Albert Baehny ist nicht geschwätzig. Nachdem das Tonband abgeschaltet und das offizielle Gespräch beendet ist, erkundigt sich der neue Geberit-Chef, ob denn das aufgenommene Material für ein Porträt auch genüge. Und schiebt entschuldigend nach: «Ich fasse mich gerne kurz und bringe die Dinge auf den Punkt.»

Das ist nicht selbstverständlich, denn eigentlich ist Baehny ein Verkäufer: Der 52-Jährige hat bis auf seine erste Karrierestation immer in Marketing- und Vertriebsführungsfunktionen gearbeitet.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die knappe Ausdrucksweise hat nichts mit der deutschen Sprache zu tun. Der in Payerne aufgewachsene Westschweizer redet zwar mit französischem Akzent, aber so fliessend wie ein Muttersprachler, und Deutungsspielraum gibt es nie.

Dass Baehny kein Mann der grossen Reden ist, hat eher mit seiner analytischen, nüchternen Natur zu tun. «Auch bei sehr komplexen Problemen behalte ich die Übersicht und kann schnell das Wesentliche erkennen», beschreibt er diese Stärke.

Prägend war vielleicht auch seine erste berufliche Station: Der in Freiburg studierte Biologe begann seinen Berufsweg 1979 in der Forschung beim Biopharmaunternehmen Serono in Genf. Noch heute erinnert er sich gerne an diese Zeit und auch an den «Patron» Bertarelli, den Vater des heutigen Serono-Chefs Ernesto.

Von der Forschung bei Serono in den Verkauf

In der Regel verbringen Forscher ihr ganzes Berufsleben in Labors. Nicht so Albert Baehny. «Es war eher ein Zufall, dass ich die Forschung verlassen habe», erklärt er. «Denn eigentlich habe ich mich immer sehr wohl gefühlt.» In Gesprächen mit älteren Kollegen hat er aber eine gewisse Frustration konstatiert. Die Forschung sei eine Einbahnstrasse, hörte er mehr als einmal beim Feierabendbier.

Dann hat ihm auch noch eine nahe stehende Person geraten, sich neu zu orientieren. «Du bist ein guter Forscher, aber langfristig machst du einen Fehler, wenn du hier bleibst. Du bist jemand, der Leute führen kann.» Diese Einschätzung fand Baehny durch drei Headhunter bestätigt, die er aufrund der gesäten Zweifel fragte, ob er seine Forscherkarriere weiterführen oder abbrechen sollte.

Kurz darauf trat Baehny einen Job bei Dow Chemical in Horgen an. Im Verkauf. Besonders reizvoll sei der Gedanke gewesen, dass er nach einer dreimonatigen Einführung am Zürichsee irgendwo auf der Welt eingesetzt werden würde. Baehny verschlug es nach Deutschland, mit dem ihn auch heute noch viel verbindet. Seine Frau ist Deutsche. Mit der Tochter redet Baehny zwar französisch, aber Antwort erhalte er jeweils auf Schweizerdeutsch. Mit Basler Einschlag, denn die Baehnys wohnen «im grossen Dorf» Arlesheim bei Basel.

Prägende Jahre bei Dow Chemical

Die Zeit bei Dow Chemical war prägend, die Arbeit sehr international. Alle zwei Jahre gab es einen neuen Job, mit neuen Produkten, in einem neuen Land. Baehny musste immer wieder bei null anfangen. Er hat in dieser Zeit vor allem eines gelernt: Flexibel zu sein und den Wert von Teamarbeit zu schätzen.

Kompromisslos bei den Zielen

Diesen Wert will er auch in die Firmenkultur bei Geberit einbringen: «Teamarbeit ist für mich das Wichtigste.» Er führe kooperativ, sagt Baehny: «Ich glaube, ich bin offen, man kann mich sehen, spüren und ansprechen.» Baehny zählt die Motivation von Mitarbeitenden zu seinen Stärken und nimmt für sich in Anspruch, in der Vergangenheit oft gute Teams aufgebaut zu haben. Da wurde jeweils gern gearbeitet und auch häufig gelacht.

In einem Punkt will Baehny aber keine Kompromisse eingehen: «Ich führe mit klaren Zielen, und die müssen erreicht werden.» Er habe wenig Geduld, wenn die Vorgaben aus nicht plausiblen Gründen verfehlt würden.

Von Dow Chemical gelangte Baehny dann zu Ciba, Ciba Spezialitätenchemie und schliesslich zu Vantico, einem Management Buyout von Ciba. Dort hat Baehny eine neue Dimension kennen gelernt: Er war in eine Firmengründung und in Verhandlungen mit Investoren involviert.

Die letzte berufliche Station, bevor Baehny Leiter Marketing und Vertrieb Europa bei Geberit wurde, führte zu Wacker Chemie, wo er Mitglied der erweiterten Konzernleitung war. «Ich hatte nicht vor, Wacker zu verlassen.» Die Baehnys hatten eben ein Haus in München gekauft und renoviert und waren im Begriff umzuziehen. Dann kam der Anruf von Geberit-Chef Kelm. Aus heiterem Himmel übrigens, denn Kelm und Baehny waren sich vorher noch nie begegnet.

Die Faszination, wieder bei null anzufangen

Mehrere Gründe haben Baehny veranlasst zuzusagen: Einerseits private Gründe. Die Familie Baehny war in der Vergangenheit schon oft umgezogen und von einem erneuten Umzug nach München nicht zu 100% überzeugt. Es lockte aber auch eine Herausforderung wie damals beim Wechsel von der Forschung in den Verkauf: «Ich war immer in der Pharma- und Chemiebranche tätig», sagt Baehny. Es habe ihn fasziniert, etwas ganz Neues zu machen, bei null anzufangen. Baehny ahnte: Es war vielleicht die letzte Möglichkeit, in eine andere Industrie zu wechseln. Den Ausschlag hat aber wohl gegeben, dass die Chemie mit Günter Kelm stimmte und dieser Baehny von der Qualität und den Zukunftsperspektiven Geberits überzeugen konnte.

Wie wird Baehny bei Geberit konkret verändern? Baehny, der so oft im Ausland gearbeitet hatte, war nach seiner ersten Teilnahme an einem europäischen Verkaufsmeeting etwas befremdet, dass die Sitzungssprache Deutsch war. «Ich habe gesagt: In einem Jahr gibt es hier eine neue Sprache, und zwar », erinnert sich Baehny. Es sei zwar eine Dummheit, englisch zu sprechen, wenn alle deutsch verstünden. Aber sobald Engländer, Franzosen oder Skandinavier dabei seien, müsse Englisch Pflicht sein. Baehny möchte auch den Hauptsitz in Jona internationalisieren. Man muss Leute aus dem Ausland vor Ort haben, die die jeweiligen Märkte verstehen, ist er überzeugt.

Kein Bedarf, die Strategie Geberits zu ändern

Grosse strategische Veränderungen sind unter Baehny nicht zu erwarten. «Die Grundsätze von Geberit sind sehr gesund. Es wäre ein Fehler, die Strategie zu ändern.» Vielleicht wird sich aber das Arbeitstempo etwas erhöhen. Er liebt Geschwindigkeit und ist nicht jemand, der Geduld hat, «monatelang über ein Thema zu diskutieren». «Wenn wir eine Entscheidung getroffen haben, will ich eine rasche Umsetzung.»

Erholung von seinem Arbeitspensum inklusive des «nicht gerade einfachen Arbeitswegs» findet Baehny beim Sport, auch wenn sich der im Moment aufs Joggen beschränkt. Früher war seine Leidenschaft das Sportklettern gewesen. Dafür reicht die Zeit jetzt schlicht nicht mehr. Immerhin: Hin und wieder geht Baehny auf eine Skitour. Ein zentraler Wert ist zudem seine Familie. «Zuhause bin ich entspannt. Ich bringe sehr selten Arbeitsprobleme heim.»

Entspannt ist Baehny auch nach dem formalen Gespräch, bei der Besichtigung der Toilette der Zukunft die mehr an eine kleine Wellnessarena erinnert. «Pinkeln mit Kultur», sagt Baehny verschmitzt. Er ist umgänglich und lädt uns noch zu einer Tasse Kaffee ein. Er plaudert nicht ungerne. Doch Monologe zu halten, ist definitiv nicht seine Art.



Steckbrief

Name: Albert Baehny

Funktion: Ab 1. Januar 2005 - CEO von Geberit

Alter: 52

Wohnort: Arlesheim BL

Familie: Verheiratet, eine Tochter

Ausbildung: Biologiestudium

Karriere:

1979 Forscher bei Serono

Danach: Marketing- und Vertriebsführungsfunktionen bei Dow Chemical Europe, Ciba Geigy, Ciba Spezialitätenchemie, Vantico und Wacker Chemie.

Zuletzt: Leiter Marketing & Vertrieb Europa bei Geberit

Firma - Geberit:

Der börsenkotierte Sanitärtechnikkonzern fertigt keine WC-Schüsseln, wie viele glauben. Aber die Spülsysteme dahinter, Installationssysteme, Apparateanschlüsse, Hausentwässerungssysteme und einiges mehr. In den ersten neun Monaten dieses Jahres erwirtschaftete das in Jona domizilierte Unternehmen einen Umsatz von fast 1,5 Mrd Fr. Und das bei einer stolzen Betriebsgewinnmarge von 18,3%. Per 1. Januar 2005 gibt es eine Verjüngung der Konzernführung: Der langjährige CEO Günter Kelm wird VR-Präsident, und Albert Baehny rückt auf den Chef-Posten.