Der Vorstand von ThyssenKrupp Elevator ist in Champagnerlaune. Zwar legt der Mutterkonzern die Ergebnisse des abgelaufenen Geschäftsjahrs 2004/2005 erst am 1. Dezember 2005 vor, doch schon jetzt sickert durch: Es war ein sehr erfolgreiches Jahr, auch für die Aufzugsparte des deutschen Engineering-Giganten.

Solche Nachrichten erhöhen den Druck auf den Hauptkonkurrenten Schindler weiter. Der Aufzughersteller aus dem luzernischen Ebikon liegt zwar bei den weltweiten Marktanteilen noch vor ThyssenKrupp (siehe Grafik). Punkto Profitabilität und Technik hat der deutsche Hersteller nach eigenen Angaben Schindler bereits überholt. In den beiden letzten Geschäftsjahren 2002/2003 und 2003/2004 erzielte Thyssenkrupp Elevator im Lift- und Rolltreppengeschäft jeweils Betriebsmargen von 10,5%. Schindler hingegen weist für 2003 und 2004 Ebit-Margen von 6,4% bzw. 7,9% aus (inklusive Fahrtreppengeschäft). Ziel ist eine Ebit-Marge von mindestens 10%. Im 2. Halbjahr 2005 hat sich Schindler zwar dieser Vorgabe stark angenähert: Die Marge kletterte auf 9,2%, was beweist, dass das mit hohem Aufwand und vorübergehenden Gewinnsenkungen verbundene mehrjährige Restrukturierungsprogramm greift. Doch möglicherweise reichen die Anstrengungen des Liftbauers letztlich doch nicht, um den hartnäckigen Verfolger ThyssenKrupp Elevator definitiv abzuschütteln.

*«Kein unmögliches Ziel»*

Wie Recherchen der «HandelsZeitung» ergaben, schickt sich ThyssenKrupp Elevator an, Schindler auch in puncto Marktanteile zu überholen. Und zwar schon bald. «Ja, wir wollen im Aufzuggeschäft weltweit die Nummer zwei werden», bestätigt ThyssenKrupp-Elevator-Sprecher Rembert Horstmann. Damit habe man sich ein sportliches, aber kein unmögliches Ziel gesetzt. Weitere Angaben zum Wann und Wie macht Horstmann nicht.

Präziser wird ein Kadermitglied des deutschen Konzerns. «Uns fehlen fünf Prozentpunkte, um mit unserem Hauptkonkurrenten gleichauf zu sein», analysiert der Angestellte. Auf dieser Basis prüfe man nun mögliche grössere Übernahmeobjekte, um in ein oder zwei Schritten Schindler auf den dritten Rang verweisen zu können. Infra-ge kämen lediglich die kleineren Konkurrenten Hitachi (4% Weltmarktanteil), Toshiba (3%) und Fuji Tech (1%). Alle drei generieren den grössten Teil ihrer Umsätze im Wachstumsmarkt Asien. Spannende Unternehmen also für die drei Grossen der Branche, die sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Marktanteile in Asien liefern. Bei Schindler hält man sich zu den Avancen von Thyssenkrupp bedeckt. «Wir kommentieren grundsätzlich keine Behauptungen von Konkurrenten», sagt Konzernsprecher Riccardo Biffi.

*Coup in Südkorea*

Gerade in Asien könnte Schindler den Anschluss verpassen. Zwar erzielten die Ebikoner 2004 immerhin 16% des Konzernumsatzes in Asien - Schindler liegt damit hinter Otis, der mit geschätzten 21% führt, aber noch deutlich vor ThyssenKrupp. Die Deutschen generieren heute erst 11% ihres Umsatzes in Fernost. Doch Thyssen-Krupp holt auf: Der Konzern akquirierte im letzten Geschäftsjahr die südkoreanische Dongyang-Gruppe und erhöhte damit den Umsatz seines Asiengeschäfts mit einem Schlag um 267 Mio Euro. Allein die Dongyang-Gruppe erzielt damit runde 7% des Thyssen-Krupp-Elevator-Umsatzes 2003/

2004 von 3,6 Mrd Euro. Die Zukauf-Strategie soll insbesondere in Asien fortgesetzt werden.

Schindler dementiert nicht, dass man neben der internen auch eine externe Wachstumsstrategie verfolgt. Laut Konzernsprecher Biffi äussert sich Schindler aber grundsätzlich erst «post factum» zu Mergers & Acquisitions-Fragen.

*«Hier wollen wir dabei sein»*

ThyssenKrupp Elevator bringt Schindler nicht nur mit der aggressiven Akquisitionsstrategie in Bedrängnis. Der Düsseldorfer Konzern will zusätzlich mit besonders konkurrenzfähigen Innovationen organisch wachsen und Schindler auf einer zweiten Schiene Marktanteile abknöpfen. In puncto Neuheiten bietet ThyssenKrupp Elevator weltweit als einziges Unternehmen etwa den Twin-Aufzug an - zwei Fahrstühle in einem Schacht, die sich unabhängig voneinander steuern lassen. Zeitgleich startete der deutsche Konzern eine aggressive Marktoffensive im Aufzug-Volumengeschäft. In Deutschland beispielsweise wurde der maschinenraumlose Lift, Modell Spirit, lanciert. Er gleicht in technischer Hinsicht dem Schindler-Modell 3300 und dem Otis-Bestseller Gen2.

Den Spirit-Lift will Horstmann aber nicht im Billigsegment sehen: «Das margenschwache Massengeschäft interessiert uns nicht», betont der ThyssenKrupp-Elevator-Sprecher. Ziel sei es vielmehr, mit preislich konkurrenzfähigen, aber qualitativ hochwertigen Produkten die Märkte weltweit in den Bereichen Wohnungsbau, Bürogebäude und Industrie zu bearbeiten. Im Fokus hat der Konzern insbesondere Europa, wo 4 Mio der weltweit 7,6 Mio Aufzüge eingebaut sind. Schätzungen gehen davon aus, dass rund ein Viertel der bestehenden Aufzüge durch neue ersetzt werden muss. «Hier wollen wir dabei sein», sagt Horstmann.

Angriff auf das Kerngeschäft*

In der Schweiz ist der Anteil der renovierungsbedürftigen Lifte noch höher: Wegen einer im Vergleich zu anderen Staaten Europas gesetzlichen Ausnahme sind Aufzüge, wo die Schachtwand bei der Fahrt sicht- und vor allem berührbar ist, noch zugelassen. Das dürfte sich im Zuge neuer EU-Richtlinien früher oder später ändern. Dann schlägt die Stunde der Hersteller: Denn wer den Lift erst einmal eingebaut hat, dem winkt über die nächsten Jahrzehnte hinweg ein lukratives Service- und Ersatzteilgeschäft. Mit der organischen Wachstumsstrategie attackiert ThyssenKrupp Elevator Schindler in seinem Kerngeschäft: Der Ebikoner Konzern setzt im Commodity-Segment zwei Drittel der Produktion ab.

Schindler-Sprecher Riccardo Biffi mag die Bedeutung des Angriffs des deutschen Konkurrenten auf das Commodity-Geschäft nicht kommentieren. Nur so viel: «Wir sind bereits global tätig. Aber es gibt immer Märkte, wo wir unsere Position verbessern können.»

Partner-Inhalte