt eine sehr hohe Wärmespeicherung und eine hohe Wohnqualität. Er wäre als Baustoff bestimmt noch ausbaubar.» Vor allem, da die Schweiz über viele natürliche Lehmvorkommen verfügt, wie etwa im Schweizer Mittelland, im Jura und bis hin zur Rheinebene. Und auch im Tessin sowie im Rhonetal braucht man nicht lange zu graben.

Fokus auf Technik

Neben Material geht es natürlich immer mehr auch um Technik. Wobei sich hier gerade im Alpenraum zeigt, dass man sie nutzt, um natürliche Ressourcen anzuzapfen und nicht künstlich zuzuführen. Ein Haus im Berg kühlt sich zum Beispiel quasi von allein, Regenwassernutzung spart externe Wasserzufuhr ein, und Solaranlagen nutzen die Sonne zur Stromerzeugung. Und das geht auch schön und nicht nur zweckmässig, wie etwa das Haus Sol’CH in Poschiavo zeigt, wo die Fassade vollständig mit Solarpanels bedeckt ist. Diese erzeugen rund 45'000 Kilowattstunden (kWh) Solarstrom pro Jahr. Was zu einem Solarstromüberschuss von rund 509 Prozent oder 37'600 kWh pro Jahr führt. «Dieses Haus zeigt eindrücklich, wie erfolgreich die Sonnenenergie in den Alpen genutzt werden kann», erklärt Silvia Jost. «Es ist mutig, aber sehr einfühlsam in die bestehende Situation eingepasst und hat damit in vielerlei Hinsicht eine Vorbildfunktion.»

Wenige Förderungen

Bauen ist jedoch natürlich auch eine Kostenfrage beziehungsweise lässt sich im Fall des nachhaltigen Bauens sagen, dass es in aller Regel höhere Anfangsinvestitionen braucht. Doch es gibt regionale und nationale Förderungen, die das nachhaltige Bauen und Sanieren unterstützen. So zahlreich, wie sie sein sollten, sind sie aber sicher noch nicht. Und wer Interesse hat, muss oft eigenständig und intensiv nachforschen, was denn nun zu seinem Bauprojekt in dieser Region an finanzieller Förderung möglich ist. Schweizweit hat man mit dem im Jahr 2025 in Kraft getretenen Klimaund Innovationsgesetz (KIG) aber ein Zeichen gesetzt, denn in Teilen beinhaltet es auch Förderprogramme für Eigenheimbesitzer. Unter anderem wird der Ersatz von grossen Öl-, Gasund Elektroheizungen durch klimafreundliche, erneuerbare Systeme sowie für Massnahmen im Bereich der Energieeffizienz unterstützt. Auf der anderen Seite zeigt sich in der Realität, dass nachhaltiges Bauen bislang mehr kostet, da oft hochwertigere, ökologischere Materialien und fortschrittlichere Technologien zum Einsatz kommen. Dem wird jedoch gerne gegenübergestellt, dass durch verbesserte Energieeffizienz und geringere Betriebskosten die Mehrkosten schnell wieder ausgeglichen werden können. Und auch der Wiederverkaufswert der Immobilie ist in aller Regel höher.

«Constructive Alps» ist der einzige Architekturpreis, der Projekte von Monaco bis Slowenien mit einem umfassenden Verständnis von Nachhaltigkeit prämiert hat. «Nicht nur durch die Mischung von Internationalität und spezifischen Lösungen für den Alpenraum ist dieser Preis einzigartig, sondern auch durch das umfassende Verständnis von Nachhaltigkeit mit den Aspekten des Klimaschutzes, der Naturverträglichkeit und der Regionalwirtschaft sowie mit sozialen Aspekten wie der Nutzerfreundlichkeit», fasst Silvia Jost zusammen. «Diese lassen sich zu einem grossen Teil nicht in Zahlen abbilden, und dafür braucht es eine kompetente Jury.» Zudem wurde damit Aufmerksamkeit geschaffen. Denn oft sind nicht nur Förderprogramme entscheidend, sondern auch die Vernetzung und das Teilen von guten Beispielen. «Oder häufig haben wir Projekte erhalten, die mittels Freiwilligenarbeit ermöglicht wurden, wie zum Beispiel die Fussballarena Crap Gries in Schluein GR, wo sämtliche Spielerinnen und Spieler beim Bau mitgeholfen und mit 6000 Stunden Freiwilligenarbeit den Bau überhaupt ermöglicht haben. So wurde nicht nur ein neues Klubhaus erstellt, sondern auch der Zusammenhalt neu gefestigt», sagt Silvia Jost.

Und dabei – um es ein wenig pathetisch auszudrücken – geht es beim nachhaltigen Bauen besonders stark. Verstehen, dass Klimaschutz ein Gemeinschaftsprojekt ist und nicht ein Kampfprojekt einzelner Akteure.