Der perfekte Apéro ist eine flotte Dreierkombination aus plaudern, trinken und ganz wichtig knabbern. Zu Weisswein, Cüpli, Bier und Saft gehört was Festeres. Die Knabberindustrie, oder korrekter, die Hersteller der Häppchen wissen das zu schätzen. Für rund 270 Mio Fr. verkauften sie im letzten Jahr die salzigen Versuchungen über den Detailhandel. Dazu kam laut Marktforschungsinstitut AC Nielsen ein geschätzter Umsatz von 135 Mio Fr. an Kiosken und Tankstellen, über Catering-Services und Gastronomen.

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Der Detailhandel unterscheidet vier Kategorien: Bei den Chips konnte mit 119 Mio Fr. der Umsatz 2004 leicht gesteigert werden, während Snacks mit 45 Mio Fr. stagnierten und Apérogebäck mit 62 Mio Fr. (1,5%) sowie Nüsse mit 43 Mio Fr. (3%) weniger begehrt waren.

Über die Jahre hinweg stabil

«Gesamthaft ist der Absatz auch in diesem Jahr leicht rückläufig», erklärt Migros-Sprecherin Monika Weibel. Das ist für Mathias Adank, CEO der Zweifel Pomy Chips AG, nicht alarmierend. «Es gibt immer wieder kleinere Schwankungen, aber letztlich ist der Markt über die Jahre doch sehr stabil», betont er.

Ein Blick auf die Haushalte zeigt, dass es «Apéroabstinenzler» geben muss. Lediglich 55% der Haushalte decken sich nämlich regelmässig mit Snacks und Nüssen ein, ein Viertel verzichtet auf Chips und Apérogebäck. Im Schnitt kauft ein Haushalt 7,2- mal pro Jahr Kartoffelchips und 3,5-mal Nüsse ein.

Grundsätzlich wird übers ganze Jahr geknabbert. Doch die Konsumkurve steigt in den Wochen vor Weihnachten. Grund sind die vielen Firmenessen. Nach Silvester, am Ende dieser Apéro-Hoch-Zeit, taucht sie wieder. Auch die sommerliche Grillsaison kurbelt das Geschäft regelmässig an.

Hoffen auf die Fussball-WM

Weil Snacks und Chips häppchenweise verzehrt werden können, sind sie zum Entsetzen der Ernährungsexperten idealer Fingerfood vor dem Fernsehen. «Die Branche erwartet deshalb während der Fussball-WM den nächsten Absatz-Gipfel», erklärt Denner-Sprecherin Eva-Maria Bauder.

Das Geheimnis hinter der Leidenschaft am Knabbern lässt sich schwer ergründen. «Chips geben mir das Gefühl eines existenziellen Verlorenseins», philosophiert etwa der Journalist Miklos Gimes im «Tages-Anzeiger». Er muss aber einräumen, dass er bei den «Burts hand fried Potato Chips» jeweils mächtig zugreift, weil sie so köstlich nach Kartoffeln, frischem Öl und Meersalz schmecken.

Wer jedoch als Gastgeber nur gesalzene Erdnüsse und Pommes Chips anbietet, gilt fast schon als fantasielos. Die Gäste ihrerseits verhalten sich häufig widersprüchlich. «Zuerst stöhnen alle, und dann greifen sie doch zu», hat Bauder immer wieder beobachtet.

Das gesalzene Knabberzeugs regt den Durst an, und umgekehrt meldet sich beim Trinken ein erhöhter Salz- und Mineralienbedarf. Unbestritten ist jeder Apéro eine günstige Gelegenheit, um der eigenen Person mehr Gewicht zu verleihen. Pommes Chips und Erdnüsse sind so kalorienreich wie Schokolade. Soll man aber deswegen gleich Leinsamen-Knäckebrot auftischen? Nur Spielverderber schwatzen im Apéro-Smalltalk von Ernährungssünden. Abgesehen davon enthalten zum Beispiel Erdnüsse jede Menge Magnesium. Das wiederum hilft gegen Muskelkrämpfe und Rückenbeschwerden, falls sich ein Apéro zu sehr in die Länge ziehen sollte.

Zweifel ohne Konkurrenz

Zurück zum Handel und zur Industrie: Beim weitaus wichtigsten Apéro-Produkt, den Kartoffelchips, beherrscht Zweifel seit Jahrzehnten den Markt. Auf «zwei Drittel» beziffert CEO Adank den Anteil. Mal abgesehen von den Eigenmarken der Grossverteiler hat Zweifel keine namhaften Konkurrenten in der Schweiz. Der Import der Chips ist wegen der hohen Zölle zu teuer. Über 5000 t Chips aus Kartoffeln, dazu 1200 t Snacks aus Getreide und Mais wirft Zweifel pro Jahr auf den Markt.

Auch wenn für viele Konsumenten Zweifel längst ein Synonym für Chips ist, so haben die dünnen Scheibchen ihren Ursprung anderswo. Erfunden hat sie 1853 ein Koch in den USA, weil sich ein Gast andauernd über zu dicke Bratkartoffeln beschwerte. Der Meckerer war übrigens «Eisenbahnkönig» Cornelius Vanderbilt. 1920 begann die industrielle Herstellung, und nach dem 2. Weltkrieg entdeckte auch Europa die Pommes Chips. 1958 startete Zweifel in der Schweiz.

Tradition und Innovation

Bei den Apérogebäcken sind Cornu SA, Hug, Kambly, Midor/Migros und Roland wichtige Produzenten. Einerseits setzten sie auf Tradition, anderseits auf Innovationen. Letztere sind wichtig, «denn der Konsument sucht neben den gewohnten Produkten immer wieder nach einer Überraschung», sagt Valora-Sprecherin Stefania Misteli.

Die Goldfische von Kambly zum Beispiel schwimmen schon seit 50 Jahren durchs Snack-Gewässer. Ihnen leisten jetzt Paprika-Seepferdchen und Mohn-Schildkröten Gesellschaft. «Damit konnten wir im Cracker-Bereich in diesem Jahr Marktanteile hinzugewinnen», verrät Kambly-Sprecherin Angela Scalese.

Zweifel preist seine Curry-Chips mit Wortspielen wie «Dehli-Katesse» an, die M-Budget-Chips von Migros sind gewellt. Hug schliesslich hat Brot-Crackers mit Alpenkräutern lanciert. Fantasie und Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Apéro-Trends: Die erfolgreichste Innovation

Im Apéro-Trend sind vor allem rasant Gewürztes und Fettreduziertes Produkte also, die den Widerspruch von Apéro und Gesundheit aufheben möchten. «Unsere Terra-Chips haben 50% weniger Fett als herkömmliche Chips», erklärt Migros-Sprecherin Monika Weibel. Zweifel möchte mit «schlanken» Chips dem Konsumenten zumindest die Wahl ermöglichen. «Wir sind allerdings nicht Teil der Gesundheitswelle, sondern Hersteller eines Genussproduktes», betont CEO Mathias Adank. Keine Innovation in der ganzen Apéro-Szene war in den letzten Jahren so erfolgreich wie die Pringles von Procter & Gamble. Es gibt sie inzwischen in mehr als einem Dutzend Aromen, in verschiedenen Formen und natürlich auch fettreduziert und gar fettfrei. Im Gegensatz zu den Chips sind Pringles nicht aus dünnen Kartoffelscheiben, sondern aus frittiertem Brei. Sie müssen, weil sie auf der Zunge zerfliessen, gar nicht richtig geknabbert werden. Ideal also für jeden, der beim Apéro den eigenen Mund halten und sich aufs Zuhören konzentrieren möchte. (ps)