Vor vier Jahren – kurz nachdem sie den Betrieb von ihrem Vater übernommen hatte – setzte Nadine Grieder ein Zeichen: Die Grieder Verpackungen AG in Gütschwil (anonymisiert) stellte die Produktion der Verpackungsmaterialien schrittweise auf CO2-Neutralität um. Auch sollte nun das produzierte Material wenn immer möglich heimkompostierbar sein, zumindest aber aus 100 Prozent Recyceltem bestehen, sodass es auch nach der Nutzung wiederverwertbar ist. Dieser Entscheid rüttelte stark am Bisherigen. Ein komplexer Balanceakt war die Folge: Die Kunden und Kundinnen waren verunsichert, langjährige Mitarbeitende skeptisch und Investoren zurückhaltend. Doch Grieder blieb überzeugt: Nachhaltigkeit ist keine Imagefrage, sondern ein Zukunftsthema. 

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Die Autoren

Ingo Stolz, Professor Führung & Personal, und Christine Bratrich, Vizedirektorin Technik & Architektur sowie Leiterin Weiterbildung, beide HSLU

Heute gilt die Grieder Verpackungen AG als Innovationspartnerin im Bereich nachhaltiger Verpackungslösungen. Das Unternehmen hat nicht nur seinen ökologischen Fussabdruck verkleinert, sondern auch neue Märkte erschlossen und die Mitarbeitenden stärker in die strategischen Prozesse eingebunden. Es ist ein Beispiel dafür, wie unternehmerische Nachhaltigkeit gelingen kann – wenn sie von reflektierter und pragmatischer Führung begleitet wird.

Durch die Transformation führen

Doch was genau macht eine solche Führung aus? Ein zentrales Element ist die Art und Weise, wie Entscheidungsträgerinnen über Nachhaltigkeit denken. Die Forschung zeigt, dass extremes Denken schadet – ob als ideologische Überhöhung oder kurzsichtige betriebswirtschaftliche Abwertung. Denn wird Nachhaltigkeit als moralisches Muss inszeniert, erscheint sie vielen als unerreichbar. Und wird sie als kurzfristig zu kostspielig abgetan, werden strategische Chancen übersehen. Führungskräfte, die sich bewusst zwischen diesen Polen bewegen, erkennen, dass Nachhaltigkeit kein exakt definierter Zustand, sondern ein Verhandlungsraum ist.

Diese Haltung zeigt sich bereits darin, ob Unternehmen dem Thema überhaupt Sichtbarkeit verschaffen. Führungskräfte, die dies ernst nehmen, schaffen für das Thema Nachhaltigkeit also Raum, zum Beispiel indem ihr bisheriges Geschäftsmodell in Bezug auf die Zukunft hinterfragen: Welche Auswirkungen hat unser Handeln langfristig? Welche Mehrwerte wollen wir schaffen? Dieser Raum für grundlegende Reflexionen ist genauso wichtig wie die daraus erfolgende pragmatische Priorisierung. Es geht darum, aus der Vielzahl möglicher Nachhaltigkeitsthemen jene auszuwählen, die mit dem Kerngeschäft am stärksten verknüpft sind. Damit ist Nachhaltigkeit kein Widerspruch, sondern die nächste Entwicklungsstufe. 

Eng verbunden mit einer solchen Unternehmensentwicklung ist die Fähigkeit, Innovationen zu fördern. Führungspersonen, die Nachhaltigkeit als strategisches Thema begreifen, übersetzen abstrakte Visionen und neue Perspektiven in konkrete Schritte. Sie verankern Nachhaltigkeit in der Steuerung, in Zielvereinbarungen und in der Produktentwicklung.

Hierbei spielt ein oft unterschätzter Aspekt nachhaltiger Führung eine zentrale Rolle: die Fähigkeit, mit Unsicherheiten umzugehen. Nachhaltigkeit ist komplex, manchmal mit Zielkonflikten verbunden und nie vollständig planbar. Führungskräfte, die in dieser Ungewissheit handlungsfähig bleiben wollen, brauchen die Fähigkeit, Spannungen auszuhalten, Interessen zu vermitteln und zwischendurch auch mal auf Sicht zu navigieren. Und sie brauchen die Geduld, langfristige Entwicklungen anzustossen, auch wenn kurzfristig Widerstände auftreten.

Stakeholder miteinbeziehen

Zurück zur Grieder Verpackungen AG, denn das Beispiel hilft, diese Prinzipien greifbar zu machen: Nadine Grieder setzte zu Beginn der Transformation auf Dialog – nicht erst nach dem Entscheid, sondern bereits davor. In regelmässigen Werkstattgesprächen mit Teamleitenden, Produktionsmitarbeitenden und Kundschaft wurde erörtert, was zum Beispiel eine möglichst umfassende Umstellung auf heimkompostierbare Materialien bedeutet – für die Prozesse, die Preisgestaltung, die Erwartungen der Kundschaft. Auch betonte die Geschäftsleitung immer wieder, dass Nachhaltigkeit ein legitimer Grund für Prozessveränderungen sei – auch wenn kurzfristig Mehraufwand entsteht. Linienführungskräfte wurden dezentral ermutigt, Ideen aufzugreifen und zu pilotieren – mit Budget, Zeitfenster und Rückendeckung. Hierbei war die Grundhaltung: Die Zielsetzung hin zu mehr Nachhaltigkeit ist klar. Wie wir dorthin kommen, müssen wir aber entwickeln, und zwar gemeinsam. Diese Haltung schuf Vertrauen, gerade in unsicheren Momenten. 

Das Beispiel der Grieder Verpackungen AG zeigt: Nachhaltigkeit ist kein Selbstläufer, aber auch kein Hexenwerk. Es braucht Führung, die nicht nur reagiert, sondern gestaltet und Wege zur Innovation öffnet – mit der Haltung, dass Nachhaltigkeit nicht als Pflicht, sondern als Möglichkeit begriffen werden kann.