Da soll mal einer sagen, deutsche Wertarbeit sei nichts mehr wert! Hinter den US-Riesen Amazon, Walmart und Costco zeigt sich auf der aktuellen Deloitte-Liste die Schwarz-Gruppe als viertgrösste Detailhändlerin der Welt. Das Imperium aus Neckarsulm steht hinter den Lidl-Discountern, die in über dreissig Ländern als preisliche Planierraupe wirken. Lustvoll, im Kampf um jeden Kunden.

Auf der ganzen Welt? Nein. In der Schweiz etwas weniger lustvoll. Hier entschuldigt sich Lidl sogar für tiefe Preise.

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Eine Rabattspirale, aus Fleisch geboren

Um zu verstehen, was im verrückten Schweizer Preis-Herbst 2025 los ist, muss man ein Jahr zurückblicken. Damals senkte Aldi Suisse die Fleischpreise um rund 30 Prozent. Etwas, das kein Händler freiwillig tut, weil er damit – so er den Preisdruck nicht an die Lieferanten weitergibt – die eigene Marge metzget. Die Konkurrenz zog mit – weil sie musste. Marktmeinung damals: Aldi Suisse gebärdet sich als eine Art «Desperate Housewife», der Discounter buhlt verzweifelt um mediale Aufmerksamkeit.

Aldi ist zwar vier Jahre länger als Lidl in der Schweiz und betreibt hierzulande mehr Läden, doch beim Umsatz zieht Lidl gemäss unabhängigen Marktforschern dem Erzrivalen davon. Also macht Aldi Suisse mit preislichen Elektroschocks auf sich aufmerksam. Wer vor einem Jahr so dachte, sieht sich diesen Herbst bestätigt. Aldi Suisse reisst den Brotpreis runter, das Pfünderli liegt nun für 99 Rappen im Gestell. Wieder muss der Rest mitziehen.

Lidl Schweiz entschuldigt sich für tiefe Preise

Jetzt meldet sich Lidl Schweiz und gelobt, auf «medienwirksame Preissenkungen in sensiblen Produktkategorien wie Brot und Fleisch bewusst zu verzichten». Man wolle keinen «unnötigen Druck» auf die Landwirtschaft ausüben. Und schiebt nach, dass man bei Fleisch und Brot preislich nur deshalb runtergegangen sei, «um das Preisversprechen gegenüber der Kundschaft einzuhalten». Lidl Schweiz entschuldigt sich also für die tiefen Preise. Mit Seitenhieb an die Konkurrenz: «Die Initiative ging hierbei nicht von Lidl Schweiz aus.»

Die wundersamen Vorgänge zeigen uns dreierlei. Erstens: Um den besten Preis wird in der Schweiz wieder härter gekämpft – gut für die Konsumenten. Zweitens: Bisher beteuern alle Akteure, dass dieser Kampf den Bauern nicht schade – aber ewig kann das so nicht weitergehen. Drittens: Die Erzrivalen Aldi Suisse und Lidl Schweiz positionieren sich neu. Aldi Suisse als Bad Cop, der die Preise schreddert in Gefilden wie Fleisch und Brot (Milch wäre die dritte helvetische Heiligkeit). Lidl Schweiz zeigt sich als Good Cop, der sich für «verantwortungsvolle Preispolitik statt Preiskampf» stark macht.

Beide Strategien haben ihre Tücken. Diejenige von Lidl ist vordergründig sympathischer, aber auch riskanter. Durch das jetzt abgelegte Fairness-Gelübde darf sich Lidl keinen einzigen Fehltritt leisten. Im Kampf um Hirn, Herz und Portemonnaie steht eine der härtesten Währungen auf dem Spiel: das Image.