In der Schweiz wehren sich die Banken mit ihrem mobilen Bezahldienst Twint gegen Apple Pay. Das sei auf lange Sicht ein nutzloser Kampf, da Amazon als ein dritter Player mit seinen kassenlosen Läden technologisch bereits einen Schritt weiter ist, schrieb BILANZ vergangene Woche in einem Kommentar.

Nun startet der Online-Gigant aus Seattle tatsächlich einen Angriff auf Apple Pay. Amazon verhandelt derzeit offenbar mit verschiedenen Retailern, damit sie den Bezahldienst Amazon Pay einführen, wie das «Wall Street Journal» berichtet. Zum Start suche Amazon die Zusammenarbeit mit Tankstellen, Restaurants und anderen Händlern. Während allein in den USA bereits mehr als fünf Millionen Läden Apple Pay akzeptieren, lässt sich Amazons Bezahllösung primär online nutzen. Das soll sich ändern.

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Alexa als Zahlungsplattform

Wie Amazon Pay im stationären Bereich umgesetzt wird, ist noch unklar. Wahrscheinlich werden Kunden an der Kasse mit der Amazon-Pay-App bezahlen, so wie sie es mit Apple Pay oder hierzulande auch mit Twint können. Das an sich wäre noch nicht revolutionär.

Offenbar arbeitet Amazon auch daran, seine virtuelle Assistentin Alexa als Zahlungsplattform einzusetzen. So könnte etwa ein Amazon-Nutzer an der Tankstelle seiner Sprachassistentin im Auto sagen, dass der Betrag über Amazon abgerechnet werden soll. Das jedoch ist noch Zukunftsmusik.

Anders sieht es mit den kassenlosen Lebensmittelläden namens Amazon Go aus. Sie könnten sich als wegweisendes Modell auch für andere Retailer erweisen, verbinden sie doch die Vorteile des digitalen Verkaufs mit dem klassischen.

Zwei wesentliche Gründe sprechen für das Modell.

1. Der Kunde profitiert:

In der digitalen Welt setzt sich oft das für den Nutzer am praktischsten Produkt durch. Amazon trägt mit seinen Läden diese Logik in die physische Welt. Der Einkauf bei Amazon Go ist für den Kunden simpler als anderswo: Man checkt sich beim Betreten des Ladens mit der Amazon-App ein, nimmt Milch und Brot und spaziert aus dem Laden. Kameras und Sensoren registrieren, welche Produkte der Kunde einpackt, die Rechnung wird automatisch vom Amazon-Konto abgebucht. Amazon will so das Einkaufserlebnis verbessern: Kunden müssen nicht mehr Schlange stehen, zudem wird ihnen ein allfälliger Preisschock an der Kasse erspart.

In den USA betreibt Amazon bereits sechs solche Läden, zwei eröffnen bald in Chicago und in San Francisco. Laut «Bloomberg» will der Online-Riese bis 2021 gegen 3’000 Amazon-Go-Läden eröffnen. Im Gespräch sei auch eine Expansion nach Europa – mit Pop-up-Stores für Elektronik und Mode, die in den kommenden Tagen in Berlin, Madrid, Rom und London eröffnen, lotet Amazon das stationäre Geschäft in Übersee schon mal aus.

2. Der Händler kann sein Angebot besser auf die Kunden abstimmen:

Mit Amazon Go dringt der Konzern immer tiefer ins Leben der Kunden ein. Und erfährt mehr über deren Einkaufsverhalten, als das etwa Coop und Migros dank ihren Supercard- und Cumulus-Angeboten vermögen. Denn in den Amazon-Go-Läden kann das gesamte Einkaufsverhalten erfasst und ausgewertet werden: welche Wege läuft der Kunde, wie lange schaut er welche Produkte an, welche Produktbeschreibungen liest er, wie schnell greift er zu, welche Rabatte ziehen zu welcher Zeit. Läuft ein Produkt in einem bestimmten Laden nicht, könnte Amazon sofort die Preise anpassen. Im E-Commerce setzt Amazon bereits stark auf dynamische Preise, mit Amazon Go lassen sich variierende Preise problemlos aufs stationäre Geschäft übertragen.

Big Brother? Gewiss. Doch bisher zeigt sich: Konsumenten lassen sich davon nicht abschrecken, solange sie das Gefühl haben zu profitieren. Und mit dem immensen Wissen kann Amazon das Angebot besser als jeder andere Händler auf die Kunden zuschneiden. Dass andere Retailer früher oder später Amazons Konzept übernehmen, davon ist auszugehen. Sollte Amazon stationär ähnlich einschlagen wie im E-Commerce, werden Kassen – Self-Checkout eingeschlossen – in nicht so ferner Zukunft der Vergangenheit angehören.