Wie ist Ihr Name?»

«Auguste.»
«Nachname?»
«Auguste.»
«Wie heisst Ihr Ehemann?»
«Auguste, denke ich.»
«Ihr Ehemann?»
«Ah, mein Ehemann.» (Sie schaut drein, als verstünde sie die Frage nicht.)
«Sind Sie verheiratet?»
«Ja, mit Auguste.»
«Wie lang sind Sie schon hier?» (Sie versucht sich zu erinnern.)
«Drei Wochen.» (Sie war am Vortag eingewiesen worden.)

Mit diesen Worten dokumentierte der deutsche Arzt Alois Alzheimer am 26. November 1901 seine erste Begegnung mit Auguste D. Die Patientin war von ihrem Mann, einem Bauern, in eine psychiatrische Klinik in Frankfurt eingewiesen worden, weil sie vergesslich und aggressiv geworden war.

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Ihre Krankheit wurde später nach dem Arzt benannt: Alzheimer.

Alzheimer ist eine Tragödie für die Betroffenen und ihre Angehörigen.

Die neun Buchstaben stehen für eine der verstörendsten Krankheiten, mit der verloren geht, was den Menschen ausmacht: Erinnerungen, geistige Fähigkeiten, Persönlichkeit. Alzheimer verschone unseren Körper, aber die Krankheit nehme uns unseren Geist, schreibt Karl Herrup, Professor an der Universität von Pittsburgh, in seinem eben erschienenen Buch «How Not to Study a Disease: The Story of Alzheimer’s», aus dem auch das Protokoll zu Auguste D. stammt.

Weltweit dürften fünfzig Millionen Menschen an Alzheimer leiden. 85-Jährige haben ein Risiko von eins zu drei, daran zu erkranken. Trotzdem ist das Verständnis der Krankheit auch 120 Jahre nach Auguste D. noch immer rudimentär.

Welche Rolle spielen die Amyloid-Plaques und die Tau-Verbindungen, die Alois Alzheimer nach dem Tod seiner Patientin in deren Gehirn fand?

Die Reise hin zu einem genauen Verständnis von Alzheimer hat erst begonnen.

Sind sie die Ursache oder die Folge der Erkrankung? Oder verhält es sich bei den Ablagerungen und Alzheimer wie bei den Störchen und den Babys? Es kommt zwar vor, dass die Häufigkeit von Störchen auf der Wiese mit der von Neugeborenen in der Nachbarschaft korreliert.

Trotzdem haben sie keinen Zusammenhang.

Alzheimer ist eine Tragödie für die Betroffenen und ihre Angehörigen. Doch die Krankheit ist auch eine Tragödie der Wissenschaft. Während Jahrzehnten fokussierte sie sich fast ausschliesslich auf die Amyloid-Ablagerungen.

Forscher und Forscherinnen, die alternative Ansätze verfolgten, bekamen kaum öffentliche Gelder.

Auch die Industrie hat Milliarden in klinische Studien mit Wirkstoffen gegen die Amyloid-Ablagerungen investiert. Gewiss, in den vergangenen Monaten konnten mehrere Unternehmen, zuletzt Roche, Erfolge verbuchen.

Die Wirkstoffkandidaten werden von der US-Arzneimittelbehörde FDA als möglicher medizinischer Durchbruch privilegiert behandelt.

Doch dies allein sollte nicht darüber hinwegtäuschen: Die Reise hin zu einem genauen Verständnis von Alzheimer hat erst begonnen.