Unruhe und Aufregung letzthin bei den Kantonen, Branchen- und Umweltverbänden. Der Grund: Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) hat geprüft, ob das Gebäudeprogramm die Ziele der Energie- und Klimapolitik im Gebäudebereich möglichst wirksam und wirtschaftlich erreichen kann. Die Erkenntnis: Tut sie nur beschränkt. Das ist Wasser auf die Mühlen des Bundesrates, der unter Spardruck steht, das Ausgabenwachstum bremsen und daher rund 400 Millionen Franken Bundesgelder für das Gebäudeprogramm streichen will.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Das Gebäudeprogramm von Bund und Kantonen bietet für Hausbesitzer und -besitzerinnen finanzielle Unterstützung bei der energetischen Sanierung ihrer Liegenschaften. Etwa für bessere Wärmedämmung der Gebäudehülle oder beim Ersatz von Öl- und Gasheizungen mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor gemäss Klimagesetz bis 2040 um 82 Prozent und bis 2050 auf null zu reduzieren.

Klassischer Zielkonflikt

Die EFK hat kritisiert, die strategischen Grundlagen seien lückenhaft und es bestünden Zielkonflikte zwischen Energie- und Klimazielen. Zudem seien die Mitnahmeeffekte zu hoch. Gemäss EFK habe fast die Hälfte der Hausbesitzer ihre Liegenschaften auch ohne staatlichen Zustupf saniert. Der Bund steckt in der Tat in einem klassischen Zielkonflikt. Spardruck respektive Ausgabenminderung auf der einen Seite, Zielerreichung der «Strategie Nachhaltige Entwicklung» (SNE) auf der anderen. Mit der SNE definiert der Bundesrat die Schwerpunkte für die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung in der Schweiz. Es werden verschiedene Bereiche wie Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft thematisiert.

Die Strategie «Baukultur Schweiz» ist dabei ein nationales Konzept, das die Qualität und Nachhaltigkeit der gebauten Umwelt in der Schweiz fördern soll. Sie wurde entwickelt, um die kulturellen, sozialen und ökologischen Werte der Baukultur zu stärken und eine hohe Gestaltungsqualität im Bauwesen zu gewährleisten. Der Aktionsplan «Baukultur 2024-2027» ist dabei ein detailliertes Programm, das konkrete Massnahmen und Initiativen zur Förderung der Baukultur in der Schweiz festlegt. Er baut auf der Strategie Baukultur Schweiz auf und zielt darauf ab, die Qualität und Nachhaltigkeit der gebauten Umwelt in den kommenden Jahren zu stärken.

Engagierte Organisationen

Es sind neben Branchenverbänden und Unternehmen vor allem zwei Organisationen, welche sich stark in der Materie engagieren: So das Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS) sowie die Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB). Die KBOB wurde 1968 als Koordinationsgremium der Bauorgane des Bundes ins Leben gerufen; heute bietet sie den Bau- und Liegenschaftsorganen der öffentlichen Bauherren aller föderalen Ebenen sowie der Schweizer Bau- und Immobilienwirtschaft Dienstleistungen an, die essenziellen Nutzen haben sollen, so etwa bei den Themen Beschaffung, digitales Bauen, nachhaltiges Immobilienmanagement, Bewirtschaftung, Standardisierung, Normenwesen.

Der von der Wirtschaft und der öffentlichen Hand getragene Verein Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz sieht sich in der Schweiz in einer «führenden Rolle beim nachhaltigen Bauen». NNBS versteht sich als «erste Anlaufstelle, Taktgeber und Treiber von Innovationen», er koordiniert und unterstützt das nachhaltige Bauen in der Schweiz und setzt sich dabei dafür ein, dass alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Ökonomie und Soziales) ausgewogen behandelt werden. Gegründet wurde das Netzwerk 2013 auf Basis der bundesrätlichen Strategie «Nachhaltige Entwicklung». Die organisierten öffentlichen Bauherren sind übrigens über ihre Organisation KBOB zugleich Mitglied beim NNBS.

Übergreifendes Konzept

Doch wie soll nachhaltiges Bauen umgesetzt werden? Vorerst gilt es, ein gemeinsames Verständnis zu finden. Labels und Standards sollen dabei helfen, die Aufgabe zu systematisieren und Nachhaltigkeit messbar zu machen. Der vom NNBS entwickelte Standard «Nachhaltiges Bauen Schweiz SNBS» bietet ein übergreifendes Konzept dazu. Standards und Labels sind wichtige Hilfsmittel. Sie helfen, die Aufgabe zu systematisieren und machen Nachhaltigkeit messbar und vergleichbar. Im Idealfall liefern sie auch die nötigen Arbeitsinstrumente. Dadurch liessen sich Gebäude, Areale und Infrastrukturbauten nachhaltig planen, erstellen, betreiben und weiterentwickeln.

Im Hochbau gibt es mittlerweile ein grosses Angebot an Standards und Labels. Das breite Angebot hat den Vorteil, dass es für fast jedes Bauvorhaben etwas Passendes gibt. Der Nachteil ist, dass man es zuerst finden muss. Im Hochbau hilft hierbei die regelmässig vom NNBS nachgeführte Landkarte der Standards und Labels (siehe Tabelle). Sie erleichtert es, herauszufinden, welcher Standard oder welches Label sich für das jeweilige Bauprojekt eignet. Nicht alle decken nämlich alle Arten von Gebäuden ab und nicht jedes eignet sich beispielsweise gleichermassen für Neubau und Sanierung.

Ansatzpunkte

Nachhaltigkeit im Baubereich umfasst eine Vielzahl von Aspekten wie energieeffizientes Bauen, umweltfreundliche Materialien und soziale Verantwortung. Das Beschaffungsrecht etwa bietet zahlreiche Möglichkeiten. Durch gezielte Auswahlkriterien und Vergabeverfahren können umweltfreundliche Bauprodukte, Bauteile und Bauten bevorzugt und beschafft werden. Eine wichtige Stellschraube dabei liegt in der Reduktion der «grauen» Treibhausgasemissionen, also von Emissionen, die bei der Produktion und dem Transport von Baumaterialien entstehen.

Gebäude und Infrastrukturen können zudem widerstandsfähig gegenüber Wetterbedingungen gemacht werden durch gezielte Massnahmen wie grüne Dächer, nachhaltige Bauweisen und Wassermanagement. Stichwort dazu ist etwa das Regenwassermanagement nach dem Schwammstadtprinzip. Damit können die Auswirkungen des Klimawandels abgemildert werden.

Auch die Kreislaufwirtschaft bietet eine nachhaltige Alternative zum herkömmlichen linearen Wirtschaftssystem, indem Bauten länger genutzt und saniert werden und indem sie Ressourcen durch Wiederverwendung, Recycling und Upcycling schont. Durch innovative Ansätze können Abfälle minimiert und Produkte und Baumaterialien in geschlossenen Kreisläufen gehalten werden, was langfristig Umwelt und Wirtschaft gleichermassen zugutekommt.

Die Zukunft verändern

Mit einem jährlichen Investitionsvolumen von rund 60 Milliarden Franken hat die Schweizer Baubranche ein enormes Potenzial, um nachhaltig zu handeln und damit auch positive Auswirkungen auf die Umwelt, das Klima, die Gesellschaft und die Wirtschaft zu erzielen. Sowohl bei Planung, Finanzierung und Ausführung als auch im Betrieb und Rückbau von Gebäuden sind alle Akteure gefragt, um nachhaltiges Bauen und eine zukunftsfähige Infrastruktur zu ermöglichen. Und dies trotz drohender Streichung von Unterstützungsbeiträgen.