Sind Sie verbittert, dass Sie nicht als Verwaltungspräsident gewählt wurden?

Anton Scherrer: Nein. Man will ja, dass ich als Migros-Chef weitermache.

Aber Sie bleiben ja nur noch bis Ende Juni 2005 und geben keine Verlängerung ein. Sind Sie verschnupft?

Scherrer: Nein. Es soll keine Lex Scherrer geben. Die Migros hat nun mal das Pensionierungsalter auf 62 festgesetzt. Aber ich war über den Entscheid der Verwaltung überrascht, weil es so aussah, dass ich locker gewinnen könnte.

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Welche Eigenschaften muss Ihr Nachfolger besitzen?

Scherrer: Es braucht eine Persönlichkeit, die höchst belastbar ist. Sie darf nie stur sein, muss aber eine klare Linie vorzeichnen können. Mein Nachfolger muss bewiesen haben, dass er grosse Unternehmen führen kann, deshalb ist Erfahrung von Bedeutung. Er soll von innen kommen, damit er genügend Zeit hatte, das komplexe Unternehmen kennen zu lernen.

Weshalb stellen Sie die Bedingung, dass er innerhalb der Migros rekrutiert wird?

Scherrer: Um die Migros zu führen, braucht es Migros-Erfahrung. Er soll aber auch Menschen orientiert arbeiten und darf auf keinen Fall ein Einzelgänger sein. Er muss kommunizieren können gegen Innen und Aussen. Als Migros-Chef sind Sie praktisch jeden Tag in den Medien.

Engagieren Sie sich, dass endlich einmal eine Frau eine solche Spitzenposition einnimmt?

Scherrer: Ich bin da indifferent. Wenn eine Frau, diese Anforderungen erfüllt, ist das erwünscht. Die Evaluation in der Verwaltung hat noch nicht begonnen.

Sie haben bereits die Weichen Richtung Mann gestellt und haben Herbert Bolliger, Chef von Aare Migros, vorgeschlagen.

Scherrer: Das stimmt. Herbert Bolliger besitzt die Eigenschaften, die ich vorher aufzählte. Von seiner Art her ist er vielleicht vielen Leuten nicht so nahe. Aber er hat die fusionierte Genossenschaft Aare zum Erfolg gebracht. In der Migros wurde Leistung in der Vergangenheit stets honoriert.

Welche Perspektiven verfolgen Sie nach der Pensionierung?

Scherrer: Ich könnte doch da und dort etwas helfen.

Als ehemaliger Bauernsohn beispielsweise Ihrer Frau bei der Gartenarbeit.

Scherrer: Ich habe gemerkt, dass ich in der Hausarbeit nicht so perfekt bin. Ich denke eher an Verwaltungsratsmandate.

Ein paar Pensionäre, unter anderem aus dem Kader von Migros, überlegen sich, das Warenhauskonzept von ABM wieder zu beleben. Würden Sie in einer solchen Seniorenrunde mitmachen?

Scherrer: Das ist mir neu. Das müsste ich mir überlegen.

Was wollen Sie bis zu Ihrer Pensionierung Ende Juni 2005 noch durchziehen?

Scherrer: Wir werden die grossen Projekte in der Logistik, Informatik und die zentrale Warenwirtschaft abschliessen.

Sie reissen also nichts mehr Neues an?

Scherrer: Diese Bereiche sind sehr anspruchsvoll. Wir werden aber auch in die Dachmarke Migros investieren und das neue Corporate Design umsetzen. Migros wird in neuem Glanz strahlen. Die Leute werden das spüren. Die Mitarbeiter werden auf ihre neuen Kleider stolz sein. Es gibt allerdings noch andere Projekte.

Und die wären?

Scherrer: Dazu kann ich mich heute noch nicht äussern. Aber Preisführerschaft am Markt bedingt Kostenführerschaft. Es gibt im Schweizer Detailhandel bereits bedeutende Markteindringlinge, die sehr erfolgreich agieren wie Mediamarkt, Ikea, H&M. Und jetzt melden sich auch Mitbewerber im Superverbrauchermarkt und Discountbereich Rewe, Carrefour, Lidl. Da gilt es, rechtzeitig aktiv zu sein, fähig zu sein, mit geringeren Margen zu leben.

Sie betonen das Kostenbewusstsein. Ihr Präsident, Claude Hauser, plädierte aber für höhere Preise, um höhere Löhne zu erreichen. Ist das realistisch?

Scherrer: Er hat darüber nur etwas sinniert.

Worin besteht die grösste Herausforderung für Ihren Nachfolger?

Scherrer: Die Liberalisierung der Grenzen kommt, ob die Schweiz der EU beitritt oder nicht, beispielsweise ab 2007 wird Käse unverzollt in die Schweiz eingeführt. Das gibt massgebliche Veränderungen, deshalb muss man die Hausaufgaben jetzt lösen. Unsere Landwirtschaft wird ein Problem mit der Milchmenge und den Käseexporten erhalten, weil die staatlichen Beihilfen wegfallen.

Was bedeutet dies für die Migros?

Scherrer: Wir müssen uns vorbereiten und die Effizienz steigern, damit wir nicht höhere Margen als unsere ausländische Konkurrenten brauchen. So wird auch deren Markteindringung erschwert. Das wären meine Themen, und ich würde das Nötige tun, damit die Migros munter und gesund in die Zukunft geht und nicht die Augen verschliesst vor solchen Herausforderungen.

Sind Sie auch selbstkritisch?

Scherrer: Weshalb soll ich mich zerfleischen? Ich bin ein positiver Mensch und neige nicht dazu, alles negativ zu hinterfragen. Wissen Sie, ich bin gut bedient. Ich habe eine gescheite Frau, die mich wenn nötig kritisiert.

Was kritisiert Ihre Frau?

Scherrer: Das kommt nicht in dieses Interview.

Sind Sie mit Ihrem vergangenen Jahr zufrieden?

Scherrer: Ja. Wir sind Gewinner.

Coop ist aber mehr gewachsen als Migros.

Scherrer: Die haben in letzter Zeit 20% Verkaufsfläche dazugekauft. Organisch sind wir etwa gleich stark gewachsen. Coop besass vorher 10% weniger Verkaufsfläche als Migros. Jetzt hat Coop etwa 10% mehr, dank den Zukäufen.

Weshalb kommen Sie zum Schluss, dass die Migros dennoch die Gewinnerin ist?

Scherrer: Insgesamt haben wir Marktanteile gewonnen. Selbst unser Reisegeschäft Hotelplan konnte im schwierigsten Reisejahr überhaupt trotz Sars und Irak-Krieg 13,5 Mio Fr. Gewinn erzielen.

Wie schätzen Sie das kommende Jahr ein?

Scherrer: 2004 wird ein ganz gutes Jahr für die Migros werden. Sofern nicht etwas Unerwartetes wie ein Krieg ausbricht. Das Jahr hat fulminant gestartet. Wir liegen mit unseren Umsatzzahlen weit über Budget. Im ersten Quartal des laufenden Jahres hat die Migros über 4% zugelegt. Das ist ein hervorragendes Ergebnis und liegt über unserem Budget. Auch bei Hotelplan liegen wir plus 6%, und selbst der Warenhausbereich hat sich neu belebt hat. Die Industrie läuft überaus effizient, und auch die Bank arbeitet hervorragend.

Weshalb läuft es für die Migros 2004 so gut?

Scherrer: Im letzten Sommer war der konjunkturelle Tiefpunkt erreicht, seither hat unser Geschäft wieder angezogen. Auch Globus liegt 2004 in den angestammten Geschäften gut 5% im Plus.

Das ist wohl nicht flächenbereinigt. Schliesslich wurde Mitte letztes Jahr ein neues Globus-Geschäft am Zürcher Bellevue eröffnet und im Globus Genf eine Delikatessa installiert.

Scherrer: Das stimmt, ich spreche von absoluten Zahlen.

Sehr erfolgreich ist die Migros mit Ihren M-Budget-Produkten. Wollen Sie M-Budget-Läden -eröffnen anstelle der PickPay-Läden, die bei Migros Mieter sind.

Scherrer: Da entwickeln Sie ein ganzes Konzept! Das entspricht aber nicht unserem. Was Rewe mit PickPay definitiv vor hat, wird sich zeigen.

Ihre Markenartikelstrategie bereitet PickPay viel Kummer. Wollen Sie diese weiter forcieren?

Scherrer: Wir werden mit den Markenartikel maximal 300 Mio Fr. umsetzen. Das ist wenig bei einem Gesamtumsatz von 14,4 Mrd Fr. Die Politik der eigenen Marken wird zentral bleiben.



Profil: Steckbrief

Name: Anton Scherrer

Funktion: Präsident der Generaldirektion des Migros-Genossenschafts-Bundes

Alter: 62

Wohnort: Kilchberg

Familie: Verheiratet, drei erwachsene Kinder

Hobby: Sport in gesundem Mass, Musik, moderne Kunst, Jagd

Karriere:

1984-1989 Vorsitzender der Geschäftsleitung der Brauerei Hürlimann

1990-1991 Delegierter des Verwaltungsrates der Hürlimann-Holding

1991-1997 Eintritt in den MGB, Chef Departement Industrie

1997-2001 Chef Departement Industrie & Logistik des MGB

ab Sept. 2001 Präsident des MGB



Schlagworte:

«Ich bin Nicht-Mitglied des VCS...,

...teile aber die Zielsetzung des VCS. Mit ihren systematischen Einsprachen schiessen sie aber weit über das Ziel hinaus.»

«Ich habe ein intaktes Verhältnis zu den Gewerkschaften...,

...denn ich bin einfach aufgewachsen und habe als Student auch in Fabriken gearbeitet.»

«Ich schätze PickPay als Mieter, weil...

...wir eine bewährte Partnerschaft führen und sie unser Sortiment mit Alkohol und Tabakwaren ergänzen.»