Wie sind Sie zum Quantencomputer gekommen?

Ich bin Wirtschaftsinformatiker und habe Ende der 1980er-Jahre während des Studiums für Banksysteme programmiert, damals noch auf Mainframes. Später war ich bei der Gründung der Swisscom-IT-Services mit dabei und im Anschluss fast zehn Jahre CIO der Raiffeisen Gruppe. Mit dem Ziel, eine Brücke zwischen Technologie, Strategie und Management zu bauen, habe ich dann eine Beratungsfirma gegründet, um neue Businessmodelle zu entwickeln. Diese Tätigkeit führte mich über das Silicon Valley nach Basel, wo ich gefragt wurde, ob ich für den Innovationscampus Uptown Basel die Technologie-Strategie entwickeln könnte. So entstand Quantum Basel – ein Hub für Quantencomputing und AI.

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Zur Person: 

Damir Bogdan leitet das Kompetenzzentrum Quantum Basel für Quantencomputing und künstliche Intelligenz. Er ist auf digitale Transformation spezialisiert und engagiert sich daneben als Verwaltungsrat in den Bereichen Gesundheitswesen, Hightech und Industrie. 

Warum fiel die Entscheidung auf den Standort Basel?

Die Familie Staehelin hat eine lange Tradition in Basel und sie möchte während jeder Generation der Stadt etwas zurückgeben. Der Innovationscampus ist Teil der Legacy und Vision von Monique und Thomas Staehelin, die damit etwas gegen die mögliche Deindustrialisierung der Schweiz tun möchten. Basel ist ein Zentrum für Life-Sciences und bietet eine hervorragende Umgebung für Forschung und Entwicklung. Die Nähe zu Firmen wie Roche ist vorteilhaft für viele Anwendungsgebiete, die in den nächsten Jahrzehnten möglich sein werden, wie zum Beispiel die personalisierte Medizin. Der Campus war früher ein Industriegebiet und wurde jetzt zu einem Innovationszentrum umgebaut, das modernste Technologien und Forschungseinrichtungen beherbergt. Umgesetzt und entwickelt wurde der Campus vom Arealentwickler Hans-Jörg Fankhauser. Besonders spannend ist die Aussicht, dass sogar vielleicht einmal ein Nobelpreis gewonnen werden könnte, wenn in so einem Ökosystem genügend innovative Firmen zusammenkommen und zusammenarbeiten.

Ein erster Schritt ist hier gemacht, auf dem Campus steht nun der kommerzielle Quantencomputer … über den Sie einmal sagten: «Wer sagt, dass er die Technologie, die im Quantencomputer steckt, verstanden habe, beweist damit gerade, dass er es nicht verstanden hat.»

Die Quantenphysik und Quantenmechanik sind extrem komplexe Fachgebiete. Albert Einstein beschrieb bereits vor über hundert Jahren das Phänomen der Verschränkung (Entanglement) – also dass zwei Teilchen über beliebige Entfernungen miteinander verbunden bleiben können. Bis heute lässt sich dieser Effekt zwar experimentell bestätigen, aber nicht vollständig erklären. Physiker wissen also, dass es funktioniert, aber nicht immer genau, warum, und was dies für unser Weltbild bedeutet. Und das gilt auch für weitere Prinzipien, auf denen Quantencomputer basieren.

Bis wohin haben wir es denn verstanden?

Ein Quantencomputer nutzt genau quantenphysikalische Phänomene wie Verschränkung und Überlagerung (Superposition). Überlagerung bedeutet, dass ein Quantensystem – etwa ein einzelnes Teilchen – nicht nur in einem einzigen Zustand ist, sondern gleichzeitig in mehreren Zuständen existieren kann. Im Unterschied zu klassischen Computern, die mit Bits arbeiten, die entweder null oder eins sind, arbeiten Quantencomputer mit Quantenbits (Qubits). Dadurch kann man null und eins gleichzeitig verarbeiten – was grundlegend neuartige Algorithmen ermöglicht.

Lässt sich das konkretisieren? 

Ein klassischer Rechner kennt nur die zwei Zustände null und eins. Ein Quantencomputer hingegen kann Zustände dazwischen nicht nur wahrnehmen, sondern auch gleichzeitig verarbeiten. Stellen Sie sich vor, Sie werfen eine Münze in die Luft. Ein klassischer Computer sieht nur das Ergebnis: Kopf oder Zahl. Ein Quantencomputer sieht gleichzeitig beide Möglichkeiten – solange die Münze noch in der Luft ist. Diese Eigenschaft erlaubt es, viele Quantengrundzustände parallel zu bearbeiten, was zu einem potenziellen Effizienzgewinn führt – gerade bei sehr komplexen Problemstellungen.

Aber wie kann man etwas bauen, das man nicht detailliert versteht?

Dank jahrzehntelanger Grundlagenforschung und technologischer Fortschritte wissen wir heute, wie man Quantencomputer bauen kann – und die zugrundeliegende Quantenmechanik wurde in hochpräzisen Experimenten immer wieder bestätigt. Es gibt verschiedene technologische Ansätze, sogenannte Architekturen, für Quantencomputer. Manche basieren auf Ionenfallen: Dabei werden einzelne Ionen mit Lasern manipuliert. Andere setzen auf supraleitende Schaltkreise, bei denen Strom durch supraleitende Materialien fliesst. Jede dieser Architekturen bringt ihre eigenen Chancen und Herausforderungen mit sich – und aktuell sind wir noch in einer Phase, in der sich nicht herauskristallisiert hat, wie genau die Technologien zusammenarbeiten und ob eine langfristig führend sein wird.

Wo kommen Quantencomputer zum Einsatz?

Zum Beispiel, um komplexe Produktionsprozesse in der Fabrik eines Life-Science-Anbieters zu optimieren. Wir haben mit Quantenalgorithmen und KI-basierten Modellen bereits solche Prozesse um 62 Prozent effizienter gemacht und Verspätungen um 30 Prozent reduziert. Dadurch kann das Unternehmen auf Wochenendarbeit verzichten. Vor dem Einsatz der Quantencomputing-Technologie dauerte dieser Herstellungsprozess mehrere Wochen. Ein anderes Beispiel ist die Optimierung von Belüftungs- und Kühlanlagen in Fabriken, wo wir erhebliche Material- und Energieeinsparungen in den Netzwerken realisieren konnten. Diese Simulationen waren so präzise, dass sie in Zukunft möglicherweise komplexe Versuchsreihen ersetzen könnten.

Lohnt sich der Einsatz von Quantencomputing nur für Unternehmen?

Quantencomputer sind nicht Mainstream und noch eine sehr junge Technologie. Erste Vorteile werden vor allem im Verbund mit KI realisiert. Logistikfirmen könnten zum Beispiel ihre Effizienz um einige Prozent steigern, was enorme betriebliche Vorteile bringt. Stichworte sind hier «Time Series Forecasting» oder «Job Shop Scheduling». Es ist aber auch wichtig, dass Unternehmen jetzt beginnen, ihre Verschlüsselung auf neue, quantumsichere Standards umzustellen, da Quantencomputer dereinst die derzeitigen RSA-Verschlüsselungen entschlüsseln können. 

Was kostet eigentlich so ein Quantencomputer?

Diese Frage kann ich nicht detailliert beantworten, da Vertragsdetails vertraulich sind. Allerdings kann ich sagen, dass der erste kommerzielle Rechner von IonQ in der Schweiz eine bedeutende Investition darstellt. Das US Air Force Research Laboratory bezieht ebenfalls solche Systeme, was die Bedeutung dieser Technologie unterstreicht. Die Investition in Quantencomputer ist ein strategisches und langfristiges Projekt. Die Effizienzsteigerungen und technologischen Potenziale rechtfertigen diese Summen. Gerade die geopolitische Situation zeigt aber deutlich, wie wichtig das Angebot solch digital souveräner Infrastrukturen innerhalb eines Landes sind. Das gilt gerade auch für die in Uptown Basel existierende Koexistenz mit Nvidia-AI-Chips via Phoenix.

Warum lohnen sich diese Investitionen dennoch?

Quantencomputing wird eine zentrale Rolle bei der Lösung komplexer Probleme, der KI und der Optimierung von Prozessen spielen. Ihre Energieeffizienz könnte auch Vorteile bringen, was besonders in Zeiten der zunehmenden Strombelastung durch Rechenzentren wichtig ist.

Thema Datensicherheit: Wo steht der neue Hochleistungsrechner hier?

Ich würde hier gerne anders ansetzen, denn wir müssen uns zuerst auch auf die Bedrohung der Datenverschlüsselung durch Quantencomputing vorbereiten. Darüber hinaus müssen wir uns auch mit den Herausforderungen der Datensicherheit auseinandersetzen. Die derzeitigen RSA-Verschlüsselungsalgorithmen, die auf Primzahlen basieren, können durch zukünftige Quantencomputer geknackt werden. Es gibt bereits neue mathematische Modelle, die als sicher gegen Quantencomputer gelten, und Unternehmen müssen diese neuen NIST-Standards einführen, um ihre Daten zu schützen. 

Wie ist die Schweiz diesbezüglich aufgestellt?

Die Schweiz, aber auch andere Länder müssen hier verstärkt investieren, um nicht den Anschluss an die weltweite Innovation zu verlieren. Langfristig geht es darum, Quantencomputing richtig zu nutzen und durch Forschung und Entwicklung kontinuierlich Fortschritte zu erzielen. Doch «harvest now, decrypt later» wird für viele Organisationen eine grosse Herausforderung sein. Unternehmen müssen daher ihre Daten archivieren, bestehende Daten neu verschlüsseln und sicherstellen, dass alle neuen Daten nach diesen neuen Algorithmen verschlüsselt werden. Der Bund hat dies für sich selber bereits an die Hand genommen.

Und zum Schluss ein Blick in die Zukunft … 

Insgesamt sind die Möglichkeiten der Quantencomputing-Technologie gewaltig und wir stehen erst am Anfang dieser Revolution. Die Investitionen von heute werden die Innovationen von morgen vorantreiben, und die Schweiz, inklusive Basel, hat das Potenzial, ein globales Zentrum für Quantenforschung und -anwendungen zu werden. Neben der ETH Zürich und der EPFL in Lausanne haben sich bereits viele Quantum-Initiativen und Quantum-Unternehmen gebildet, die das Schweizer Quantum-Ökosystem ausmachen. Wenn wir in die Zukunft blicken, könnten Quantencomputer dazu beitragen, hoffentlich bahnbrechende Innovationen in der medizinischen Forschung zu erzielen – etwa die Faltung von Proteinen und die Entwicklung personalisierter Medikamente.