Die Speicherchipbranche, die für ihre Boom-und Rezessionszyklen bekannt ist, hatte einen stabileren Kurs eingeschlagen. Eine Kombination aus disziplinierterem Management und neuen Märkten für die Produkte – einschliesslich 5G-Technologie und Cloud-Services – sollte dafür sorgen, dass die Unternehmen planbarere Erträge liefern. Doch weniger als ein Jahr nach den Ankündigungen der Unternehmen erlebt die 160 Milliarden Dollar schwere Branche eine ihrer schlimmsten Krisen überhaupt.

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In den Lagern herrscht ein Überangebot an Chips, die Kunden kürzen ihre Bestellungen, und die Produktpreise sind eingebrochen. «Die Chipindustrie dachte, dass die Zulieferer eine bessere Kontrolle haben würden», sagte Avril Wu, Senior Research Vice President bei TrendForce. «Dieser Abschwung hat bewiesen, dass alle falsch lagen.»    

Die beispiellose Krise vernichtet nicht nur Geld bei Branchenführern wie SK Hynix und Micron Technology, sondern destabilisiert auch deren Zulieferer. Zudem beeinträchtigt sie asiatische Volkswirtschaften, die von Technologieexporten abhängig sind, und zwingt die wenigen verbleibenden Speicheranbieter, Allianzen zu bilden oder sogar Fusionen in Betracht zu ziehen.  

Lagerbestände verdreifacht

Nachdem die Pandemie den Umsatz der Branche durch die Ausstattung von Home Offices und den Kauf von Computern, Tablets und Smartphones ankurbelte, ging es schnell bergab. Jetzt halten sich Verbraucher und Unternehmen mit grossen Anschaffungen zurück, da sie mit Inflation und steigenden Zinsen zu kämpfen haben. Die Hersteller dieser Geräte, die Hauptabnehmer von Speicherchips, bleiben plötzlich auf ihren Lagerbeständen sitzen.  

Schon jetzt verlieren Samsung Electronics und seine Konkurrenten mit jedem produzierten Chip Geld. Ihre kollektiven Betriebsverluste werden in diesem Jahr voraussichtlich einen Rekordwert von 5 Milliarden Dollar erreichen. Die Lagerbestände – ein wichtiger Indikator für die Nachfrage nach Speicherchips – haben sich mehr als verdreifacht und sind auf ein Rekordniveau von drei bis vier Monaten angewachsen.  

Historische Umsatzeinbrüche bei den Giganten

Selbst die Halbleitersparte von Samsung, die dank der Grösse des südkoreanischen Giganten relativ unbeschadet davonkommt, steuert auf Verluste zu. «Die Umsätze der Chipausrüster brechen um 30 bis 50 Prozent ein. Das ist keine normale Situation», sagte Greg Roh, Leiter der Technologieforschung bei HMC Investment & Securities.  

Die Aktien von Samsung fielen am Montagmorgen über zwei Prozent. SK Hynix fiel 1,6 Prozent. Die Branche leidet unter einer einzigartigen Kombination von Umständen – einer Pandemiekatastrophe, dem Krieg in der Ukraine, einer historischen Inflation und Unterbrechungen der Lieferketten – die den Einbruch viel schlimmer gemacht haben als einen normalen zyklischen Abschwung.    

Micron, der letzte verbliebene US-amerikanische Hersteller von Speicherchips, hat aggressiv auf den Einbruch der Nachfrage reagiert. Das Unternehmen teilte Ende letzten Monats mit, dass es nicht nur seine Produktion, sondern auch sein Budget für neue Anlagen und Geräte kürzen werde. Das Tempo, in dem sich die Branche erholt, wird davon abhängen, wie schnell die anderen Unternehmen ähnliche Schritte unternehmen, sagte Chief Executive Officer Sanjay Mehrotra.

Zahlen von Samsung mit Spannung erwartet

Alle Augen richten sich nun auf den Speicherchip-König Samsung, der sich bisher wenig zu den kurzfristigen Aussichten der Branche geäussert hat. Der weltgrösste Hersteller von Chips, Smartphones und Bildschirmen wird am Dienstag seine Ergebnisse für das vierte Quartal bekannt geben. Zudem folgt eine Telefonkonferenz, bei der die Analysten die Pläne für das Kapazitätsmanagement hinterfragen werden.

Der koreanische Technologieriese hat in der Regel auch in Zeiten des Abschwungs weiter investiert, in der Hoffnung, bei einem Anziehen der Nachfrage mit einer besseren Produktion und höherer Rentabilität aus der Krise herauszukommen. Diesmal hat der Markt darauf gewettet, dass das Unternehmen sein Chipangebot straffen wird, was den Aktienkurs in den letzten Wochen in die Höhe trieb.    

Öffnung Chinas gibt Hoffnung

Wie auch schon bei früheren Abschwüngen könnte es in der Speicherbranche Fusionen geben. Die Gespräche zwischen den NAND-Herstellern Western Digital und Kioxia Holdings kommen voran, wie mit dem Geschäft vertraute Personen diesen Monat sagten. Allerdings produzieren die Unternehmen bereits gemeinsam, so dass eine Fusion nicht unbedingt zu einer Verringerung der Produktion führen wird.   

Längerfristig stellt sich die Frage, wann die Nachfrage der Kunden wieder anziehen wird. Chinas kürzlicher Ausstieg aus den Covid-bezogenen Beschränkungen könnte ein Katalysator sein. Dadurch könnten die Hersteller von Gadgets ihre Produktionsanlagen wieder in den normalen Rhythmus bringen, so Roh von HMC Investment. «Es wird auch eine aufgestaute Nachfrage nach Gadgets geben», sagte er. «Wir sind der Ansicht, dass sich die Speicherbranche in der zweiten Jahreshälfte erholen wird».

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(bloomberg/nzu)