«Wohnen geht immer», fasst Christian Auer, Professor für Architektur an der Fachhochschule Graubünden die aktuelle Entwicklung bei den Renditeimmobilien zusammen. Es dominiert ein funktionaler Stil mit ähnlichen Raumaufteilungen und grossen Fenstern, welche die sprichwörtlichen «lichtdurchfluteten» Wohnräume schaffen. «Wobei das Wohnzimmer meistens zu gross ist, wenn man sich die Nutzung und Funktion genauer anschaut», so Auer weiter.
Anpassungsmöglichkeiten fehlen
Schwachpunkt der gegenwärtig bei Renditeobjekten dominierenden Bauweise sind laut Auer die fehlenden Anpassungsmöglichkeiten an veränderte familiäre Zusammensetzungen und Lebensformen. In den kommenden zehn, zwanzig Jahren erhofft er sich eine Entwicklung in Richtung einfacheres Bauen und eine Reduktion auf das Wesentliche. «Dazu gehört auch, dass sich die Grundrisse wieder an die Grundbedürfnisse der Menschen anpassen.»
Auf der anderen Seite gilt: Die ziemlich einheitlichen Vorstellungen, Bauweisen und Raumaufteilungen verlagern die Unterschiede auf ausdifferenzierende Faktoren wie beispielsweise die Bodenbeläge oder Küchenabdeckungen. «Die Standardisierung bringt auch eine gewisse Ruhe in die Ortsbilder», sagt Auer weiter. «Auch wenn sich dadurch die Ortsbilder verändern.»
«Der Wohnungsbau wird spätestens seit dem Wirtschaftsboom in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts eher als Wert- und Renditenanlage denn als Behausung gesehen», konstatiert auch Ron Edelaar, Architektur-Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). «Daraus resultiert, dass die Mieter sich weniger mit dem Haus, in dem sie leben, identifizieren.» Die Menschen tragen ihren Räumen weniger Sorge, ziehen ohne grosse Emotionen wieder aus. Nach wenigen Jahren wirkt das Haus wie aus der Zeit gefallen. Und er ergänzt: «Die Entwicklungen in der Baupraxis und insbesondere im Wohnungsbau sind jedoch träge. Seit den 1960er-Jahren ist die DNA eines Wohnungsgrundrisses fast unverändert. Auch wenn wir heute überwiegend in Ein- oder Zweipersonenhalten leben, mobiler sind, uns zunehmend im virtuellen Raum bewegen und das Essen nach Hause bestellen, bleiben die Wohnungszuschnitte im Wesentlichen unangepasst. Hier müssen die Investoren mehr Mut für fortschrittliche Versuche aufbringen.» Was sich lediglich verändert, sind die Aussenerscheinung, die inneren Oberflächen sowie die zunehmenden, jedoch verborgenen technischen Installationen.
Holz ist auf Dauer schwierig
Bezüglich der Energie ist man beim Neubau von Renditeimmobilien in der Schweiz schon weit. «Minergie hat da viel angestossen», so Auer. Bei solchen Immobilien sind für Investoren die Kosten über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes wichtig – und das verträgt sich nicht mit einer kostengünstig angebrachten Wärmedämmung, die dann in Kombination mit grossen Glasfronten zu einem Hitzeproblem im Objekt führt.
«Auch Holz ist ein wunderbarer Baustoff, aber man kann das schweizerische Bauvolumen gar nicht mit einheimischem Holz bewältigen», sagt Auer. Aktuelle Vorzeigeprojekte wie beispielsweise das Hochhaus, das in Winterthur in Holzbauweise entsteht, weisen nicht in die Zukunft: «Holz ist zwar in natürlichem Zustand in beschränkten Dimensionen und hinsichtlich des Raumklimas ideal, aber es weist natürlicherweise viele Fugen und grundsätzlich eine Wasserproblematik auf.»
«Aus meiner Sicht gibt es kein ‹schlechtes› oder ‹gutes› Baumaterial», findet jedoch Edelaar. «Doch der Baustoff Holz ist ein zeitgenössischer Kompromiss. Man muss wissen, dass das heutige Bauholz mehrheitlich verleimt und die Herkunft des Holzes nicht ohne weiteres nachzuvollziehen ist.» Holz ist im Gegensatz zu Kalkstein, Sand und Erz – die Bestandteile des Betons – ein nachwachsender Rohstoff, der CO2 bindet. «Wenn ein Haus nach vierzig, fünfzig Jahren jedoch rückgebaut wird, landet das Holz aufgrund des Leimgehaltes oder der Farbbehandlung in der Verbrennungsanlage», so Edelaar. «Eine Immobilie soll keine Ware und für einen langen Bestand gedacht und gebaut sein.» Dazu gehört in seinen Augen auch diese Überlegung: Wenn die Weltbevölkerung in etwa dreissig Jahren tatsächlich abzunehmen beginnt und sich in der Schweiz die Zuwanderung reduzieren würde: Wie können wir mit einem rückläufigen Wohnraumbedarf umgehen?
Edelaar erwartet deshalb eine abnehmende (Ersatz-)Neubautätigkeit. «Für Neubauprojekte haben wir uns in den letzten Jahrzehnten sehr viel Erfahrung, Wissen und Sicherheiten erarbeiten können. Unser ganzes System ist darauf ausgerichtet. Bei Umbauten und im Bereich des Unterhaltes einer Liegenschaft müssen wir noch viel dazulernen.»