Seit der Schweizer Apple-Blog «Macprime» bekannt gemacht hat, dass der Zürcher Apple-Store von der Bahnhofstrasse an den Rennweg umzieht, rätselt die halbe helvetische Immobilien-Szene: Warum nur gibt sich der Weltkonzern Apple für seinen wichtigsten Schweizer Laden mit einer zweitklassigen Lage zufrieden? Ausgerechnet Apple, das seine rund 500, bis ins letzte Detail durchdesignten Läden weltweit ausschliesslich an Top-Standorten betreibt? Etwa an der 5th Avenue in New York, an den Champs-Elysées in Paris oder an der Regent Street in London.

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Die Antwort ist gleichzeitig banal und komplex.

Bislang war Apple in der Liegenschaft Bahnhofstrasse 77 eingemietet. Die Immobilie gehört der alteingesessenen Zürcher Familie Nörr, die einst im Haus wohnte und ein Lodengeschäft führte. Die Liegenschaft ist auf drei Seiten umschlossen von zwei Immobilien im Besitz von Swiss Life.

Um diese zwei Immobilien tobt seit Jahren eine erbitterte und mittlerweile arg verästelte Mietrechts-Auseinandersetzung. Die Parteien: Swiss Life hier, der Warenhauskonzern Manor dort. Der sanierungsbedürftige Detailhändler der Genfer Milliardärsfamilie Maus ist nur noch als Mieter geduldet, bis die Gerichte endgültig entschieden haben. Wann das sein wird, wagen nicht einmal erfahrene Juristen vorauszusagen. Bis das letzte Urteil gesprochen ist, könnte es durchaus noch ein bis zwei Jahre dauern.

Mitten drin im Dauer-Streit zwischen Swiss Life und Manor: die Familie Nörr und eben ihr Mieter Apple (siehe Plan unten).

Manor

Komplexe Situation: Drei Liegenschaften, zwei Eigentümer.

Quelle: HZ

Denn Manor ist auf den oberen Stockwerken auch Mieter der Nörrs. Und die Liegenschaft der Familie – und ergo auch Apple – ist punkto Versorgung auf Swiss Life angewiesen. Strom, Wasser und so weiter beziehen die Nörrs beziehungsweise Apple aus der Liegenschaft von Swiss Life.

Apple hatte die Nase voll

Will heissen: Dass sich Manor und Swiss Life seit Jahren von einer Mietvertragsverlängerung ins nächste Provisorium hangeln, von einem Urteil zur nächsten Gerichtsinstanz, hatte auch unmittelbare Auswirkungen auf Apple.

Eine längerfristige Planung für den längst angedachten Ausbau des Standorts Bahnhofstrasse wurde so verunmöglicht. «Irgendwann hatte Apple schlicht die Nase voll – und zog einen Schlussstrich», sagt ein Immobilienexperte, der mit der Sachlage vertraut ist.

Apples Problem: An der Bahnhofstrasse ein Ladenlokal zu mieten, das mindestens gleich gross oder grösser ist als der bestehende Laden, ist schlicht ein Ding der Unmöglichkeit. Daher der Umzug an die zweitklassige Lage am Rennweg. Dieser ist zwar ebenfalls eine Einkaufsmeile, aber eben um ein Vielfaches weniger frequentiert als die Bahnhofstrasse. Vor allem aber verströmt die Adresse deutlich weniger Prestige als die teuerste Einkaufsstrasse der Schweiz, die weltbekannte Bahnhofstrasse.

Hinzu kommt: Der Zugang zum neuen Apple-Ladenlokal über den Rennweg führt zunächst über eine halbgeschossige Treppe – und dann noch einmal ein Stockwerk hinauf. Für jeden Retailer ist diese bauliche Situation eigentlich ein No-go. Für den Retailer Apple mit seinem ausgefeilten Ladenbau-Konzept umso mehr.

Standort Rennweg einst abgelehnt

In der Zürcher Immobilienszene ist es denn auch ein offenes Geheimnis, dass Apple-Vertreter den jetzt gemieteten Standort bereits einmal in Augenschein genommen, schnell aber als untauglich verworfen hatten. Damals gehörte das Gebäude noch Unternehmer Philippe Gaydoul, eingemietet war der Spielwarenhändler Franz Carl Weber. Gaydoul verkaufte das Haus 2016 für geschätzte 230 Millionen Franken an Swiss Life.

Aber eben: Eine Wahl haben die Amerikaner nicht, wenn sie die Zürcher Bevölkerung nicht bloss mit dem Laden im Einkaufszentrum Glatt in Wallisellen bedienen wollen. Immerhin bietet der neue Standort einen Vorteil. Er ist deutlich grösser als der bisherige. Neu kann Apple gut 1000 Quadratmeter bespielen. Bisher waren es bloss rund 400. Allerdings ist diese grosse Fläche eben nicht ebenerdig, sondern befindet sich in einem Obergeschoss am Rennweg 43 («Macprime» breitet hier die Bau- und Stockwerkpläne im Detail aus).

Apple-Jünger wird die B-Lage kaum stören, Touristen und Passanten schon eher. Und wohl auch die Retail-Gewaltigen in der Apple-Zentrale in Cupertino, die für die besten Smartphones der Welt eigentlich nur das beste Umfeld der Welt dulden.

Am liebsten hätte Apple ohnehin seinen bestehenden Standort in der Liegenschaft der Familie Nörr ausgebaut – gegen oben. Ohne den Streit zwischen Manor und Swiss Life wäre das Vorhaben wohl längst umgesetzt worden. Denn die Nörrs und die Swiss Life haben längst vereinbart, dass die Nörr-Liegenschaft wieder vollständig von den Swiss-Life-Liegenschaften getrennt wird – auf allen Stockwerken und inklusive Versorgung. Das alles soll gleichzeitig mit dem geplanten Umbau der Swiss-Life-Immobilien geschehen. Swiss Life plant für die Zukunft statt mit einem Warenhaus mit mehreren Läden sowie Büros und Arbeitsplätzen.

Nur ein Provisorium – oder ein Zürcher «Providurium»

Dass Apple sich nun am Rennweg ausgerechnet bei Swiss Life einmietet, stösst – so ist zu hören – der Familie Nörr sauer auf. Sie verliert einen hervorragenden Mieter, Swiss Life gewinnt einen. Die Frage aber, die sich Immobilienexperten stellen, ist: Für wie lange?

Immobilienexperten gehen davon aus, dass Apple auszieht, sobald sich die Chance einer Rückkehr an die Bahnhofstrasse bietet. «Die bleiben keinen Tag länger als nötig», sagt ein Kenner der Zürcher Retailszene. «Der Rennweg ist für Apple sicher bloss ein Provisorium», sagt ein anderer. Allerdings würden, ergänzt er, Provisorien in Zürich oft zu «Providurien». Apple äussert sich nicht zum Thema und schreibt auf Anfrage bloss, man äussere sich nicht zu «internen Angelegenheiten».

Der neue Apple-Store am Rennweg wird diesen Samstag eröffnen.

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