Es gibt eine Sache, die der Kunde im Onlinehandel nicht kann: Schlendern, anprobieren und neue Dinge in Schaufenstern entdecken. Trotzdem sind Einkaufsstrassen, wie wir sie kennen, ein Auslaufmodel. «Wir werden verödete Innenstädte haben», sagte Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IFH), der «Welt». 

Innenstädte wird es nach wie vor geben, nur werden sie anders aussehen. Die benötigten Verkaufsflächen würden «in den nächsten Jahren um 25 bis 30 Prozent zurückgehen», prognostiziert Benedikt Schmaus, Chef der PwC-Strategieberatung. Der Onlinehandel wird den stationären Handel ablösen, doch der Bedarf nach Läden, in denen die Produkte an- und ausprobiert werden können, bleibt bestehen.

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Apple Stores dienen vor allem der Beratung

Das könnte aussehen wie bislang schon die Apple Stores: In erster Linie kann man dort anschauen und ausprobieren. Den grössten Umsatz macht der Tech-Konzern mit seinen Läden nicht, doch zur Markenbildung und Nähe am Kunden sind sie elementar. Hier kann man sich beraten lassen, sieht die Produkte vor sich und knüpft einen sozialen Kontakt zu einem Mitarbeiter — alles Dinge, die einem vorbehalten werden, wenn man nur online einkauft.

Unter diesem Motto werden in Zukunft auch andere Konzerne ihr Hauptgeschäft online abwickeln, dabei aber trotzdem in den Städten Deutschlands präsent bleiben. Grosse Anbieter wie das Möbelhaus Ikea kennen sich schon damit aus: Im Showroom wird der Kauf abgewickelt, doch dann wird die Ware nach Hause geliefert. So wird es in Zukunft auch mit Kleidung funktionieren.

220 Hosen im Lager statt 3640

Die Händler versprechen sich davon einen grossen Vorteil: Zusammen mit der «Welt» errechnete Schmaus, dass ein Denim-Jeans-Laden derzeit mindesten 3640 Hosen auf Lager haben muss, um der Nachfrage gerecht zu werden. Wird im Laden lediglich anprobiert und nach Hause geliefert, reduziert sich die Anzahl auf 220 Hosen.

Eine ähnliche Idee verfolgt in der Schweiz Jelmoli mit seinem «Digital Concept Store». Kunden sollen ab Herbst 2019 in einer Filiale am Flughafen Zürich virtuell das gesamte Sortiment testen können. Einen Teil der Ware können sie sofort mitnehmen, anderes kann zum Beispiel bis Reiserückkehr in den Kofferraum geliefert werden.

Falsche Lagerung kostet Geld und Kunden Geduld

Ein weiterer Vorteil der Entkoppelung von Anprobe und Lieferung: Bisher passierte es, dass eine Filiale ein bestimmtes Produkt en masse auf Lager hatte, während es in einer anderen Filiale ausverkauft war.

Beides kostet Geld — Produkte zu lagern genauso wie die Nachfrage nicht bedienen zu können.
Bringt man die Produkte einer Region in ein Zentrallager, übergeht man dieses Problem. Die Unternehmen folgen dem Trend nicht nur, die Kostenvorteile treiben sie regelrecht dazu, ihre Filialen zu verkleinern und Showrooms draus zu machen. Schmaus ist sicher: Wir werden «in den nächsten zwei bis drei Jahren eine deutliche Entwicklung sehen».

Mehr und mehr kleine Filialen

Was die Einzelhändler auf der einen Seite machen, wird Amazon auf der anderen tun: Der US-Konzern wird mehr und mehr kleine Filialen gezielt platzieren, wie er es in den USA bereits begonnen hat. In Deutschland sind laut Berichten der «Lebensmittelzeitung» der Start von Amazon Fresh in Berlin und München noch im April geplant. Amazon bestätigte diese Berichte auf Nachfrage nicht. Die Pläne werden schon länger diskutiert, mehrfach hiess es, dass aus München auch Lebensmittel an Schweizer Kunden geliefert würden.

In Deutschland gibt es seit November einen ersten Amazon-Store, in Oberhausen. Im Einkaufszentrum Centro ist das Angebot klein: Alexa, Echo und Kindle — eine Chance, den berühmten Sprachassistenten mal auszuprobieren. Genau das, was Amazon will.

Dieser Artikel erschien zuerst im «Business Insider Deutschland» unter dem Titel «Warum Amazon und Co bald in die Innenstädte ziehen werden».