Die Zentralschweizer Wirtschaft wächst kräftig – und das allen Widrigkeiten zum Trotz. Sie profitiert dabei von einem günstigen Branchenmix. Die Kehrseite des Konjunkturerfolgs ist unter anderem ein Mangel an Arbeitskräften. Zudem ist der Aussenhandel stärker als in anderen Grossregionen auf Europa ausgerichtet. Dies führt dazu, dass wegen der Konjunkturflaute im Euroraum der Wirtschaft derzeit ein rauerer Wind entgegenweht. Für 2024 erwarten wir, dass sich die Wachstumsaussichten aufhellen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Der Autor

Brian Mandt, Chefökonom, Luzerner Kantonalbank, Luzern.

 

Die Zentralschweiz ist mit Fug und Recht das wirtschaftliche Kleinod der Schweiz. Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri und Zug machen zusammen zwar nur knapp 10 Prozent der gesamtschweizerischen Wirtschaftsleistung (BIP) aus. Die Zentralschweiz ist damit lediglich die sechstgrösste der sieben Grossregionen. Jedoch zählt sie zu den dynamischsten Regionen. So stieg die Wirtschaftsleistung 2021, aktuellere Zahlen werden erst 2024 publiziert, inflationsbereinigt (real) um 7,1 Prozent zum Vorjahr. Damit wuchs sie 1,7 Prozentpunkte stärker als die Gesamtschweiz. Zudem war sie die einzige Region, die im Pandemiejahr 2020 wuchs.

 

Hoher Industrieanteil

Auch 2022 dürfte die Zentralschweiz die Nase vorn gehabt haben. Darauf deuten unter anderem der KOF-Geschäftslageindikator sowie der Finanzmonitor Zentralschweiz hin. Die Umfragen zeigen, dass das verarbeitende Gewerbe einer der wichtigsten Wachstumstreiber war. Hierbei kommt der Region zugute, dass sie einen höheren Industrieanteil hat als andere. 27 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung stammen aus der Industrie, während sie auf Bundesebene einen Anteil von 23,5 Prozent hat. Traditionell sind dabei der Maschinenbau und die Bauprodukteindustrie stark vertreten. Doch auch der Dienstleistungssektor erholte sich. Vor allem der für die Region wichtige Tourismussektor gewann an Fahrt.

Die robuste Konjunkturentwicklung spiegelt sich in einer hohen Beschäftigung und einer niedrigen Arbeitslosigkeit wider. So lag die Arbeitslosenquote im September bei 1,2 Prozent und damit unter dem Gesamtschweizer Wert von 2 Prozent. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg im 2. Quartal um 4,5 Prozent zum Vorjahr auf leicht über 500 000. Der Anteil Erwerbstätiger an der Bevölkerung kletterte damit auf gut 70 Prozent. Das ist mit Abstand der höchste Wert unter den Grossregionen. Die Zentralschweiz aktiviert und nutzt ihr Arbeitskräftepotenzial also besser als die anderen Regionen. Auch die Erwerbstätigenquote unter den Frauen lag mit gut 65 Prozent auf dem höchsten Stand im Regionenvergleich. Auf Bundesebene beträgt sie gut 60 Prozent. Die starke Wirtschaftsentwicklung hat jedoch zu einem breiten, konjunkturbedingten Anstieg des Arbeitskräftemangels geführt. Im 2. Quartal gaben knapp 47 Prozent der Unternehmen an, dass sie qualifizierte Arbeitskräfte gesucht und diese nur mit Mühe oder nicht gefunden hätten. Auch ungelernte Arbeitskräfte sind Mangelware. Auf Dauer beeinträchtigt das aber die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Zentralschweiz. Schon jetzt wirkt sich der Personalmangel dämpfend auf das Wirtschaftswachstum aus. So können die teilweise noch hohen Auftragsbestände nur langsam abgearbeitet werden. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, geben die vom Finanzmonitor befragten Unternehmen an, dass sie verstärkt in die Mitarbeitendenentwicklung investieren wollen.

Der Zentralschweizer Industrie weht mittlerweile jedoch ein rauerer Wind entgegen als in den vorangegangenen zwei Jahren. Die globale Nachfrage hat nachgelassen und dämpft damit die Exportwirtschaft. Hierbei kommt dem Aussenhandel eine grosse Bedeutung zu, denn Ex- und Importe machen fast 66 Prozent am Zentralschweizer BIP aus. Nur die Nordwestschweiz hat wegen der Pharma- und Chemieindustrie eine höhere Aussenhandelsquote von gut 144 Prozent. Insbesondere die verhaltene Konjunkturentwicklung Europas, dem mit einem Exportanteil von fast 59 Prozent grössten Absatzmarkt der Zentralschweiz, macht den Unternehmen zu schaffen. Vor allem die Kantone Luzern und Uri, die 72 Prozent beziehungsweise 87 Prozent ihrer Waren nach Europa ausführen, haben das Nachsehen. Gleichzeitig beeinträchtigte der starke Franken die preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Daran dürfte sich unserer Meinung nach vorerst wenig ändern, denn wir erwarten, dass der Franken auch in den nächsten Monaten gegenüber Euro und US-Dollar stark bleiben wird.

 

2024 wird besser

Besser läuft es dagegen aktuell im Dienstleistungssektor. So suchen die Touristen aus dem Ausland die Zentralschweiz wieder verstärkt auf. Für 2024 schätzen wir die Wachstumsaussichten wieder positiver ein. Die globale Nachfrage sollte sich erholen. Denn wir erwarten, dass Händler und Produzenten weltweit ihre Lager, die sie mehr als sonst, unter den normalen Stand geleert haben, wieder auffüllen werden. Das wird auch der Zentralschweizer Industrie Rückenwind verleihen. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte werden von einer anhaltend positiven Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung gestützt. Gleichzeitig sollte die Investitionsnachfrage wieder zulegen.

Die vom Finanzmonitor befragten Betriebe planen dabei Erweiterungsinvestitionen, das heisst Investitionen, die auf eine Verbreiterung des eigenen Geschäfts abzielen. Gleichzeitig wollen sie in der Zentralschweiz investieren. Dies ist ein deutliches Bekenntnis für die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Zentralschweiz.