Aufnahme in den Dax: Wie der Rüstungskonzern Rheinmetall zum Börsenstar aufgestiegen ist

Vor gut einem Jahrzehnt war Russland für Rheinmetall noch ein Zukunftsmarkt. Das Grossprojekt Russian Army Training Center Mulino, ein Trainingszentrum für russische Soldaten, eröffne dem Düsseldorfer Konzern grosse Chancen, hiess es im Geschäftsbericht. Inzwischen ist alles anders. Aus dem Ex-Kunden Russland ist nach dem Angriffskrieg in der Ukraine eine Bedrohung geworden. Dessen Panzer und Drohnen werden jetzt mit Rheinmetall Munition beschossen. Rheinmetall-Chef Armin Papperger plant sogar eine Panzerproduktion in der Ukraine. Der grösste Rüstungskonzern mit Sitz in Deutschland erlebt derzeit seine eigene Zeitenwende. Vor dem Ukraine-Krieg musste sich Rheinmetall-Chef Papperger Argumente einfallen lassen, warum die Rüstungsindustrie in Deutschland wichtig und kein Schmuddelkind ist, zu dem die Politik Berührungsängste hat. Inzwischen kommen Politiker zu Rheinmetall, um sich zeigen zu lassen, wie die Produktion ausgebaut werden könnte. Der 60-jährige Rheinmetall-Chef nennt immer neue Projekte, was der Konzern in Zukunft noch machen könnte. Der Munitions- und Waffenbedarf aus dem Ukraine-Krieg und das 100-Milliarden-Sonderbudget der Bundeswehr sorgen für glänzende Aussichten bei Rheinmetall. An der Börse hat sich seit Kriegsausbruch der Aktienkurs fast verdoppelt. Der Konzern wird fundamental neu bewertet. So wird Rheinmetall ab 20. März sogar in der Börsen-Top-Liga, dem Dax 40, notiert. Der Spezialist für Waffen und Munition ersetzt ausgerechnet die Aktie von Fresenius Medical Care, einem Spezialisten für Dialyseprodukte und lebenswichtige medizinische Versorgung, der in Russland weiterhin Dialysezentren betreibt. Auch der zweite deutsche Börsen-Rüstungswert, der Radar- und Sensorspezialist Hensoldt, steigt in den MDax auf. Rüstungsanbieter sind gefragt. Ukraine-Krieg als Wachstumschance Rheinmetall-Chef Papperger hatte zwar schon vor Jahren einen Super-Konjunkturzyklus für seine Branche vorhergesagt. Doch wohl nicht in den gewaltigen Dimensionen wie durch den Ukraine-Krieg. Der könnte Rheinmetall in neue Dimensionen treiben. Dabei war es noch nie wirklich ruhig in der Geschichte des Konzerns. So wurde 2014 im Umfeld einer Feier zum 125-jährigen Bestehen des Unternehmens darüber spekuliert, ob Papperger mit Rheinmetall nicht gross im Marine-Sektor tätig wird und das U-Boot-Geschäft von Thyssenkrupp übernimmt. Daraus wurde nichts. Papperger versuchte auch vergeblich, beim Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann (KMW) einzusteigen, der sowohl Konkurrent als auch Kooperationspartner ist. Doch die privaten Eigentümerfamilien von KMW und ihr Leitmanager Frank Haun gingen lieber ein Bündnis mit dem staatlichen französischen Nexter-Konzern ein, als dass Papperger bei ihnen etwas zu sagen bekommt. Das teilweise zerrüttete Verhältnis Rheinmetall-KMW führte sogar dazu, dass Papperger eigene Schützenpanzer- (Lynx) und Kampfpanzermodelle (Panther) entwickelte. Dabei baut der Panther im Unterbau (Wanne/Laufwerk) auf dem Leopard 2 auf. Waffenschmiede Rheinmetall profitiert vom Krieg in der Ukraine Der deutsche Rüstungskonzern hat den Umsatz im abgelaufenen Jahr deutlich steigern können. Dieser legte im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent zu. Weiterlesen. Rheinmetalls Expansionskurs Bemerkenswert ist, dass Papperger die Umbruchsituation für Rüstung offensiv mit immer neuen Vorschlägen begleitet, während vom deutsch-französischen Rüstungskonzern KNDS mit Krauss-Maffei Wegmann nicht so viel zu hören ist. KNDS-Chef Frank Haun begleitete immerhin Kanzler Olaf Scholz, als der im August 2022 auf einen Flugabwehrpanzer Gepard kletterte. KNDS ist nicht wie Rheinmetall börsennotiert und muss jedes Quartal neu Rechenschaft ablegen. Nächster Rheinmetall-Termin ist der 16. März mit der Bilanzvorlage. Da dürfte der Ingenieur Papperger weitere Details zu seinen jüngsten Ideen nennen. Für 1,3 Milliarden Euro wird der grosse spanische Munitionshersteller Expal Systems gekauft. Die Südafrika-Beteiligung Rheinmetall Denel Munition baut nicht nur die Produktion aus, sondern liefert auch Anlagentechnik für ein neues Munitionssprengstoffwerk in Ungarn. Dort werden inzwischen Lynx-Schützenpanzer produziert. In Sachsen soll für 700 bis 800 Millionen Euro ein neues Pulverwerk entstehen. Der Bund soll sich an den Kosten beteiligen. Es brauche über zwei Jahre, um so ein Werk aufzubauen, sagte Papperger. Ihm schwebt ein Geschäftsmodell vor, bei dem der Staat «in diese strategische Massnahme für nationale Sicherheit investiert». Rheinmetall würde dann ein Gemeinschaftsunternehmen gründen und die Produktionsstätte anmieten. Wie es heisst, gibt es beim Bund aber Vorbehalte gegen eine Staatsbeteiligung. Für einen Ausbau der Kapazitäten auf jährlich 240'000 Schuss Panzermunition und bis zu 500'000 Schuss Artillerieproduktion brauche der Konzern keine Staatshilfe, heisst es bei Rheinmetall – wohl aber beim Pulver. Mehr zum Thema Rüstungsindustrie Deutsche Rüstungsindustrie soll Produktion hochfahren Grossbritannien, Japan und Italien wollen neuartigen Kampfjet entwickeln Die Schweizer Rüstungsindustrie hängt an einem seidenen Faden Rentables Munitionsgeschäft Für Rheinmetall ist das Munitionsgeschäft sehr rentabel. Ein Schuss einer Hightech-Spezialmunition für den Kampfpanzer Leopard 2 ist mit etwa 7500 Euro anzusetzen. Eine Analystenstudie der Schweizer Grossbank UBS verweist auf eine 25 Prozent EBIT-Marge (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) bei der Hightech-Munition, aber auch darauf, dass die Wachstumspläne nicht zum Nulltarif zu bekommen sind. Ohnehin sei die weitere Rheinmetall-Entwicklung stark von Verlauf und Dauer des Ukraine-Kriegs abhängig. Papperger überrascht mit immer neuen Ankündigungen. Etwa einer Absichtserklärung mit den US-Rüstungskonzernen Lockheed Martin und Northrop Grumman über die Produktion von bis zu 400 Rumpfmittelteilen für den US-Kampfjet F-35. Den hat auch Deutschland bestellt. Das Werk könnte in Sachsen entstehen, wird spekuliert. Eigentlich wäre Airbus der erfahrene Partner für dieses Schlüsselbauteil. Aber die Rüstungssparte lehnte ab, weil es sich angeblich nicht rechnete. In einem Interview mit der «Rheinischen Post» sagte Papperger jüngst, dass in Deutschland und Ungarn binnen 15 bis 18 Monaten die Produktion des neuen schweren Kampfpanzers Panther anlaufen könnte und auch in der Ukraine der Panther produziert werden könnte. Ein 200 Millionen Euro teures Werk könnte jährlich bis zu 400 Panther produzieren. Die Flugabwehr sei in der Lage, das Werk schützen, sagte Papperger. In einem anderen Interview hatte der Rheinmetall-Chef davon gesprochen, dass die Produktion erst nach Beendigung Krieges infrage komme. Für Rheinmetall fallen derzeit Entscheidungen, die enorme Auswirkungen auf den Konzern haben. So wartet der Düsseldorfer Konzern seit Monaten auch auf einen Mega-Auftrag aus Australien für Schützenpanzer. Das sind die neuen Zukunftsmärkte. Russland gehört schon lange nicht mehr dazu. Dieser Artikel erschien zuerst auf welt.de unter dem Titel «Der wundersame Aufstieg von Rheinmetall zum Börsenstar».

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Wie Rheinmetall zum Börsenstar aufgestiegen ist