Aldi Suisse geht mit einem Super-Bio-Label in die Offensive

Beim Bio-Label Knospe konnte Aldi nicht mitmachen, weil er die Anforderungen des Labels nicht erfüllen konnte. Nun steigt der deutsche Harddiscounter in der Schweiz mit einem eigenen Bio-Programm ins Rennen. Es heisst «Retour aux Sources» und es geht insbesondere bei den Standards für die Tierhaltung, die Fütterung und bei der Rückverfolgbarkeit der Produkte über den Bio-Goldstandard von Konkurrent Coop, die Knospe von Bio Suisse, hinaus. Der Anfang ist bescheiden: 30 Betriebe, die mitmachen, 24 Milch- und Fleischprodukte und Bio-Eier, die ab sofort in den Regalen der 227 Schweizer Aldi-Filialen stehen werden. Zum Vergleich: Nach den Knospe-Richtlinien von Bio Suisse produzieren in der Schweiz 7500 Bauern. Aldi-Schweiz-Chef: «Wir wollen mit den Grossen spielen» Trotzdem dürfte der Schachzug von Aldi-Schweiz-Chef Jérôme Meyer in den Chefetagen von Bio-Platzhirsch Coop genau verfolgt werden. Denn das Ziel ist klar: «Wir wollen bei Bio mit den Grossen spielen», sagt der Aldi-Chef. Ortstermin in Rothrist, zwischen Autobahn und Industriegebiet. Bauer Hans Braun gehört zu den Bio-Bauern der ersten Stunde. Schon vor mehr als 25 Jahren hat er seinen Hof auf Bio umgestellt. Nun gehört der langjährige Knospen-Bauer auf Lehenhof zu den Pionier-Betrieben des neuen Aldi-Labels. Mehr Geld für die Bauern, tieferer Preis für die Konsumenten 102 Rappen bekommt er dabei für einen Liter Vollmilch. Das sind 14 Rappen mehr als die 88 Rappen, die er als Knospen-Bauer bis jetzt hatte. Zudem hat er als Bio-Bauer von Aldi eine Abnahmegarantie. Gleichzeitig bleibt Aldi im Verkauf trotz höheren Standards preislich unter dem Niveau von Coop. Konkret: Aldi verkauft den Liter Vollmilch als der «Retour aux Sources»-Linie für 1.79 Franken, bei Coop kostet der Liter Vollmilch von Naturaplan 1.85 Franken. «Bio soll kein Luxus für wenige sein», sagt Aldi-Chef Jérôme Meyer. «Unser Ziel ist es, hochwertige Bio-Produkte für die breite Bevölkerung zugänglich zu machen.» Das entsprechende, ökologisch sensibilisierte Publikum habe Aldi bereits. «Unsere Untersuchungen zeigen, dass unser Publikum sozioökonomisch gleich zusammengesetzt ist wie das der Grossverteiler.» Tierhaltung ohne Antibiotika Aldi hat viel vor bei Bio. Das Programm garantiert 100 Prozent antibiotikafreie Tierhaltung, «ein Novum in der Schweiz», wie das Unternehmen schreibt. Die Kälber werden mindestens 120 Tage nach der Geburt – bei Bauer Hans Braun sind es sogar 160 Tage – bei ihren Mutterkühen belassen. So kann sich ihr Immunsystem aufbauen und sie sind weniger krankheitsanfällig. Werden die Kälber nach der Geburt von den Müttern getrennt, wie das in der konventionellen Landwirtschaft gemacht wird, so müssen sie oft mit Antibiotika behandelt werden, damit Krankheiten verhindert werden. Die männlichen Kälber und die weiblichen Kälber, die nicht als Milchkühe gebraucht werden, werden aufgezogen und erst als Rinder geschlachtet. «Die Produktion von Milch und Fleisch gehört zusammen», sagt ein Aldi-Verantwortlicher. Die rote und die weisse Platte müssten zusammengeführt werden. Kein Kalbfleisch Kalbfleisch gibt es bei «Retour aux Sources» aus ethischen Überlegungen nicht. Die Tiere sollen dann getötet werden, wenn sie am meisten Proteine für die menschliche Ernährung liefern können, und nicht vorher. Die Rinder werden zu 100 Prozent mit Grünfutter gefüttert, der Einsatz von Getreide und Soja ist tabu. Ganz nach dem Prinzip «feed no food». Zum Vergleich: Bei der Knospe waren lange 90 Prozent Grünfutter Pflicht, inzwischen sind es 95 Prozent. Auch bei den Hühnern sind die Standards fürs Tierwohl bei «Retour aux Sources» besonders hoch. Die Brüder der künftigen Legehennen werden aufgezogen und nicht getötet. Das Programm toppt damit die Knospe, für die das Vergasen von Kücken erst ab 2026 verboten sein wird. Die Hühner haben zudem nicht nur Auslauf, sondern auch schützende Hecken und Sträucher, damit sie ihrer Leidenschaft, dem Picken im Freien, ungehindert und ohne Angst nachgehen können. Aldi verbindet Bio und Regionalität Zudem verbindet das Programm Bio und Regionalität. Die Milch der dreissig Pionierbetriebe – sie kommen alle aus der Gegend von Bauer Braun – wird alle zwei Tage abgeholt und bei Emmi separat verarbeitet. Auch der Aufbau dieser Struktur habe einiges an Aufwand erfordert, sagt der Aldi-Chef. Insgesamt hat das Programm eine Vorlaufzeit von drei Jahren. Pate des Projekts ist Urs Niggli, Bio-Pionier der ersten Stunde und Bio-Gewissen der Schweiz. Ausgerechnet: Niggli leitete während Jahrzehnten das Forschungsinstitut für biologischen Landbau Fibl in Frick AG. Das Fibl ist ein wichtiger Partner für Bio Suisse, die Organisation, die hinter der Knospe steht, dem Bio-Label von Coop. Nun unterstützt Niggli Konkurrent Aldi beim Aufbau eines eigenen Bio-Labels. Die Zusammenarbeit mit Aldi sei für ihn eine Möglichkeit, vieles, das er am Fibl wissenschaftlich erarbeitet habe und das er mit Bio Suisse diskutiert habe, «endlich in Bio-Richtlinien umzusetzen», sagte er. Aldi habe seine Vorstellungen nun übernommen, wie das Tierwohl und die Nachhaltigkeit der Bio-Produktion etwa durch den Ersatz von Kupfer verbessert werden können. Kupfer wird im Bio-Landbau zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt. «Das sind Dinge, die schwierig umzusetzen sind, wenn mehrere tausend Bauern betroffen sind», sagt der Schweizer Bio-Papst. Die Hälfte des Bio-Umsatzes macht Coop Aldis Ziel ist es, den Schweizer Bio-Markt mit einem qualitativ hochstehenden Bio-Angebot neu aufzumischen. Das ist, angesichts der starken Position von Coop, ein ambitioniertes Unterfangen. Der Detailhändler aus Basel machte im vergangenen Jahr 2,1 Milliarden Franken Umsatz mit Bio. Insgesamt lagen die Umsätze der Knospe bei gut 4 Milliarden Franken, was einem Marktanteil von 10,9 Prozent entspricht. Die grösste Herausforderung sei, die Marke «Retour aux Sources» als hochstehende Bio-Marke dem Publikum bekannt zu machen, sagt der Aldi-Chef. Doch auch die Skalierbarkeit dürfte eine Herausforderung sein. Die Knospe ist stark verankert bei den Bio-Bauern. Sie für eine neue Bio-Marke zu gewinnen, wird nicht einfach sein. Trotzdem zeigt die Vergangenheit, dass dem Discounter aus Deutschland einiges zuzutrauen ist. Immerhin ist es Aldi, ebenso wie Lidl, entgegen allen Befürchtungen gelungen, sich in den vergangenen Jahren in der Schweiz zu etablieren. Aldi hat schon viel geschafft in der Schweiz Es sei bemerkenswert, wie es Aldi und Lidl gelungen sei, Fuss zu fassen, sagt Nordal Cavadini, Spezialist für Detailhandel bei Oliver Wyman. Ihr Erfolgsrezept sei, dass sie neben dem Preis, ihrem Steckenpferd, immer wieder auch Leistungskomponenten in ihr Angebot eingebaut hätten. «Dadurch ist es ihnen gelungen, den Unterschied zwischen den Grossverteilern und dem Discounter zu verringern.» Sie hätten dabei immer wieder ein gutes Gefühl für die Ansprüche der Schweizer Konsumenten und Konsumentinnen bewiesen. So hätten sie etwa in der Schweiz ihr Angebot an Frischprodukten wie Obst und Gemüse ausgebaut und ihre Ladenformate modernisiert. Zudem sei es ihnen gelungen, aus der Peripherie heraus in die Innenstädte vorzudringen. «Aldi und Lidl findet man heute nicht mehr nur in der Agglomeration, sondern auch, wie Coop und Migros, in den Städten.» «Die Discounter haben bereits eine lange Reise hinter sich in der Schweiz», sagt der Detailhandelsspezialist. «Bio scheint die nächste Station zu sein.» Ob der Bio-Zug von Aldi in der Schweiz ans Ziel kommt? Die Chance ist da.

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