Ausreichend Geld beziehungsweise risikofähige und weitblickende Investoren, Talente, hohe Forschungs- und Entwicklungskapazitäten, Unterstützung durch die Politik – das sind die Elemente, welche ein Life-Science-Ökosystem ausmachen. Basel schlägt sich beim Vergleich mit den anderen wichtigen Standorten wie London und Boston gut: Rein numerisch ist dieses Ökosystem mit 784 Teilnehmern kleiner als London (4334 Beteiligte) oder Boston (2754 Beteiligte). Aber wenn es um die relative Grösse – die Zahl der Teilnehmenden gemessen an der Einwohnerzahl – geht, liegt Basel vor den beiden konkurrierenden Standorten, wie das Beratungsunternehmen EY kürzlich ermittelt hat.
Einzigartige Dichte
Um die Unterstützung durch die Politik muss man sich hier kaum Sorgen machen. «Die Region Basel ist ein starker Life-Sciences-Standort mit einem einzigartigen Ökosystem», sagt Deborah Strub, Abteilungsleiterin Cluster und Initiativen bei der Handelskammer beider Basel. «Von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung, Produktion, Vermarktung und Vertrieb bis zur Anwendung in der Spitzenmedizin sind alle Akteure hier auf engstem Raum vereint. Auch zeichnet sich unser Standort durch eine gute Durchmischung von Start-ups bis hin zu multinational tätigen Grossunternehmen aus.»
«Basel ist ein sehr attraktiver Life-Sciences-Standort», ergänzt Falko Schlottig, Direktor der Hochschule für Life Sciences und Standortleiter beider Basel der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). «Diese Region ist im globalen Kontext nicht der grösste Life-Sciences-Cluster, aber der mit dem grössten Impact.» Dazu gehören neben den intensiven Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten der Industrie eine stark in die Tiefe gehende und exzellente Grundlagenforschung in der Universität sowie eine enorm breite, anwendungsorientierte und ausgeprägt industrienahe Forschung an der Fachhochschule.
Vernetzung als Erfolgsfaktor
Zu den Erfolgsfaktoren dieser Region gehören zudem eine grosse Vielfalt und eine gute Vernetzung der Einrichtungen untereinander. «In den vergangenen zehn Jahren sind die Studierendenzahlen sowohl national als auch international stark gewachsen», so Schlottig weiter. Neue Arbeitsmodelle ermöglichen die Verwirklichungen der eigenen Ideen sowohl in der Industrie als auch in den Hochschulen. Allerdings: «Auch bei einer angestrebten 50-Prozent-Aufteilung entsteht in der Praxis oft eine Doppelbelastung zwischen Forschung und Betrieb, die auf Dauer kaum zu bewältigen ist», sagt Schlottig weiter. «Diese Doppelbelastungen sind die grösste Hürde – weitere, wie die Ausgestaltung von Arbeitsverträgen oder rechtliche Hindernisse spielen nicht die entscheidende Rolle.»
Lob kommt auch von Start-ups wie Anaveon. «Die Region Basel ist für Life-Science-Unternehmen äusserst attraktiv», sagt Andreas Katopodis, CEO von Anaveon. Die 2017 gegründete Biotech-Firma beschäftigt sich mit der Entwicklung neuer Medikamente unter der Anwendung eines einzigartigen Ansatzes mit Proximity-aktivierten Zytokinen. «Es gibt an dem Standort eine grosse Zahl qualifizierter Fachkräfte und erfahrener Mitarbeiter für alle für Forschung und Entwicklung notwendigen Aktivitäten.
Auch die beiden Basler Pharmariesen loben den Standort. «Basel war und ist zentral für Novartis», heisst es vom Unternehmen. Man verweist aber auch auf den internationalen Wettbewerb. «Um eine dem internationalen Wettbewerb gewachsene und starke Pharmaindustrie mit allen nötigen Forschungs- und Produktionskapazitäten weiterhin in der Schweiz zu erhalten, sind jedoch gute Rahmenbedingungen auf dem Heimmarkt essenziell, da Forschung und Produktion langfristig diesem folgen», heisst es von Roche. Wichtig seien hier Dinge wie eine faire und schnelle Vergütung von Medikamenten, der Zugang zu Fachkräften durch eine Sicherung der bilateralen Beziehung zur EU, Forschungsökosysteme mit internationaler Vernetzung durch Programme wie Horizon sowie eine attraktive Steuerpolitik.
Zu wenig Risikokapital
«Eine zentrale Herausforderung für die Entwicklung junger Life-Science-Unternehmen ist die begrenzte Verfügbarkeit von Risikokapital», beobachtet Rentsch. «Diese Problematik ist nicht Basel-spezifisch, sondern eine europaweite Herausforderung. Die Ursachen liegen in einer insgesamt zu geringen Risikobereitschaft sowie in einer noch unterentwickelten Risikokapitallandschaft.» Und auch Unternehmer Katopodis sieht Verbesserungspotenzial. «Ein besseres Netzwerk an lokalem Risikokapital wird sicherlich mehr Start-ups helfen, und während es im Bereich der Biowissenschaften relativ einfach ist, Startkapital zu beschaffen, ist es eher schwierig, erhebliche Summen für Expansion und klinische Entwicklung aufzutreiben.» Und final sieht Schlottig weiteres Verbesserungspotenzial in der Vielzahl an Regulierungen und Vorschriften, die mittlerweile so umfangreich sind, dass sich auch viele Forschende und Dozierenden mit grossem Zeitaufwand damit befassen müssen.