Nur die besten Zulieferer meistern den Teufelskreis im Automobilgeschäft: Leichter, sicherer und komfortabler müssen Fahrzeuge von morgen sein. Kann der Zulieferer diese Anforderungen nicht erfüllen, lassen ihn die Kunden fallen. Gleichzeitig werden die hart umkämpften Margen der Zulieferer immer dünner. Schmale Gewinne führen mittelfristig zu einem reduzierten Forschungs- und Entwicklungsbetrieb. Der Zulieferer kann den Branchentrends ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr folgen und verliert Terrain an seine Wettbewerber.

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Schweizer behaupten sich



Die Schweizer Zulieferer behaupten sich in der knallharten Industrie bemerkenswert gut. Ihre Strategie: Sie spezialisieren sich auf Nischen und auf Produkte, die im wachsenden Ausmass nachgefragt werden. Schaffner und Johnson-Electric-Tochter Saia-Burgess etwa positionieren sich erfolgreich in der boomenden Elektronik. Adval Tech, Ems-Chemie und Feintool machen die Autofahrt sicherer. Rieter ermöglicht grösseren Fahrkomfort. Und Zulieferer wie Georg Fischer (GF), Gurit, Sika, Quadrant und Wicor verhelfen zu leichteren Bauweisen. So stecken in jedem der 15 Mio Autos, die jährlich von den europäischen Herstellern gebaut werden, Produkte der Schweizer Zulieferer. Und auch bei den übrigen 35 Mio Autos, die weltweit vom Band laufen, ist die Schweiz gut vertreten – etwa bei asiatischen und US-amerikanischen Herstellern.

Beim Schweizer Grosszulieferer GF mit Sitz in Schaffhausen ist die Gewichtsreduktion ein zentrales Thema. Die Faustregel der Autoindustrie besagt, dass pro 100 kg Gewichtsreduktion 0,5 l Treibstoff auf 100 km eingespart werden können. Ein Zulieferer wie GF ist also willkommen, wenn allein er – wie etwa bei der Mercedes-S-Klasse – das Gewicht pro Fahrzeug um 40 kg senken kann. Führend in Sachen Leichtbau sind neben GF auch Quadrant (Kunststoffanwendungen, etwa für die Unterbodenstruktur), Gurit (unter anderem Faserverbundstoffe für Karosserieteile), Sika (Werkstoffe, etwa Klebstoffe für Karosserieteile) und Wicor (Kunststoffanwendungen für Premiumfahrzeuge).

Bei GF ist das Thema Gewicht von besonderer Bedeutung, weil der Konzern mit neuen Verfahrenstechniken immer leichtere, günstigere, festere und gleichzeitig flexiblere Teile aus Eisen, Aluminium und Magnesium anbieten muss. Die GF-Konzernsparte Automotive erzielte 2006 einen Umsatz von 1,96 Mrd Fr. mit Gussteilen, darunter Motorblöcke, Radträger und Tür-Innenteile. GF Automotive beliefert ausser Fiat alle europäischen Autobauer sowie die führenden asiatischen und US-Hersteller.

Bereits die Hälfte des Umsatzes von 1,96 Mrd Fr. erzielt GF Automotive mit Leichtmetallguss. Im Bereich des traditionellen Eisengusses, der vorzugsweise für Massenserien-Fahrzeuge verwendet wird, hat GF Automotive einen neuen Eisenwerkstoff eingeführt, um das Gewicht der Gussteile zu senken. Das leichtere, festere und gleichzeitig günstigere Produkt kommt bei den Kunden gut an, GF hat bereits erste Erfolge verbucht: «Es ist uns unter anderem gelungen, bei VW in der laufenden Serie der Golf-Plattform ein bisheriges Schmiedeteil durch ein gegossenes Teil von uns zu ersetzen», sagt GF-CEO Kurt Stirnemann gegenüber «Stocks» (siehe Nr. 7 vom 23. März 2007). Stirnemann geht davon aus, dass die Fahrzeuge künftig weiter an Gewicht verlieren werden. «Die Hersteller müssen auf die neuen CO2-Ziele reagieren, die die EU publiziert hat», argumentiert er. «Weil die Menschen in den nächsten Jahren wohl nicht weniger mobil sein werden, muss eben das Auto leichter werden.»

Im Premiumsegment allerdings wächst die Nachfrage nach Komfort und passiver Sicherheit, was das Gesamtgewicht eines Oberklassefahrzeugs eher steigen denn sinken lässt. Für GF kein Widerspruch: «Allein schon deshalb müssen die tragenden und fahrenden Teile leichter werden», meint Stirnemann.

Auf einem ganz anderen Gebiet haben sich Saia-Burgess und Schaffner positioniert. Sie setzen auf den stark wachsenden Elektronikmarkt. Schaffner mit Sitz in Luterbach liefert Komponenten, welche die Entstehung von elektromagnetischen Störbeeinflussungen verhindern und vor deren Auswirkungen schützen. Die Autoindustrie zählt Schaffner zu den vielversprechendsten Märkten. Denn Fahrzeuge enthalten immer mehr elektronische Steuerungen, vor allem im Sicherheitsbereich, die keinesfalls störungsbedingt ausfallen dürfen.

Solche Steuerungen sowie Schalter und andere elektronische Produkte entwickelt und produziert Saia-Burgess. Das Unternehmen mit Sitz in Murten wurde Ende 2005 von Johnson Electric aus Hongkong übernommen. Die Produkte von Saia-Burgess werden unter anderem zur Steuerung der Klimaanlage und der Scheinwerfer verwendet.

Bedarf an Werkstoffen steigt



Von den ständig neuen Sicherheits-, Komfort- und Antriebssteuerungen profitiert auch die Ems-Chemie mit Sitz in Domat/Ems. Der Konzern beliefert die Autoindustrie mit Anzündern für den Einsatz in Airbags, Gurtstraffern und anderen Sicherheitssystemen. Daneben produziert er polymere Hochleistungswerkstoffe, unter anderem für die Kraftstoff- und Luftversorgung, Klima, Hydraulik und Pneumatik. Dieses Gebiet deckt zum Teil auch der Chemiekonzern Clariant mit Sitz in Muttenz ab. Er erzielt unter anderem mit Brems- und Kühlflüssigkeiten rund 400 Mio Fr. Umsatz pro Jahr.

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Branchentrends: Vergabeanteil an Zulieferer wächst



Wertschöpfung

Die Autobauer brechen die Wertschöpfungskette weiter auf: Sie entwickeln sich – überspitzt formuliert – in Richtung Marketingunternehmen, während die Produktion auf vorgelagerten Stufen, also bei den Zulieferern, stattfindet. Die Beratungsgruppe Mercer stellte 2002 in einer Studie fest, dass der Vergabeanteil an Dritte bereits bei 65% pro Fahrzeug liegt. 2015 dürften es 75 bis 77% sein.

Schweizer Unternehmen

Laut einer Zusammenstellung der Berner Fachhochschule Technik und Informatik haben rund 200 Schweizer Zulieferer ein Standbein in der Automobilindustrie (siehe Tabelle). Sie erwirtschaften einen Branchenumsatz von rund 8 Mrd Fr. Rechnet man branchenverwandte Märkte wie Garagengewerbe, Tankstellenbetreiber und Versicherungsanbieter dazu, hängt jeder siebte Arbeitsplatz in der Schweiz von der Autoindustrie ab.

Branchentrends

Leichter, sicherer und komfortabler, so lauten die Anforderungen der Autobauer an die Produkte der Zulieferer. Besonders stark wächst der Wertschöpfungsanteil der Elektronik: In den nächsten 10 Jahren dürfte er sich von 20 auf 40% pro Fahrzeug verdoppeln. Davon profitieren Firmen wie Schaffner und Saia Burgess.