Noch vor ein paar Wochen war unklar, ob die Augenheilsparte Alcon bei Novartis bleiben würde. Jetzt wartet das Unternehmen mit einem Erfolg bei den augenpharmazeutischen Produkten auf: Brolucizumab, ein neuer Wirkstoff gegen die altersbedingte Makula-Degeneration (AMD), hat die entscheidende Hürde der klinischen Studien genommen. Die Zulassung soll im dritten Quartal des nächsten Jahres beantragt werden.

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Bei Brolucizumab handelt es sich um ein einkettiges Antikörperfragment (single-chain antibody fragment, scFv). ScFv sind in der biotechnologischen Entwicklung besonders gesucht, weil sie sehr klein sind, sich leicht ins Gewebe einarbeiten und schnell wieder aus dem Blutkreislauf verschwinden.

Injektion ins Auge

Der neue Wirkstoff hat den Vorteil, dass er weniger häufig initiiert werden muss als bei etablierten Therapien. In den klinischen Studien, deren Resultate dieser Tage veröffentlicht wurden, kam die Mehrheit der Patienten mit einer Injektion alle zwölf Wochen aus. Die Wirkstoffe müssen direkt ins Auge initiiert werden, was sehr belastend ist für die Patienten. Zudem beanspruchen die häufigen Arztbesuchee die Gesundheitssysteme.

Gut möglich also, dass Novartis mit Brolucizumab ein Fund gelungen ist, der den bisherigen Therapien das Wasser abgraben wird. Bei Elyea, dem entsprechenden Präparat von Regeneron, wird das kein Problem sein. Hier dürften sich vor allem die Investoren Sorgen machen; das Biotechunternehmen machte im vergangenen Jahr 68 Prozent seiner Umsätze mit dem Präparat.

Dilemma wegen Lucentis

Schwieriger wird es bei Lucentis, dem Produkt, mit dem Roche und Novartis 2005 die Behandlung von AMD revolutionierten. Das Produkt wird nur in den USA von Roche selbst vertrieben, ausserhalb sitzt das Marketing von Novartis am Drücker. Doch Novartis wird nicht gleichzeitig ein Produkt von Roche vermarkten und ein eigenes Konkurrenzprodukt auf den Markt bringen können.

Vas Narasimhan, Noch-Entwicklungschef und künftiger Konzernchef, sagte kürzlich an einem Call, die Verträge mit Roche würden eingehalten. Doch damit werde die Frage nicht zu klären sein, sagt Lorenzo Biasio, Pharmaanalyst bei der Credit Suisse. Er gehe davon aus, dass «wir dazu in den nächsten Monaten mehr erfahren werden». Er erwarte aber, dass Novartis Lucentis künftig nicht mehr vermarkten werde.

Milliarden auf dem Spiel

Auf dem Spiel steht einiges. Roche machte mit Lucentis 2016 einen Umsatz von 1,4 Milliarden Franken in den USA, Novartis setzte im Rest der Welt 1,8 Milliarden Dollar um. Das Umsatzpotential von Brolucizimab wird bis 2021 auf 300 bis 500 Millionen Dollar geschätzt. Das ist deutlich mehr als vor der Veröffentlichung der Studienresultate.

Lorenzo Biasio von der Credit Suisse, geht davon aus, «dass diese Zahl durchaus noch Luft nach oben hat». Das Volumen des Marktes, den Eylea und Lucentis zur Zeit weitgehend unter sich ausmachten, liege bei 10 Milliarden Dollar. Ein Blockbuster-Status, das heisst ein Umsatz von einer Milliarde und mehr, liege für den neuen Wirkstoff Brolucizumab deshalb «sicher im Rahmen der Möglichkeiten».

Millionen Erkrankte

Die feuchte Makula-Degeneration ist eine altersbedingte Augenerkrankung, an der allein in der entwickelten Welt 20 bis 25 Millionen Menschen erkrankt sind, vor allem ältere. Dabei kommt es zu krankhaften Veränderungen bei den Blutgefässen, die unbehandelt zu einer Einschränkung des Sehvermögens und zu Blindheit führen.

Die altersbedingte Makula-Degeneration (AMD) ist eine der hauptsächlichen Ursachen für Blindheit von Menschen über 60.