Der ökologische Fussabdruck von Baumwolle ist riesig: Für die Herstellung einer Jeans werden laut der europäischen Nachhaltigkeitsplattform «Cosh!» zwischen 7000 und 15 000 Liter Wasser benötigt. Der weltweite Wasserfussabdruck von Baumwolle liegt gemäss der Environmental Justice Foundation bei 233 Milliarden Kubikmeter pro Jahr, was erhebliche Auswirkungen auf natürliche Wasserressourcen hat. Zudem ist der Pestizideinsatz beim konventionellen Baumwollanbau überdurchschnittlich hoch und beträgt zwischen 6 und 16 Prozent der globalen Anwendung.
Zwar sind Baumwollpflanzen in der Lage, während ihres Wachstums Kohlenstoffdioxid zu binden, aber bei der Verarbeitung und Herstellung von Baumwolltextilien entstehen hohe CO2-Emissionen. So verursacht ein T-Shirt aus herkömmlicher Baumwolle in seinem Lebenszyklus je nach Studie zwischen 3,7 und 11 Kilogramm CO2. Besser fällt die Ökobilanz von Biobaumwolle aus, da sie ohne chemische Düngemittel und Pestizide angebaut wird. Wegen geringerer Ernteerträge hat sie jedoch einen höheren Landbedarf, was die Umweltvorteile je nach Region relativieren kann. Hinzu kommt, dass sich Baumwolltextilien wegen ihrer kurzen Fasern und der Beimischung von künstlichen Materialien wie Elasthan nur sehr schlecht recyceln lassen.
Die EU-Vorgaben, wonach bis 2030 mindestens 50 Prozent aller Textilien wiederverwertbar und 25 Prozent vollständig kreislauffähig sein sollen, werden für Baumwolle nur sehr schwer erreichbar sein. Aus diesem Grund wird der Nutzen von Baumwolle zurzeit infrage gestellt. Doch welche Alternativen zur bei Konsumenten beliebten Naturfaser bieten sich an?
Nutzhanf mit vielen Vorteilen
In der Textilindustrie werden zahlreiche Ersatzstoffe diskutiert, die nachhaltiger und ressourcenschonender sein sollen. Darunter Bambus, Brennnesseln, Bananenfasern und holzbasierte Fasern wie Modal oder Lyocell, das auch unter dem Namen Tencel vermarktet wird. Als umweltfreundlichste Alternative gilt Nutzhanf, der bis zu 80 Prozent weniger Wasser als Baumwolle benötigt und von Natur aus schädlingsresistent ist. Daneben verbessert er die Qualität des Bodens und beugt Erosion vor und kann ausserdem jahrelang auf derselben Fläche angebaut werden. Je nach Sorte und Bedingungen speichert Hanf pro Hektar jährlich zwischen 8 und 20 Tonnen CO2 – mehr als jede andere Nutzpflanze. Er liefert überdies bis zu 250 Prozent mehr Fasern als Baumwolle und kann zu 100 Prozent biologisch abgebaut und recycelt werden.
Das Potenzial von Hanf als Industriestoff hat beispielsweise der Thalwiler Martin Klöti erkannt. Der ehemalige Professor für Ökologie und Nachhaltigkeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) gründete 2017 die Genossenschaft Glärnisch Textil, um im Alpenraum eine echte Kreislaufwirtschaft einzuführen, wie er 2021 gegenüber der Handelszeitung erklärte. Ziel war es, aus Schweizer Nutzhanf eine neue Textilindustrie aufzubauen. Am Anfang dieser Idee stand Klötis «naiver Wunsch», keine Jeans mehr kaufen zu müssen, sondern sie selbst zu produzieren. Den Plan, Emmentaler Flachs als Baumwollersatz zu verwenden, verwarf er rasch, weil Hanf die grösseren ökologischen und nutzungstechnischen Vorteile bot.
Schwieriger Rohstoff mit Potenzial
Gemeinsam mit einigen lokalen Bauern startete er ein Projekt, das Nutzhanf als Baumwollalternative marktfähig machen sollte. Erste Versuche zeigten jedoch nicht den gewünschten Erfolg, und auch die Zusammenarbeit mit der Industrie erwies sich als schwierig: «Seit Jahren kämpfte Glärnisch Textil gegen Windmühlen. «Wir sitzen auf Strohlagern, die für die Landwirte zu gross und für die Industrie zu klein sind», sagt Klöti. Zudem vermöge der innerhalb der europäischen Umweltrichtlinien mechanisch aufbereitete Industriehanf die Ansprüche der Modebranche nicht zu erfüllen. Allerdings sei man heute in der Lage, die biogene Kunstfaser Viskose aus Hanf herzustellen – dies sei der einzige Weg für modische Anwendungen mit Nutzhanf. «Mit Modal, Tencel und Co. lassen sich die Kundenerwartungen sehr gut erfüllen, bei gleichzeitig gutem Gewissen in Sachen Umwelt und Gesellschaft», erklärt Klöti.
Wirtschaftliches Potenzial sieht der Visionär hingegen in der Nutzung von Hanf als Baustoff, beispielsweise als Hanfstein oder Hanfbeton. Aktuell gibt es Bestrebungen, Glärnisch Textil mit breiterer Bestimmung in die Simsal Group zu überführen. Diese will vernachlässigte Regionen unter Respektierung der natürlichen Ressourcen stärken. Kürzlich wurde in Ostafrika und im Balkan der Anbau von 2000 Hektaren Nutzhanf vereinbart, aus welchem Baumaterial für dringend notwendige Siedlungen entstehen soll. In der Schweiz pausiert der Hanfanbau dagegen – die Lager sind noch zu voll.